Xavier Bettel und Emmanuel Macron sind trotz einstündiger Verspätung mit stehenden Ovationen in der Philharmonie begrüßt worden. Ein Bürgerdialog, der mehr Unterhaltungswert hatte als politischen Erkenntnisgewinn.
Nathalie Reuter wollte gerade das Mikrofon an eine Person auf der anderen Seite des Saals weiterreichen, da unterbrach Xavier Bettel die Moderatorin: «Es ist doch einfacher, wenn Sie das Mikrofon von links nach rechts reichen», so Bettel in charmantem, aber bestimmtem Tonfall. «Ein proaktiver Premier», gab Reuter sich geschlagen. Und als die fragende Person sich dann in den Gedanken verhedderte und Publikum sowie auch Moderatorin langsam ungeduldig wurden, rettete Bettel den Moment: «Nehmen Sie sich Zeit. Das ist Europa. Woanders wären Sie schon seit zwei Minuten im Gefängnis.»
Xavier Bettel zeigte am Donnerstag beim europäischen Bürgerdialog mit Emmanuel Macron, dass er durchaus Talent als Moderator besitzt. Ein Witz, ein Kompliment, eine dezente Provokation. Wer noch nicht wusste, dass der Premier Entertainerqualitäten besitzt, konnte sich am Abend ein Bild davon machen.
Doch der eigentliche Star, den Bettel kurz vor den Nationalwahlen nach Luxemburg lud, war Emmanuel Macron. Mit knapp einstündiger Verspätung waren beide Politiker in der Philharmonie angekommen, die restlos bis auf den letzten Platz besetzt war. Und sie erhielten prompt Standing Ovations. Wie Popstars. Als Emmanuel Macron sein Publikum mit einem kräftigen «Moien» begrüßte, war klar, dass er an diesem Abend leichtes Spiel haben würde. Das Publikum klatsche und lachte – und war sichtlich begeistert, im gleichen Raum mit dem französischen Präsidenten sein zu dürfen.
Unterschiedliche Ideen von Europa
Politisch haben beide über ihre Vorstellung von Europa geredet. Dabei wurde klar, dass sie sich zwar als große Europäer verstehen, ihre Vorstellung von der Zukunft der Union jedoch divergiert. Bettel ist gegen die Idee eines supranationalen und föderalen Europa und kann sich eine Union von unterschiedlichen Geschwindigkeiten vorstellen. Macron hingehen will mehr Kompetenzen «europäisieren» und spricht von einem gemeinsamen Haushalt und Finanzpolitik. Er will, dass die Union stärker zusammenwächst und die europäische Bürger sich auch als solche begreifen – eine europäische Identität entwickeln.
Doch beide eint, dass sie für das gleiche normative Projekt der Europäischen Union eintreten. «Ich bin liberal, homosexuell und habe jüdische Vorfahren», so Bettel. Zu einem anderen Zeitpunkt der europäischen Geschichte würde er nicht hier stehen. Auch Macron hielt die liberalen Werte Europas hoch. «Die Union ist eine Errungenschaft», so Macron, «keine Selbstverständlichkeit» – das dürfe man nicht aus den Augen verlieren.
Gleichzeitig differenzierte er auch zwischen Liberalismus und Ultraliberalismus. «Ein gemeinsamer Markt bedeutet nicht, keine Regeln zu haben.» Das sei leider das «Dogma» der vergangenen Jahre gewesen. Es gehe nun darum, wieder mehr zu regulieren und etwa auch solidarisch in Steuerfragen zu sein, so ein Seitenhieb auf Luxemburg.
Dabei beeindruckte Macron durchaus mit seinen rhetorischen Fähigkeiten. Als eine Schülerin seinen Rat für die junge Generation wissen wollte, begann er äußerst leise, sodass die Philharmonie-typischen Huster hörbar wurden. Doch es folgte ein Crescendo – Macron steigerte die Lautstärke, bis er schließlich zu seiner Pointe kam: «Vergesst nichts. Und traut euch!» Jubel. Standing Ovations. Insofern war die Philharmonie durchaus der geeignete Ort für sein Auftritt.
In der Philharmonie? Die beiden? Den Text kennen wir, wer hat die Melodie dazu geschrieben?
Alles grouss Show, soss neischt.