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Juncker im Interview„Putin und ich waren fast Freunde, ich kann das nicht anders sagen“

Juncker im Interview / „Putin und ich waren fast Freunde, ich kann das nicht anders sagen“
  Foto: Editpress/Alain Rischard

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Vor vier Jahren endete Jean-Claude Junckers Amtszeit als Präsident der Europäischen Kommission. Seitdem ist der 68-Jährige nicht mehr politisch aktiv, ein politischer Mensch ist er weiterhin. Der ehemalige Staatsminister empfängt das Tageblatt in seinem Büro zum Interview. Vom Fenster aus sieht man über die „Gëlle Fra“ hinweg. „Die schönste Aussicht Luxemburgs“, freut sich Juncker. Das Gespräch kann beginnen – über die CSV, Rechte in Europa und in Luxemburg und über sein zu enges Verhältnis zu Wladimir Putin.

Tageblatt: Wie verfolgen Sie den Wahlkampf in Luxemburg?

Jean-Claude Juncker: Wie ein Wähler.

Wie ein Wähler?

Ich nehme am Wahlkampf nicht teil. Ich war auf einer Veranstaltung der CSV. Vielleicht gehe ich noch auf eine weitere. Ich gehe nur hin, Reden halte ich keine. Ich kann nicht sagen, dass ich das passiv erlebe, aber es ist kein Vergleich zu dem, wie ich früher involviert war. Ich bin eigentlich nicht mit diesem Wahlkampf beschäftigt.

Sehen Sie Unterschiede zu früheren Wahlgängen? Der Wahlkampf wird dieses Mal als inhaltslos kritisiert.

Ich weiß nicht mehr, wie viele Wahlkampagnen ich gemacht habe. Die erste war 1979. Seitdem wird gesagt, dass das mal wieder ein inhaltsloser Wahlkampf sei. In Luxemburg wird das gesagt, in anderen parlamentarischen Demokratien besteht dieselbe Liste an Vorwürfen. Für mich ist das eine normale Wahlkampagne. Mir fällt nichts Besonderes auf.

Sie gehören nicht zu Ihren Lieblingsthemen: die Dreierkoalitionen. Dieses Mal könnte die CSV auf zwei Koalitionspartner angewiesen sein, wenn sie mitregieren will. Wie stehen Sie dazu?

Es gab nie eine Ursache, eine Dreierkoalition zu machen. Es gab immer zwei Parteien, die eine Mehrheit hatten.

Hat das nicht in Bettemburg angefangen, 2011 auf lokalem Niveau, als die CSV zusammen mit Grünen und DP die LSAP vom Bürgermeisterstuhl stieß?

In Teilen Chinas herrscht eine Diktatur, das ist noch lange kein Grund, das nachzumachen. Wenn das Bettemburger Koalitionsgeschehen schuld daran sein soll, dass in Luxemburg drei Parteien koalieren, dann muss ich mir über die Reife der Luxemburger Parteien ernsthaft Gedanken machen. Es gab immer die Möglichkeit, eine Regierung mit zwei Parteien zu bilden. Aus anderen Gründen wurde entschieden, eine Dreierkoalition zu machen, ohne mit der größten Partei zu reden, es hieß einfach: Salut, mein Junge, mach’s gut! Insofern kommt es mir manchmal kurios vor, wenn die drei, die jetzt in der Regierung sind, sagen, sie würden die Wahlen abwarten. Sie warten die Wahlen nicht ab. Sie sind, meiner Einschätzung nach, fest entschlossen, diese Koalition fortzuführen, wenn es numerisch geht. Wenn man aber das Wahlresultat respektiert, gehört es unter Demokraten zum elementaren Respekt, dass man zuerst mit der stärksten Partei redet.

In zehn Jahren Opposition hat Ihre Partei es nicht fertiggebracht, einen zufriedenstellenden Nachfolger aufzubauen? Jetzt geht Luc Frieden ins Rennen. Wurden Sie auch gefragt?

Die Frage hat sich für mich nie gestellt.

Und es hat auch kein anderer Ihnen diese Frage gestellt?

Luc Frieden ist Spitzenkandidat. Es gibt genügend Leute, die das machen können.

Nie Interesse gehabt?

Nein, ich war 30 Jahre lang in Luxemburg in der Regierung, davon fast 19 Jahre Staatsminister. Danach war ich fünf Jahre in Brüssel. Ich habe genug gemacht, finde ich. Wie sagte Etienne Schneider? Er hat sein Leben zurückgefragt. Ich habe es nie zurückgefragt. Ich wäre gerne Staatsminister geblieben. Ich wurde EU-Kommissionspräsident. Ich habe keine Lust und keine Veranlassung mehr, mich für das innenpolitische Geschehen hier übermäßig zu interessieren, mit Ausnahme meiner Qualität als Wähler und Bürger. Es wird immer gesagt, es habe keinen Nachfolger gegeben – das ist doch gelogen!

Keinen zufriedenstellenden. Wen hätten Sie denn außer einem Luc Frieden noch in dieser Rolle gesehen?

Aber das reicht doch!

Jetzt vielleicht, aber bis die CSV Frieden wieder aus dem Hut zauberte, herrschte lange Jahre gähnende Leere auf dieser Position.

In welchen Jahren?

Sagen wir seit der Wahl 2018. Frank Engel war da …

Ja, der ist abhandengekommen … Als sie einander acht Jahre kannten – (und man darf sagen: sie kannten sich gut), – kam ihre Liebe plötzlich abhanden. – Wie anderen Leuten der Stock oder der Hut. Von Erich Kästner. Ich habe Luc Frieden 1997 in die Regierung geholt, als er 37 Jahre alt war. Michel Wolter, da war er 34 Jahre alt. Octavie Modert mit Mitte 30. Es ist nicht so, dass ich nicht versucht hätte, andere Leute in Verantwortungspositionen zu holen. Luc Frieden ist der natürliche Kandidat.

„Not looking back in anger?“: Jean-Claude Juncker in seinem Büro in Luxemburg-Stadt
„Not looking back in anger?“: Jean-Claude Juncker in seinem Büro in Luxemburg-Stadt Foto: Editpress/Alain Rischard

Sollte eine CSV im Falle einer Regierungsbeteiligung auch den Premierminister stellen?

Ich war immer der Meinung, dass der Wählerwille respektiert werden soll. Die stärkste Partei hat den Anspruch auf den ersten Posten in der Regierung. Das muss jedoch die CSV entscheiden. Ich will nicht wie die Schwiegermutter mit dem Regenschirm durch den Parteigarten laufen und sagen, was ich gerne hätte oder wie ich die Sachen sehe. Ich will mich nicht so einbringen, als ob ich noch da wäre. Ich bin nicht mehr da.

Hat die CSV nach zehn Jahren Opposition die Selbstverständlichkeit verloren? Luc Frieden hat bisher wohl auch bewusst auf den Anspruch verzichtet, selbst Premierminister zu werden.

Das ist seine Art und Weise, diese Frage zu beantworten, und ich glaube, dass das eher klug ist. Es ist nicht so, dass er in die Wahlen mitgeht, um unbedingt Premierminister zu werden. Da gibt es noch andere Möglichkeiten. Aber an einer Regierungskoalition sollte die stärkste Partei beteiligt sein – und dort auch die erste Geige spielen. Wenn das nicht mehr zählt, funktioniert das System nicht optimal. Dass man nicht mit der stärksten Partei spricht, finde ich immer noch ein bisschen merkwürdig. Aber: „I am not looking back in anger.“ Ich bin von den niederen Reflexen befreit.

Wie wichtig sind die Wahlen für die CSV, was droht der CSV, wenn die Partei nicht regieren wird?

Dann passiert das Gleiche wie 1979. Auch damals meinte man, die Partei fällt jetzt auseinander. Das wurde jetzt zehn Jahre lang angenommen und ist trotz des Intermezzos mit Frank Engel nicht geschehen. Meine Befürchtung ist nicht, dass die Partei sich in ihre Bestandteile auflösen wird.

Wie lange ist man denn in Luxemburg Volkspartei?

Da gibt es keine Regel.

Dann ein Gefühl?

Eine Volkspartei ist eine Partei, die die stärkste Partei ist und sich vom Prozentsatz her deutlich von den anderen abhebt. Mit zwölf Prozent ist man keine Volkspartei, mit 15 auch nicht. Dafür braucht man etwas mehr.

Putin und ich waren fast Freunde, ich kann das nicht anders sagen

Riskiert die CSV, diesen Status zu verlieren?

Das glaube ich nicht. Ich bin der Meinung, dass die CSV auch am 8. Oktober als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgeht. Das Selbstverständnis einer Partei ändert sich nicht entlang der Linie, ob man in einer Regierung ist oder nicht. Eine Partei hat ihre Werte, ihren Zusammenhalt, inhaltlich etwas zu sagen – und das kann man auch in der Opposition machen.

Stichwort Opposition: Die CSV wurde viel für ihre Oppositionsarbeit kritisiert. Wie sehen Sie das?  Andere Parteien, beispielsweise die Piraten, haben die Oppositionsarbeit als Sprungbrett genutzt.

Die Piraten sind aber noch weit entfernt davon, eine Volkspartei zu sein.

Das ist richtig.

Ich kommentiere die Leistungen der CSV der vergangenen zehn Jahren nicht, indem ich sage, ihr hättet dies oder jenes tun sollen. Für mich ist es wichtig, in zentralen Momenten der Geschichte seine Meinung zu sagen – und zu versuchen, sie durchzusetzen. Was die Piratenpartei angeht, weiß ich nicht richtig, wofür die steht.

Schwinden in Ihrer Partei die Berührungsängste mit der ADR, obwohl die weiter nach rechts gerückt ist?

Ich sehe nicht, dass es eine Bewegung hin zur ADR gibt. Der Spitzenkandidat und der Parteipräsident haben sehr deutlich gemacht, dass in ihren Augen, ergo auch in den Augen der CSV, die ADR nicht für eine Koalition mit der CSV infrage kommt. Das ist klar und deutlich.

Auch wenn Politiker wie Michel Wolter sagen, dass es eine Partei ist, mit der man reden sollte?

Mit diesen Stimmungen, die dazu beitragen, dass einzelne Parteien nicht mehr so total schwach sind, wie sie einmal waren, muss man sich auseinandersetzen. Das bedingt, dass man sich mit den Themen auseinandersetzt, die andere Parteien hervorbringen. Populisten, und die gibt es in Luxemburg, bekämpft man nicht damit, dass man ihnen nachläuft. Das ist keine gute Politik. Wer den Wählern nachläuft, sieht sie immer nur von hinten. Wenn man die Wähler kennenlernen will, muss man sich ihnen in den Weg stellen, um sie richtig zu erkennen. Was die Annäherung zur extremen Rechten angeht, drehe ich mich nicht. Dreht man sich da einmal einen Tick zu weit, kommt man in einer anderen Welt an. Das darf man nicht machen.

Unterscheidet sich Luxemburg in dem Punkt von anderen europäischen Ländern? Haben wir hierzulande noch eine funktionierende Brandmauer gegen rechts?

Ja und nein. In westlichen Gesellschaften gibt es immer einen hohen Prozentsatz von extrem rechts gesinnten Wählern. Hätte die extreme Rechte in Luxemburg einen zündenden Spitzenkandidaten, würden die viel mehr Prozente kriegen, wie die ADR, die keine rechtsextreme Partei ist, heute bekommt. Es gibt einfach Leute, die gegen Ausländer sind, gegen Menschen anderer Hautfarbe, gegen sexuelle Minoritäten. Auch in Luxemburg, aber sie finden hier keinen Bannführer, wenn ich bei der NSDAP-Sprache bleiben kann. Der Rechtsruck in Europa macht mir Sorgen. Hauptsächlich wegen der Sozialisten. Denen wird ein Heiligenschein angezogen, den sie nicht verdienen. In den skandinavischen Ländern haben sie die rechtsextremen Parteien salonfähig gemacht. In der CSV sehe ich diese Gefahr nicht.

Die CSV gehört auf europäischem Niveau der Europäischen Volkspartei an, der EVP. Die buhlt gerade heftig um Unterstützung von Rechtsaußen.

Würde die EVP jetzt gemeinsame Sache mit rechtsextremen Parteien in Europa machen, würde ich meine Stimme hörbar erheben.

EVP-Chef Manfred Weber wirbt offensiv um die Unterstützung durch die postfaschistischen Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni. Sie sehen diesen Moment, Ihre Stimme hörbar zu erheben, trotzdem noch nicht gekommen?

Wehret den Anfängen! Ich habe einzelnen Leuten bereits gesagt, dass ich den Meloni-Trip nicht gut finde. Auch wenn Frau Meloni sich eher Europa-konform benimmt und europäische Entscheidungen mitträgt und nicht boykottiert – wie es etwa der ungarische Premier Viktor Orban macht. Das ist erstaunlich, weil sie gesagt hat, dass sie das Flüchtlingsproblem innerhalb weniger Tage lösen würde. Das hört sich ein bisschen an wie Trump, der jetzt sagt, wenn ich da bin, ist der Krieg in drei Tagen beendet. Da braucht man keine Goldwaage, um zu sehen, dass das nicht geht, da reicht es, auf die Badezimmerwaage zu steigen. Melonis Denken ist historisch aus dem Faschismus erwachsen, und da lasse ich mich nicht verblenden.

Haben Sie sich schon mal verblenden lassen?

Ich habe mich einmal von Herrn Putin verblenden lassen, als der gesagt hatte, der Kalte Krieg wäre vorbei. Das kommt mir so schnell nicht mehr vor, dass ich jemandem blind glaube, was er sagt.

Sie hatten ein relativ enges Verhältnis zu Putin, haben ihn mehrmals in Russland besucht und Feste gefeiert.

X-mal! Ich bin aber nie, obwohl ich eingeladen war, auf Privatfeiern von Herrn Putin gegangen. Putin habe ich in dem Sinn nie privat getroffen, obschon wir langgezogene private Momente hatten, das waren stundenlange Diskussionen ohne Dolmetscher und Beamte, meistens nachts, entweder in Moskau, in Sotschi oder auch in Buenos Aires. Wir hatten immer erst die üblichen Delegationsgespräche. Danach bin ich dann Stunden geblieben, um mit ihm allein zu reden. Da hatte ich mir ein Putin-Bild gemacht, das sich mit der Zeit gewandelt hat.

Wann und wie hat sich das gewandelt?

Ich werde mich ewig daran erinnern können, wie Putin 2001 im Deutschen Bundestag sagte, der Kalte Krieg sei vorbei. Das gab Standing Ovations vom ganzen Bundestag. Das nenne ich den Putin eins. Putin zwei ist das Gegenteil davon. Wir waren fast Freunde, ich kann das nicht anders sagen. In der Freundschaft ist es nicht anders als in der Liebe, manchmal wird man enttäuscht – vor allem dann, wenn man irgendwann merkt, dass man an der Nase herumgeführt wurde.

Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zu Putin?

Im Dezember 2019, an meinem letzten Tag als Kommissionspräsident, als er mir gedankt hat für das gute Verhältnis zwischen Russland und Europa.

Wann kam der Bruch zwischen Putin eins und Putin zwei?

Eigentlich schon 2008, als er Georgien teilweise besetzt hat. Klar erkennbar 2014, als er die Krim annektierte und danach in der Ostukraine die Rebellen, wenn ich die so nennen kann, unterstützt hat. Da dachte ich mir: Seine Attitüde, Europa gegenüber, ist nicht mehr die, die sie mal war. In unseren Gesprächen machte Putin das immer an den Fehlern des Westens fest. Solche gab es – die halten aber in keinem Fall als argumentative Basis her, um einen Krieg zu beginnen. Und wenn man sagt, wir haben auch im Westen Russland gegenüber Fehler gemacht – nicht viele, aber es gibt sie – ist das noch immer kein hinreichender Kriegsgrund. Was können die Kinder in der Ukraine für die Fehler, die der Westen gemacht haben soll! Das ist eine Einteilung der Wirklichkeit, die mir nicht gefällt.

Machen Sie sich Vorwürfe?

Der größte Vorwurf, den man uns allen im Westen macht, ist, dass wir naiv mit Russland umgegangen wären. Das ist teilweise wahr, aber auch nicht ganz. Weil Putin eins war eben nicht so, dass man das Gewehr zur Hand hätte nehmen müssen. Nehmen wir mal an, 2009, 2010 oder 2014, 2015 hätte die Kommission oder die Regierungen entschieden, auch in die Rhetorik des Kalten Krieges zurückzufallen. Dann wären die Straßen und Plätze in Europa schwarz vor Leuten gewesen, die gegen die europäische Führung protestiert hätten. Im Westen war nicht einmal der Anfang einer Konsensbildung feststellbar gewesen – obschon heute jeder sagt, dass wir das hätten tun müssen –, die nahegelegt hätte, dass man unwidersprochen von der Öffentlichkeit auf Russland zu der alten Distanz zurückgegangen wäre. Das war nicht möglich. Und das war auch nicht nötig. Heute sieht das anders aus.

Jean-Claude Juncker mit Tageblatt-Chefredakteur Armand Back (l.) und Tageblatt-Innenpolitikjournalist Sidney Wiltgen (r.)
Jean-Claude Juncker mit Tageblatt-Chefredakteur Armand Back (l.) und Tageblatt-Innenpolitikjournalist Sidney Wiltgen (r.) Foto: Editpress/Alain Rischard

Wie kommen wir aus der Situation wieder raus?

Wie Jean Asselborn bin ich der Meinung, dass die Diplomatie noch nicht ausgespielt hat. Diplomatie ist kein Fehler, wenn sie schiefgeht. Die Mühe, im Gespräch miteinander zu bleiben, muss man sich immer machen, obschon es mit einem von Putin regierten Russland extrem schwierig ist – weil zu viel geschehen ist, es stehen jetzt Welten zwischen uns. Trotzdem muss man es versuchen. Das setzt voraus, dass ein allein von Moskau bestimmtes Friedensdiktat nicht annehmbar ist. Die Ukraine wurde besetzt und hat Teile ihres Staatsgebiets verloren durch eine kriegerische, nicht zu rechtfertigende Auseinandersetzung mit Russland. Das muss bereinigt werden. Wobei ich auch weiß, dass es schwer vorstellbar ist, dass Russland von ihm besetztes Territorium wieder aufgeben würde. Aber das muss das Ziel der westlichen Diplomatie sein. Und es bleibt ein Bestandteil der westlichen Diplomatie, dass man sich an dem ausrichtet, was die Ukraine will und nicht an dem, was Russland will.

Mit dem Buch über Luxemburg muss ich warten, bis der eine oder andere das Zeitliche gesegnet hat

Sie haben nie das Gefühl gehabt, Wladimir Putin anrufen zu müssen und ihn zu fragen, was das soll?

Ich halte nicht viel von paralleler Diplomatie. Wenn man mit den Russen redet, in dem Kriegskontext, in dem wir waren und sind, kann man das nur tun, wenn man ein wasserdichtes europäisches Mandat hat. Sonst passiert das, was eigentlich immer im Verhalten der großen Mächte feststellbar ist – nämlich, dass sie die Europäische Union nicht als ein Ganzes betrachten, mit dem sie reden müssen, sondern dass sie immer versuchen, die EU in 27 Bestandteile zu zerlegen. Das habe ich live und in Farbe erlebt, als sich der Handelskrieg mit den Amerikanern anbahnte, den der damalige US-Präsident Donald Trump lostreten wollte. Damals ist es mir gelungen, diesen Sitzkrieg, diesen „Drôle de guerre“, den Trump losgetreten hatte, in langen, schwierigsten Gesprächen aufzulösen. Wenn jeder seine eigene „Klatz spillt, geréit ee vun den néng Keele ganz genau keng“. Europa bringt nur etwas fertig, wenn es geschlossen auftritt.

Zum Abschluss, Sie schreiben gerade Ihre Memoiren über Ihre Jahre in Brüssel. Wie weit sind Sie?

Ich bin auf Buchseite 150. Da fehlen aber noch zwei Drittel. Niemand hilft mir. Das ist ein Selbstmordkommando!

Wer wird sich ärgern?

Viktor Orban. Und die Briten auch.

Niemand aus Luxemburg?

Nein, über Luxemburg schreibe ich nicht. Also nicht in diesem Buch. Damit muss ich warten, bis der eine oder andere das Zeitliche gesegnet hat.