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Putin besucht Hochzeit von Österreichs Außenministerin

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Die Einladung von Kremlchef Wladimir Putin zur Hochzeit von Außenministerin Karin Kneissl am Samstag nährt einmal mehr Spekulationen über die spezielle Enge der österreichisch-russischen Beziehungen.

Von Manfred Maurer

Bevor der russische Präsident sich am Samstagabend auf Schloss Meseberg mit Bundeskanzlerin Angela Merkel durch die Krisen dieser Welt quälen wird, hat er einen entspannten Termin in der malerischen Hügellandschaft der südsteirischen Weinstraße. Österreichs Außenministerin Karin Kneissl heiratet auf einem Weingut den Unternehmer Wolfgang Meilinger – und beschert Österreich eine Premiere: Noch nie stand dort ein Kremlchef auf einer Hochzeitsgästeliste. Wladimir Putin hat Kneissls Einladung angenommen und heizt damit die Diskussion über Österreichs geopolitische Verortung erneut an.

Meister des kühlen Kalküls

Was wie ein Akt besonderer Freundschaft wirkt, ist natürlich nichts anders als mit Privatheit camouflierte Politik. Putin ist alles andere als ein sentimentaler Romantiker. Dieser Meister des kühlen Kalküls ist nicht geleitet von Emotionen, sondern nur von Interessen. Angesichts der bestenfalls kühl-sachlichen Empfänge, die dem Kremlchef sonst in Westeuropa bereitet werden, bietet diese Feier eine wunderbare Gelegenheit, es allen Kritikern zu zeigen: Schaut her, ich habe Freunde in Europa, die mich sogar zu ihrer Hochzeit einladen!

Obwohl die Teilnahme des Kremlchefs an der Kneissl-Hochzeit also einer gewissen Logik folgt, war die Wiener Diplomatie doch etwas überrascht. Denn die parteilose Außenministerin sitzt zwar auf einem Ticket der mit Putins Partei «Geeintes Russland» in einem Partnerschaftsabkommen verbundenen FPÖ in der Regierung, doch eine besonders freundschaftliche Behandlung hatte Kneissl in Moskau bisher nicht erfahren. Im April hatte sie ihr russischer Amtskollege Sergej Lawrow sogar öffentlich blamiert, als er das Angebot einer Vermittlerrolle Österreichs im Syrien-Konflikt öffentlich zurückwies.

Servile Tradition

Ohne Zweifel aber schätzt Putin das pflegeleichte Österreich, das lange vor dem Regierungseintritt der russophilen Rechtspopulisten ein zur Servilität neigendes Näheverhältnis zu Moskau pflegte. Schon Konrad Adenauer hatte sich über die «österreichische Schweinerei» geärgert, die der deutsche Nachkriegskanzler im 1955 abgeschlossenen Staatsvertrag sah: Adenauer fürchtete, dass Moskau auch ihm den Preis, den Österreich für die Wiedererlangung seiner Souveränität zu zahlen bereit war, abverlangen könnte: die Neutralität.

Als sicherheitspolitischer NATO-Trittbrettfahrer mit engen wirtschaftlichen Beziehungen zum Comecon schwindelte sich das neutrale Österreich erfolgreich durch den Kalten Krieg. Man hielt sich zurück mit Kritik an den Sowjets und inszenierte sich als Brückenbauer. Bundeskanzler Sebastian Kurz möchte diese Tradition fortsetzen und machte zum Beispiel nicht mit bei den diplomatischen Sanktionen, welche die meisten EU-Staaten nach dem Giftanschlag auf den Ex-Spion Sergej Skripal gegen Russland verhängten. Die wegen der Krim-Annexion verhängten EU-Sanktionen trägt Österreich zwar zähneknirschend mit, doch die Standing Ovations, mit denen Putin 2014 keine drei Monate nach der Annexion der Krim in der Wirtschaftskammer in Wien begrüßt wurde, hallen noch nach.

Putins verlängerter Arm

Solche Aktionen nährten Zweifel an der trotz Neutralität stets beteuerten Verankerung im Westen. Österreich geriet in Verdacht, zu sehr mit Putin «verheiratet» zu sein. Der ukrainische Botschafter in Wien, Olexander Scherba, gibt sich zwar im Gespräch mit dem Tageblatt diplomatisch zurückhaltend: Putins Einladung zur Kneissl-Hochzeit könne «er als Botschafter nicht kommentieren». Doch die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im ukrainischen Parlament, Hanna Hopko, twittert Klartext: «Von nun an kann Österreich kein Vermittler in der Ukraine mehr sein!» Die Einladung Putins zur Hochzeit sei ein «Schlag gegen europäische Werte».

Das sieht man nicht nur in Kiew so. Auch in Österreich gibt es massive Kritik. Der Grünen-Europaabgeordnete Michel Reimon forderte Kneissls sofortigen Rücktritt. Denn die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung werde nur noch «als verlängerter Arm des russischen Regimes in der Europäischen Union wahrgenommen und verspielt die gute Reputation des Landes». Der Abgeordnete erinnerte Kneissl daran, das sie Außenministerin des aktuellen EU-Vorsitzlandes sei und die EU wegen Putins Aggressionspolitik in der Ukraine Sanktionen verhängt habe. Die SPÖ-Delegationsleiterin im Europaparlament, Evelyn Regner, protestierte gegen «eine Provokation mit europäischer Dimension». Auch aus Kurz‘ Partei tönt eine kritische Stimme: «Mir ist die Logik und die Absicht, ein so persönliches Fest auf diese Art und Weise politisch zu inszenieren und missbrauchbar zu machen, verschlossen», meint der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas.

Des Steuerzahlers Hochzeitsgeschenk

Kneissls Diplomaten mühen sich ab mit Erklärungs- und Beschwichtigungsversuchen. «Es ist in erster Linie eine private Feier und ein persönlicher Besuch und daraus ergibt sich keine Änderung der außenpolitischen Positionierung Österreichs», betont ein Sprecher des Außenministeriums. Gleichzeitig wird der private Event als «Arbeitsbesuch» eingestuft. Das ist nicht zuletzt deshalb nötig, um die Kosten für den enormen Sicherheitsaufwand zu rechtfertigen. Kneissl zahlt zwar einen privaten Sicherheitsdienst, den massiven Einsatz von Spezialeinheiten der Polizei wird jedoch der Steuerzahler finanzieren müssen. Sozusagen als unfreiwilliges Hochzeitgeschenk des nicht eingeladenen Volkes an das prominente Brautpaar.

Mephisto
22. August 2018 - 10.55

Danke für ihre Erläuterungen.

Sehenswert ist jedenfalls ein kleines Filmchen auf youtube über den Einzug Hitlers in Wien im Frühjahr 1938. Dort bejubelten hundertausende ihren Führer so hysterisch als ob es der Messias persönlich sei.

Mephisto
20. August 2018 - 14.00

Ich empfehle Ihnen die Lektüre des Gedichtes Fräulein AUSTRIA von Erich Kästner.

Das handelt auch von der von Ihnen gepriesenen österreichischen Politik.

...und dass der Hitler ein Nazi war, das hab ich nicht gewusst.....

ernst schartner
19. August 2018 - 19.47

In den 1970er Jahren ging ein weltweit bekannter Terrorist in Wien aus und ein. Gab´s da einen Aufschrei? Oder ein bekannter nordafrikanischer Diktator kam nach Wien zu Besuch, um dann am Flughafen in Schwechat ein paar Bomben und Maschinengewehrsalven krachen zu lassen. Wo war da der Aufschrei? War ja unterm Kreisky!
Mit einer Hochzeit Politik zu machen, das ist traditionelle, alte österreichische Politik. Die scheinheilige, opportunistische, angelsächsische Menschenfängerei, mit der wir es seit 100 Jahren zu tun haben, kann mir persönlich gestohlen bleiben. Danke.