Worum geht es?
Es ist ein herber Rückschlag für Patienten in Luxemburg, die derzeit eine Psychotherapie machen oder eigentlich eine bräuchten: Die Verhandlungen zur Psychotherapie-Übernahme sind erneut gescheitert. Das erklärte die Gesundheitskasse (CNS) am Dienstag in einer Pressemitteilung. Auf der anderen Seite des Verhandlungstisches saß die CNS der Vereinigung der Luxemburger Psychotherapeuten (Fapsylux) gegenüber. Die beiden Parteien können sich jedoch bereits seit rund vier Jahren nicht einigen. Wer im Großherzogtum also zum Beispiel mit Depressionen, Angststörungen oder anderen psychischen Erkrankungen zu kämpfen hat, kann sich derzeit weiter nur auf eigene Kosten behandeln lassen. Und das können sich viele nicht leisten.
Das sagt die Fapsylux
Catherine Richard, Präsidentin der Fapsylux, zeigt sich im Tageblatt-Gespräch am Mittwoch frustriert über die immer wieder scheiternden Verhandlungen. „Wir wollen einfach nur unsere Arbeit machen und allen Menschen in Luxemburg Zugang zu Psychotherapie ermöglichen“, sagt Richard, die selbst Psychotherapeutin ist. Die „Minimalforderungen“, die die Vereinigung stelle, seien nicht zu viel verlangt, und bereits seit 2018 immer die gleichen, so die Therapeutin. „Nach dem Inhalt der Pressemitteilung scheint es, dass die CNS damit droht, den Prozess der Kostenerstattung für Patienten zu blockieren oder weiter zu verlangsamen“, heißt es zudem dazu in einer Pressemitteilung von Fapsylux am Mittwochnachmittag.
Eine der Forderungen der Vereinigung sei zum Beispiel, dass die Erkrankten ohne eine Verschreibung zu den Therapeuten kommen könnten – wie man zum Beispiel auch zum Zahnarzt gehen könne, wenn man ein Zahnproblem hat, ohne eine Überweisung vom Hausarzt vorlegen zu müssen, vergleicht Richard im Tageblatt-Gespräch. Das habe die CNS zunächst nicht bewilligen wollen, mittlerweile habe man sich jedoch während der Verhandlungen darauf geeinigt, dass keine Verschreibung notwendig sei, so die Fapsylux-Präsidentin.
Diskussion über Tarif für Therapiesitzungen
Zudem habe die Gesundheitskasse zunächst Kinder, Jugendliche und über-60-Jährige aus den Psychotherapie-Übernahmen „ausklammern“ wollen, so Richard. Auch hier sei inzwischen eine Lockerung in den Verhandlungen erkennbar gewesen – Kinder und Jugendliche sowie Über-70-Jährige sollten demnach zumindest unter bestimmten Bedingungen Erstattungen bekommen können. Jedoch seien diese aus Fapsylux-Sicht weiterhin zu streng, sagt die Präsidentin. Man wolle allen Bürgern gleichwertigen Zugang zu den Therapiemöglichkeiten geben. Außerdem gehe es auch darum, welche Therapieleistungen genau übernommen würden, wie zum Beispiel systemische Therapie oder andere Therapiearten.
Der letzte „Knackpunkt“ zwischen der Vereinigung und der CNS seien laut Richard schließlich noch die Tarife für die Psychotherapiestunden. Anfang März hatte die Fapsylux ihren Mitgliedern empfohlen, Therapiestunden künftig mit 175 Euro zu berechnen. Die Luxemburger Patientenvertretung zeigte sich daraufhin schockiert und erklärte, damit nehme man in diesen Verhandlungen „den Patienten als Geisel“. Richard entgegnete am Mittwoch jedoch, dass der Betrag gründlich verglichen und ausgerechnet worden sei und durchaus seine Berechtigung habe.
Der Hintergrund: Die CNS fordere einen geringeren Betrag, weil sie davon ausgehe, dass die Therapeuten acht Patienten pro Tag empfangen könnten, also acht Therapiestunden am Tag leisten, sagt Richard. Das sei jedoch gar nicht möglich, da die Therapeuten dann keine Zeit mehr für sonstige Arbeiten hätten, die in dem Beruf anfallen. Darunter nennt sie u.a. die Vor- und Nachbereitung der Therapiesitzungen, die Terminverwaltung, Supervisionen oder die Buchhaltung wie beispielsweise das Bearbeiten von Rechnungen. Diese Arbeit müsse ebenfalls bezahlt werden, so Richard – vergleichbar mit einem Lehrer, der in seinem Job ebenfalls nicht ausschließlich die Schulstunden hält, sondern abgesehen davon auch Arbeiten korrigiert und den Unterricht vorbereitet, wenn er nicht vor der Klasse steht. Rund fünf oder sechs Patienten seien bereits etwas realistischer, sagt die Präsidentin.
Patienten müssen Therapie wegen Kosten abbrechen
Dass sich viele Patienten die 175 Euro als Selbstzahler nicht leisten können, merkt auch Richard in ihrer eigenen Praxis. Auch sie habe bereits Patienten gehabt, die die Therapie abbrechen mussten oder gar nicht erst antreten konnten, weil sie sich die Stunden nicht leisten konnten. Ob darunter auch Patienten waren, die unbedingt weitere Therapiestunden gebraucht hätten? „Auf jeden Fall“, antwortet Richard. Das sei bereits der Fall, obwohl sie deutlich weniger als die 175 Euro ansetze.
Auch die Mietkosten für eine Praxis in Luxemburg seien in die Berechnungen mit eingeflossen, was zum Beispiel auch Unterschiede zu den durchschnittlichen Preisen für eine Therapiestunde in Luxemburgs Nachbarländern ergeben könne, erklärt die Therapeutin. Darüber hinaus habe man verglichen, was Psychotherapeuten im Großherzogtum verdienen, die in Institutionen angestellt sind. Dort sei der Unterschied, dass diese keine eigene Praxismiete bezahlen müssten und teils Arbeiten abgeben könnten, die selbstständige Therapeuten selbst übernehmen müssten, wie zum Beispiel die Buchhaltung oder Terminverwaltung.
Der letzte Stand sei, dass die CNS zu 120 Euro pro Sitzung bereit sei, berichtet Richard. Dabei gehe die Gesundheitskasse jedoch davon aus, dass die Therapeuten acht Patienten pro Tag schaffen könnten, was jedoch laut Fapsylux nicht machbar sei. Daher komme man schließlich mit weniger als acht Patienten pro Tag mit jeweils 120 Euro pro Therapiestunde auf einen zu geringen Betrag, sagt die Psychotherapeutin. „Wir werden jetzt hingestellt, als kriegten wir den Hals nicht voll. Dabei geht es uns nur um eine angemessene Bezahlung“, so die Fapsylux-Präsidentin.
Das sagt die CNS
Die nationale Gesundheitskasse hat in einer Pressemitteilung auf das Scheitern der Verhandlungen reagiert. „Der CNS-Verwaltungsrat wird bei seiner Sitzung am 14. September 2022 über das Scheitern der laufenden Verhandlungen entscheiden“, schreibt die CNS in einer Pressemitteilung vom Dienstag. Man hoffe jedoch, anhand der durch die weiteren gesetzlich vorgesehenen Prozeduren zu einer Übereinkunft zu kommen, „damit die Übernahme der Kosten für die Leistungen von Psychotherapeuten im Laufe des Jahres 2023“ ermöglicht werde. Die Fapsylux widerspricht in ihrer Pressemitteilung vom Mittwoch der Darstellung der CNS: „Mit großer Überraschung hat die Fapsylux asbl. die Pressemitteilung der CNS über ein angebliches Scheitern der Verhandlungen über die Rückerstattung der Kosten für Psychotherapiesitzungen erhalten“, heißt es darin.
Wie die CNS in ihrem Presseschreiben mitteilt, dauern die Verhandlungen zwischen der gesetzlichen Krankenkasse und dem Verband der Psychotherapeuten seit 2017 an. 2019 haben sich beide Parteien schon einmal ohne Übereinkunft nach Verhandlungen getrennt. Romain Schneider, Vorgänger von Claude Haagen im Amt des Ministers für soziale Sicherheit, hatte im Februar 2021 ein großherzogliches Reglement verfasst, das die Beziehungen zwischen CNS und den in Luxemburg praktizierenden Psychotherapeuten regeln soll – und die beiden Akteure noch einmal an den Verhandlungstisch zwang.
Für weitere Nachfragen des Tageblatt war in der Kommunikationsabteilung der CNS trotz intensiver Bemühungen am Mittwochnachmittag bis Redaktionsschluss niemand zu erreichen.
Reaktion des zuständigen Ministers Claude Haagen
„Ich habe im Sommer einen Aufruf an die CNS und Fapsylux gemacht“, sagt Claude Haagen, Minister für soziale Sicherheit, nach den gescheiterten Verhandlungen von CSN und Fapsylux. Der Auftrag an beide Parteien sei klar gewesen: „Se sollen endlech viru maachen“ – sie sollen sich gefälligst beeilen, erklärt der LSAP-Politiker im Gespräch mit dem Tageblatt. Es seien schließlich die Patienten, die unter dem Streit zu leiden hätten.
Wie der Streit zwischen beiden Parteien beigelegt werden kann? „Erst einmal muss der Verwaltungsrat das Scheitern der Verhandlungen offiziell feststellen“, sagt Haagen. Das geschehe wohl frühestens nächsten Mittwoch. „Dann nehme ich an, dass ein Brief mit der Feststellung an die Generalinspektion der Sozialversicherung geschickt wird.“ Diese werde dann die Schlichtungsprozedur in die Wege leiten und einen Mediator ernennen. Wenn die Schlichtungsprozedur dann begonnen habe, könne es „maximal drei Monate dauern“, bis mit einem Ergebnis in der Schlichtungsprozedur zu rechnen sei.
Das sagt die Politik
Als Reaktion auf die gescheiterten Verhandlungen haben die Piraten den Minister für soziale Sicherheit, Claude Haagen (LSAP), in eine dringende Kommissionssitzung in der Chamber einberufen. „Seit Jahren geht es beim Thema Psychotherapie nicht weiter“, schreibt der Piraten-Abgeordnete Sven Clement auf Twitter. Es sei jedoch nicht so, als wäre Gesundheit ein Luxus. „Auch bei mentalen Krankheiten geht es um Leben und Tod.“ Deshalb müsse man in dem Dossier endlich vorankommen.
Zanter JOREN geet et net weider bei der Psychotherapie. Et ass jo net esou als wier Gesondheet e Luxus. A bei mentaler Gesondheet geet et wuertwiertlech och em Liewen an Doud. Net ëmmer, mee vill ze heefeg. Dofir musse mer ENDLECH weiderkommen. pic.twitter.com/S43AuYRqco
— Sven Clement (@svnee) September 6, 2022
Der Grünen-Abgeordnete Marc Hansen zeigt sich ebenfalls angesichts des Scheitern der Gespräche überrascht. „Ich bin perplex, dass die Verhandlungen zur Rückerstattung der Psychotherapie gescheitert sind“, schreibt Hansen in einem Post auf Twitter. „Es ist enttäuschend, dass kein Konsens zwischen der CNS und der Fapsylux möglich ist.“ Auch wenn die Verhandlungen jetzt gescheitert seien, dürfe das nicht das Ende einer möglichen Rückerstattung bedeuten. „Jede Möglichkeit muss ausgeschöpft werden, um eine Lösung zu finden.“
Ech sinn extrem perplex, datt d’Verhandlungen fir de Remboursement vun der Psychotherapie gescheitert sinn. Et ass entäuschend, datt kee Konsens tëschend der FAPSYLUX an der CNS méiglech ass.(1) pic.twitter.com/EhyYCBokQn
— Marc Hansen (@MarcHansenMP) September 6, 2022
Auch die CSV hat sich nach den gescheiterten Gesprächen zwischen CNS und Fapsylux kurz in den sozialen Medien geäußert. „Eine Never-Ending Story“, schreiben die oppositionellen Christsozialen bei Facebook. „Die Verhandlungen ziehen sich seit Jahren hin und noch immer müssen die Menschen die Kosten selbst tragen.“
Weitere Hintergründe zu dem Thema:
– Verhandlungen um Psychotherapie-Rückerstattung sind gescheitert – aber noch nicht vom Tisch
– 175 Euro pro Sitzung: Patientenvertretung ist schockiert
– Kostenübernahme für Psychotherapie ab Januar 2022? Ein ehrgeiziger Zeitplan
– Verhandlungen über Kostenübernahme bei Psychotherapie sollen wieder aufgenommen werden
– Verhandlungen zur Kostenübernahme von Psychotherapien scheitern – aber konstruktiv
Bei den derzeitigen Krisen würde ich das auch weiterhin auf Eis liegen lassen
"Ech sinn extrem perplex, datt d’Verhandlungen fir de Remboursement vun der Psychotherapie gescheitert sinn. Et ass entäuschend, datt kee Konsens tëschend.... "
H. Hansen wann der CNS derzou kritt fir den GANZEN STONNELOUN ze iwerhuelen, dann Respekt!
Dann gin éch och all Mount fir eng Stonn op d'Couch leien, versprach.
"Scheitern der Verhandlungen über die Rückerstattung der Kosten für Psychotherapiesitzungen erhalten“, heißt es darin."
Kein Wunder, wie sind die Preise beim Psy heute?
Vor genau 16 Jahren habe ich eine "Sitzung" miterleben dürfen, 2 x eine halbe Stunde.
Danach Börse um 200 € leichter.
Habe ihm gesagt, sein Stundenlohn würde sich nicht mit meinem decken.
ech kréien all kéier 1 laachkrempchen bei "fapsylux" klengt wi en fapsy mipperchers club... flapsy club...