Zwei Tage lang besucht Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron die Übersee-Region Guayana – begleitet von Protesten.
Fauchend, zischend, mit Höllenlärm hebt eine Ariane 5 Rakete vom Boden ab, scheint einen Augenblick zu zögern, schiebt sich dann aber zunächst schwerfällig, schließlich immer schneller werdend, in den nächtlichen Himmel. Hier, in Kourou nahe am Äquator, hat Europa seine Abschussrampe für interstellare Raketen. Hier, am Äquator auch schießt die luxemburgische SES einen Teil ihrer Satelliten in den Himmel, um vorwiegend Fernsehprogramme zu übertragen. Kourou wird nicht mehr nur noch von den Europäern geschätzt. Von der Startrampe starten zwischenzeitlich auch andere Länder ihre Satelliten. Der Äquator hilft mit der Erd-Drehung, die Raketen mit weniger Kraft in ihre Umlaufbahn zu schießen.
Als Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sich am Donnerstagnachmittag nach Kourou begibt, sieht er, dass heftig gearbeitet wird. Im Jahre 2020 soll eine neue Startrampe fertig sein. Von ihr aus will die Europäische Raumfahrt Agentur dann ihre neue Rakete Ariane 6 starten lassen. Sie soll bis zu 10 Tonnen Gewicht ins Weltall tragen können.
Die ärmste Region Frankreichs
Kourou, auf dem Festland gegenüber der Teufelsinsel gelegen, auf die Frankreich Gefangene schickte, ist der wichtigste wirtschaftliche Ort dieser französischen Übersee-Region. In Kourou arbeiten 1.700 Menschen direkt und weitere 1.700 indirekt für die Europa-Raketen. Ihr Lebensstandard ist weit entfernt von dem der örtlichen Bevölkerung.
Emmanuel Macron ist zu einem Kurztripp nach Französisch-Guayana aufgebrochen. Knapp zehn Stunden Flug von Paris in die Pfefferstadt Cayenne. 48 Stunden Aufenthalt in der ärmsten Region Frankreichs, die die Außengrenze der Europäischen Union auf den südamerikanischen Kontinent legt. Danach zehn Stunden Flug zurück.
Jedes zweite schulpflichtige Kind hat nie eine Schule von innen gesehen
Den Fischhändler in der Markthalle von Cayenne wird Macron nicht sehen. Er steht einsam und verlassen dort. Kunden gibt es nicht. «Die Leute haben kein Geld», sagt er. «Wir sind arm». Würde man die Arbeitslosigkeit in Guayana auf Frankreich übertragen und in Relation setzen, dann wären im Mutterland nicht 3,5 Millionen Menschen arbeitslos, sondern etwa neun Millionen. Jedes zweite schulpflichtige Kind hat nie eine Schule von innen gesehen.
Die ärztliche Versorgung entspricht die eines Schwellenlandes. Pro 300.000 Einwohner gibt es 70 Ärzte. Die Zahl der Morde ist zehn Mal höher in Guyana als im gesamten französischen Mutterland. Guyana, im staatsrechtlichen Sinne eine französische, europäische Region, ist von Frankreich derart vernachlässigt worden, dass es sich auf dem Stand eines Entwicklungslandes befindet.
Polizisten verletzt bei Unruhen
Im April, noch vor der Wahl Macrons, sind in Guayana Unruhen ausgebrochen. Ein Generalstreik legte das Land lahm. Aktionsgruppen, die sich gegen die Bürgermeister und Abgeordneten wendeten, forderten ultimativ eine Milliarde Euro. Der scheidende Staatspräsident Francois Hollande hatte kein Geld, schickte seine Ministerin für die überseeischen Gebiete, die mit einem Entwicklungsplan oberflächliche Ruhe herstellte.
Während es draußen wilde Auseinandersetzungen mit der Polizei gibt, bei denen fünf Polizisten und zwei Gendarmen verletzt werden, stellt sich Macron in einem Gebäude Bürgermeistern und Abgeordneten zu einem gespannten Gespräch. Seine Grundhaltung hatte er schon nach der Landung geklärt. «Ich bin kein Weihnachtsmann», sagte er. Sprich: Ich habe kein Füllhorn. Aber: Macron entwickelt einen 150 Millionen-Euro-Plan, den er methodisch vorstellt. Guayana, so seine Analyse, übe auf die Nachbarstaaten Surinam und Brasilien eine große Anziehungskraft aus. Aus Surinam kommen die Goldwäscher, die in Guyana jährlich zehn Tonnen Gold waschen, es dem Land stehlen und es verarmen lassen.
Staatliche Ordnung soll wieder hergestellt werden
Macron wird mehr Gendarmen in die Region schicken, um die Grenze zu sichern und die Immigration vor allem aus Surinam zu stoppen. Gleichzeitig kündigte Macron an, dass die staatliche Ordnung wieder hergestellt werde. Es werde ein Polizeikommissariat gebaut werden und man denke über die Einrichtung eines Landgerichtes nach. Staatsbeamte werden sich aus Paris auf den Weg nach Südamerika machen.
Auf die Sozialhilfe sollen die Menschen nicht mehr – wie bisher – monatelang warten müssen. Sie werde – wie es zu sein habe – monatlich ausgezahlt verspricht er. Es bekomme sie aber nur jemand, der 15 Jahre im Land lebe, sprich die Einheimischen. Migranten haben in Guayana keine Chance. In einer kühlen Art zählte Macron diese und weitere Maßnahmen auf, mit denen er in Guayana Ordnung schaffen will.
Einen kleinen Hieb gab es immerhin: Seine Vorgänger hätten viel angekündigt, seien nach Paris zurückgeflogen und hätten die Ankündigungen vergessen. Er habe die Fachleute zur Umsetzung seiner Ankündigungen gleich mitgebracht, damit sie sich ein Bild vor Ort machen könnten. Macron hatte während des Fluges mit den Behördenchefs konferiert. Und dann legt er sich fest: Die Umsetzung seiner Ankündigungen begänne 2018.
Einen Zweifel daran, dass er Guyana zu einem echten Teil Frankreichs machen werde, ließ er nicht. Und irgendwie lässt er die Journalisten, die ihn begleiten, auch verstehen, dass er – im Gegensatz zu seinen Vorgängern – wiederkommen werde.
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