Vor drei Jahren wurde in Luxemburg ein Gesetz gestimmt, das den Beruf des Psychotherapeuten hierzulande regelt. Bislang ist das Gesetz noch nicht umgesetzt. Das Tageblatt sprach mit Delphine Prüm. Sie ist Präsidentin der «Fédération des associations représentant des psychothérapeutes au Grand-Duché de Luxembourg» (Fapsylux).
Tageblatt: Das neue Gesetz über die Psychotherapie wurde im Juli 2015 verabschiedet. Warum wird es bislang nicht angewandt?
Delphine Prüm: Zuerst mussten wir Psychotherapeuten uns zusammensetzen, um einen Verband zu gründen. Als das erledigt war, sind wir auf die CNS zugegangen. Diese untersuchte dann, ob die Fapsylux die repräsentative Vertretung für die Psychotherapeuten übernehmen konnte und als Verhandlungspartner für die Konvention infrage kam. Jeder brauchte also Zeit, um sich vorzubereiten, sodass wir dann im Januar mit den Arbeiten begannen.
Worum geht es bei diesen Gesprächen mit der CNS?
Im Moment geht es um eine Konvention. Sie soll den Rahmen schaffen, damit Patienten, die zu uns kommen, Geld zurückerstattet bekommen. Danach wird es um die Nomenklatur und die Tarife gehen.
Was sind die Schwierigkeiten bei solchen Verhandlungen? Gehen die Diskussionen leicht von der Hand?
Für uns ist es schwer, weil unser Beruf neu ist und niemand ihn richtig kennt. Wir bewegen uns zwischen den paramedizinischen Berufen (Krankenpfleger, Altenpfleger, Physiotherapeut) und den medizinischen Berufen (Ärzte). Wir haben länger studiert als die einen und ein bisschen weniger als die anderen. Zum Teil haben wir auch das Gleiche studiert wie Ärzte, da einige Psychotherapeuten auch Ärzte sind. Wir vertreten all diese Menschen. Ein Psychotherapeut hat entweder Medizin studiert oder Psychologie, wir vertreten alle. In einer Übergangszeit wurden aufgrund ihrer langjährigen Berufserfahrung auch andere Grundberufe zugelassen. Wir lehnen uns also an den medizinischen Bereich an – ohne es wirklich zu sein.
Das Gesetz legt also auch fest, welche Ausbildung ein Psychotherapeut haben muss, um in Luxemburg praktizieren zu dürfen?
Ja.
Hat bislang jeder einfach gemacht, was er wollte oder gab es doch eine Ordnung?
Bislang durfte jeder, der das wollte, sich Psychotherapeut nennen. Man konnte deshalb nicht sicher sein, dass so jemand eine entsprechende Ausbildung hatte. Heute ist es so, dass man Medizin oder Psychologie studiert haben muss. Darüber hinaus muss man – egal, ob man Psychologie oder Medizin studiert hat – eine Zusatzausbildung gemacht haben. Die angesprochene Übergangszeit, in der auch andere Ausbildungen möglich waren, ist vorbei.
Welche Gefahren birgt es, wenn hier keine Regeln gelten? Hat der Patient nicht im schlimmsten Fall ein wenig Geld verloren?
Wenn der Patient auf jemanden trifft, der seinen Beruf nicht kann und nicht gelernt hat, kann es dem Patienten nachher schlechter gehen als vorher. Das ist so, als würden Sie mit Ihrem Nachbarn reden, wenn Sie krank sind. Wenn der Ihnen einen schlechten Tipp gibt, kann das Ihre Lage verschlimmern. Deshalb begrüßen wir das Gesetz.
In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage schreibt Sozialminister Romain Schneider, die CNS wolle nur eine begrenzte Zahl von Krankheitsbildern anerkennen, Fapsylux allerdings eine größere Bandbreite.
Die Herangehensweise der CNS ist schwierig. Wir sehen unsere Patienten und stellen fest, dass sie wirklich leiden und krank sind. Ob die Patienten nun Ängste haben oder Magersucht – sie sind krank. Sie können nicht so funktionieren wie jemand, dem es gut geht. Sie sind beeinträchtig in ihrem Alltag. Wir tun uns schwer damit, zu sagen, nur Menschen mit Ängsten oder Depressionen erhalten eine Rückerstattung und Menschen mit Magersucht oder einer ganzen Reihe anderer Krankheiten müssen selber für ihre Therapie bezahlen. Das ist so, als würde man sagen, ein Patient mit einem gebrochenen Arm würde eine Rückerstattung erhalten, jemand mit einem gebrochenen Fuß aber nicht.
Würde das dazu führen, dass sich Psychotherapeuten auf bestimmte Krankheitsbilder spezialisieren, sodass einige Patienten keinen Therapeuten finden würden?
Nein. Ich denke nicht, dass so was passiert. Wir dürfen die anderen Patienten ja trotzdem behandeln. Es macht vor allem für den Patienten einen Unterschied. Warum sollte der eine seine Behandlung komplett selber bezahlen müssen und ein anderer nicht, obwohl beide gleich krank sind?
Es gibt auch eine Diskussion darüber, ob ein Patient eine Überweisung vom Arzt benötigt, um eine Psychotherapie erstattet zu bekommen.
Der Artikel 23 des Sozialversicherungsgesetzes beginnt mit: „Les prestations à charge de l’assurance maladie accordées à la suite des prescriptions et ordonnances médicales …“ Wir deuten das so, dass es eine Reihe von Leistungen gibt, die verschrieben werden müssen. Die CNS deutet es so, dass für jede Rückerstattung eine Verschreibung benötigt wird. An einer anderen Stelle steht, dass die CNS Psychotherapie rückerstattet. Dort steht aber nichts mehr von einer Verschreibung. Wir sind uns mit der CNS aber darüber einig, dass eine Untersuchung vom Arzt wichtig ist. Wir fragen unsere Patienten schon, ob sie abgeklärt haben, dass ihre Beschwerden nicht somatisch sind. Wir wollen mit den Ärzten zusammenarbeiten. In unserem Beruf ist das wichtig. Aber es gibt eine ganze Reihe Pathologien, für die eine Verschreibung des Arztes nicht notwendig ist. Wir können eine Diagnose selber erstellen. Das haben wir gelernt – unsere Ausbildung beinhaltet solche Dinge.
Glauben Sie, dass ab Januar die ersten Patienten von dem Gesetz profitieren können, so wie es der Minister in seiner Antwort schreibt?
Das hängt davon ab, wie die Gespräche verlaufen. Mich würde interessieren, wie die Menschen – die ja immerhin in die Krankenkasse einzahlen – denken. Was sagt die Gesellschaft dazu, wenn jemand, der eine schwierige Lebenssituation hat und Ängste entwickelt, seine Behandlung bezahlt bekommt und jemand, der wegen der gleichen Situation eine Essstörung entwickelt, seine Behandlung nicht erstattet bekommt?
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