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EditorialPutins Unfähigkeit, mit Kritikern umzugehen, offenbart seine Schwäche

Editorial / Putins Unfähigkeit, mit Kritikern umzugehen, offenbart seine Schwäche
Russlands Präsident Wladimir Putin hält per Videoschaltung eine Ansprache vor dem Weltwirtschaftsforum  Foto: AFP/World Economic Forum (WEF)/Handout

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Am Sonntag wird in Russland wieder demonstriert, für die Freilassung des Oppositionellen Alexej Nawalny, gegen Präsident Wladimir Putin. Auch diese Proteste will die Staatsmacht unterdrücken. Deshalb wurden in den vergangenen Tagen bereits mehrere Personen aus dem Umfeld Nawalnys vorübergehend verhaftet. Was ihnen dabei zur Last gelegt wird, ist unerheblich, es dürfte ohnehin nicht stimmen. Sie müssen nur aus dem Verkehr gezogen werden. Das wird viele russische Bürger jedoch nicht davon abhalten, auf die Straßen zu gehen. Von Beobachtern wurden die Proteste vom vergangenen Wochenende als für das Land außergewöhnlich beschrieben, da sie in so vielen Städten stattgefunden hätten, was man nicht erwartet hatte. Die Unzufriedenheit, die bei den Demonstrationen artikuliert wurde, scheint demnach noch andere Gründe zu haben und dürfte nicht bloß auf die willkürliche Verhaftung eines Oppositionellen zurückzuführen sein.

Die Art und Weise, wie die Kreml-Führung auf Nawalny reagiert, kann durchaus als Beleg dafür gewertet werden, dass Putin eigentlich nicht so stark ist, wie er es gerne darstellt. Schon allein Putins persönlicher Umgang mit seinem schärfsten Kritiker ist eigenartig. Seine Weigerung, Nawalny beim Namen zu nennen, hat vielleicht ihren Platz in Fantasie-Geschichten (He who must not be named), mutet aber im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung geradezu kindisch an. Und der demonstrative Versuch des Kreml-Chefs und seiner Helfer, die Bedeutung Nawalnys herunterzuspielen, kehrt sich ins Gegenteil um. Das Linienflugzeug, in dem Nawalny nach Moskau zurückkehrt, wird umgeleitet, damit seine Anhänger ihn nicht medienwirksam empfangen können. Ein Sondergericht wird eigens eingesetzt, um eine einstweilige 30-tägige Haftstrafe wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen zu verhängen. So ein Aufwand wird nicht für jemanden betrieben, den man für unwichtig erachtet, der im Grunde nicht der Rede wert ist. In solchen Momenten wirkt der Staatschef nicht nur schwach, sondern auch noch unbeholfen.

Wie am vergangenen Samstag wird vermutlich am Wochenende die seit Tagen anhaltende Repression und Einschüchterung der Opposition fortgesetzt. Offensichtlich ist Putin nicht in der Lage, sich auf andere Weise seinen Kritikern zu stellen. Er kann sich nur behaupten, indem er den Sicherheitsapparat des Staates für seine Zwecke einsetzt. Es ist nun mal so: Autokraten können sich nur friedlich an der Macht halten, wenn die Bevölkerung schweigend alles erduldet und hinnimmt, was die Führung tut. Begehren die Menschen auf, wird unweigerlich auf Gewalt gesetzt. Wir sehen das seit August in Belarus, wir werden es vermutlich leider auch in Russland erleben. Vor allem die Wortführer der Opposition und Kritiker werden so lange bedrängt, schikaniert und weggesperrt, bis wieder Ruhe eingekehrt ist.

Das ist nicht gut für die Menschen in Russland, denn das Land kann so nicht weiterkommen. Und wie die vergangenen 20 Jahre gezeigt haben, in denen Putin unbestritten regieren konnte, hat der Kreml-Herr trotz des enormen Ressourcenreichtums und intellektuellen Potenzials des Landes nicht viel ausgerichtet. Dazu passt denn auch eine Nachricht von gestern, wonach laut Angaben des russischen Statistikamtes Rosstat die Einwohnerzahl des Landes im Jahr 2020 um etwa eine halbe Million geschrumpft ist. Als Hauptgrund dafür wird die Corona-Pandemie genannt. Experten führen als weiteren Grund die Auswanderung gut ausgebildeter junger Menschen ins Ausland an. Der Mangel an Perspektiven dürfte symptomatisch für Putins Russland sein.

jeff
1. Februar 2021 - 8.35

@ Guy Kemp - Anscheinend sinn och elo ons Belge Noperen  onfäeg mat Kritik ëmzegoen. Bal a ganz Europa verbreet sech déi onfähegkeet bei der Staatsmuecht. Wat maachen mir dann elo?? Muss een sech suergen maachen?? Geschter sinn zu Bréissel  300 friddlech Demonstranten festgeholl ginn, déi just hier Onzefriddenheet matdeelen wollten. Oder ass dat erëm eng aner Saach?

HTK
31. Januar 2021 - 10.40

Ein Ex-KGB-Spitzenmann,der sich einst als rechte Hand des Bürgermeisters von Petersburg bereichert hat bevor er zum Präsident gewählt(sic)wurde darf keine Kritik dulden.Ein " Wir sind das Volk" auf der Straße wäre sein Ende.

de Schmatt
30. Januar 2021 - 12.51

Jemand der keine Kritik verträgt und sich nicht selber in Frage stellt, ist in Wirklichkeit ein schwacher Mensch. Sämtliche Diktatoren und Gewaltherrscher waren schwache Persönlichkeiten, die ihre Schwäche mit allen Mitteln durch ihre Grausamkeiten und Menschenverachtung kompensierten.

Gast Lagav
30. Januar 2021 - 12.44

Es freut mich zu lesen dass Wladimir Putin kein Diktator mehr ist. Denn ein Diktator hat ja bekanntlich keine Schwächen und schon gar keine Kritiker im eigenen Land.