Mosar bezieht sich auf die jüngsten im Handelsregister veröffentlichten Jahresbilanzen des Hubs, der über eine Holding und die angeschlossenen Tochterunternehmen „Management Company“ und „Real Estate“ betrieben wird. Das für die Prüfung verantwortliche Unternehmen BDO erklärt darin, es erkenne „wesentliche Unsicherheiten in Bezug auf die Fähigkeit, ihre Geschäftstätigkeit auf Grundlage der Unternehmensfortführung fortzusetzen“. Konkret geht es vor allem um offene Forderungen zwischen den Gesellschaften. Während der dreiköpfige Vorstand der Holding die Forderungen als „vollständig einbringlich“ ansieht, wollen sich die Prüfer dem offenbar nicht anschließen – weswegen sie ihr Testat für die Bilanz verweigern. Auch wird auf ausstehende Kreditschulden gegenüber Banken hingewiesen.
In seiner Anfrage schreibt Mosar, das Geschäft des Hubs sei ja ohnehin „nie richtig in Schwung gekommen“ – und das, obwohl 2015 der ehemalige Wirtschaftsminister Etienne Schneider noch „auf das gute Funktionieren des Freihafens“ verwiesen habe. Per Fragenkatalog soll die Regierung nun weitreichende Auskünfte geben – und unter anderem erklären, ob sie „weiterhin“ von der Funktionsfähigkeit des Projekts überzeugt sei und ob man vorhabe, den Freihafen zu unterstützen – oder ob es nicht vielmehr „erhebliches finanzielles Risiko für luxemburgische Kreditinstitute gebe“, die der Gruppe ihre Darlehen gegeben haben. Schließlich schiebe der Hub mittlerweile Verluste von mehr als acht Millionen Euro vor sich her,
Widerruf möglich
Gerne hätte Mosar auch genauere Erklärungen zu den (Steuer-)Umsätzen des LHSH – und zu den Modalitäten, zu denen man das eigentlich zunächst für 30 Jahre erteilte Baurecht auf dem Findel vorzeitig widerrufen könnte: Zum Ende der Nutzungsdauer sollte das Gebäude, das vom LHSH errichtet wurde und das sich in dessen Besitz befindet, vom Flughafen zum aktuellen Marktwert zurückgekauft werden – frühestens 2042.
Gestellt hatte Mosar seine Anfrage am 14. Juni. Rund zwei Monate später, am 9. August, erhielt er eine eher schmallippige Antwort mit der Unterschrift von Finanzministerin Backes: Man habe doch schon einmal, nämlich 2016, erklärt, dass es nicht Aufgabe der Regierung sei, Auskünfte zur wirtschaftlichen Lage von „Privatunternehmen“, an denen „der Staat nicht beteiligt“ ist, zu erteilen. Auch die Steuereinnahmen könne man im Sinne des Steuergeheimnisses nicht offenlegen.
Das Baurecht könne jedenfalls auf mehrere Weisen vorzeitig widerrufen werden: So könne es freiwillig vom LHSH zurückgegeben werden, aber auch der Flughafen kann darauf dringen – und zwar bei „Nichteinhaltung der Tätigkeitsbedingungen […] oder Verpflichtungen“, die der LHSH vertraglich eingegangen ist.
Mosar ärgert sich am Mittwoch über die Antwort, die er als dürftig empfindet: „Ich bin gar nicht zufrieden damit“, erklärt er im Gespräch mit dem Tageblatt. „Die Antworten sind leider nicht komplett, auf einzelne Aspekte wurde gar nicht eingegangen.“ Er wolle Backes auffordern, sich im Finanzausschuss des Parlaments zum Thema zu erklären.
Hängepartie beenden
Besonders fadenscheinig ist für ihn die Behauptung, die Regierung habe schlichtweg nichts mit dem Freihafen zu tun: Auch wenn der Staat nicht an dem Unternehmen an sich beteiligt sei, befinde sich das Freilager schließlich auf dem Gelände und in einem Vertragsverhältnis mit dem Flughafen, was sehr wohl die Interessen des Landes berühre – und bei der Einweihung des Projekts habe es ja auch Zuspruch und Lobeshymnen vonseiten der (damaligen) Regierung gegeben und von Persönlichkeiten wie Jeannot Krécke und Luc Frieden. Damit nimmt Mosar allerdings die aktuelle Regierung in die Pflicht für Tätigkeiten und Aussagen des ehemaligen Finanzministers Frieden – der allerdings ausgerechnet der CSV angehört. Dagegen hatten sich die Grünen seinerzeit im Abgeordnetenhaus gegen die Schaffung des Zollfreilagers gestellt – weil sie die Möglichkeit der Geldwäsche fürchteten.
Mosar findet jedenfalls, dass die andauernde Hängepartie am Findel zu einem Ende gebracht werden sollte und hat dazu auch schon konkrete Vorstellungen: „Wenn ich in der Regierung wäre, würde ich mich mal mit den Anteilhabern in Verbindung setzen, ob die an der Fortführung überhaupt noch interessiert sind!“
Eine Beendigung des Vertrages und der Rückfall des Geländes an den Flughafen würden doch erlauben, ihm eine andere Bestimmung zu geben. Was man mit einem Gebäude machen könnte, das im Prinzip einen gigantischen Tresor darstellt? Mosar verweist auf längst zirkulierende Ideen, etwa die, im bestens klimatisierten Freeport ein zentrales Medikamentenlager einzurichten.
Der jetzige Freeport sei jedenfalls längst so „angeschlagen“, dass es kaum vorstellbar sei, dass sich das Geschäftsglück dort noch einmal zum Besseren wende. „Vielleicht könnte man eine andere Nutzung finden, die besser zum Flughafen passt und die seine Reputation schützt.“
Spektakuläre Anklagen
Tatsächlich sticht der Komplex am Findel unter den weltweit sowieso berüchtigten Freeports besonders hervor – unter anderem waren oder sind zwei der drei Gesellschafter in spektakulären Prozessen angeklagt: So stand der eine, Yves Bouvier, im Verdacht, den anderen, Oliver Thomas, zu einem fingierten Diebstahl in einem eigenen Kunstlager angestiftet zu haben.
Es ging um mehrere Picassos, die schließlich beim Oligarchen Dmitri Jewgenjewitsch Rybolowlew landeten. Der Russe, einer der reichsten Menschen der Welt, ist wiederum längst auch selbst in einen aufwendigen Prozess mit Bouvier verstrickt, der zwar zunächst in Genf zugunsten Bouviers ausgegangen ist, jetzt aber wieder aufgerollt wird: Rybolowlew, Eigentümer und Präsident des Fußballvereins AS Monaco, behauptet, der Kunsthändler Bouvier, mit dem er viele Jahre befreundet war, habe ihm 38 Werke zu einem überhöhten Preis verkauft.
Und im Zuge der aktuellen EU-Sanktionen gegen Russland hat die Regierung kürzlich erklärt, dass im Luxemburger Freihafen Vermögenswerte im Umfang von rund 210 Millionen Euro eingefroren wurden – wobei die Frage berechtigt ist, ob es nicht sogar noch mehr hätte sein können (das Tageblatt berichtete).
Alte Bekannte
Mosar, der 2012 als Präsident der Abgeordnetenkammer noch selbst begeistert beim Spatenstich für den Freeport die Schaufel geschwungen hat, hat sich jedenfalls inzwischen zu einem erbitterten Kritiker gewandelt – und sieht die vielen Wechsel in der Geschäftsleitung längst als sprechendes Zeichen: So hatte etwa Robert Goebbels 2020 seinen Posten als Verwaltungsratspräsident aufgegeben und dem Luxemburger Wort erklärt, der Freeport brauche dringend eine neue Strategie.
Immerhin halten die Banken dem Projekt am Findel bisher die Stange – obwohl die aktuelle Bilanz gar nicht die erste ist, der die zuständigen Prüfer die Absolution verweigert haben: So haben schon 2020 die Prüfer von Ernst & Young festgestellt, dass die eigentlich überschaubare Holding doch sehr auf das Prinzip von Treu und Glauben setzt (oder Hoffnung), um das ständig verlustbehaftete Geschäft immer weiterzuführen. Sie weisen auch, ebenso wie die aktuellen Prüfer, darauf hin, dass die Gläubiger-Banken wegen nicht erreichten Zahlungszielen eigentlich das Recht hätten, den gesamten Kredit mit dem LHSH vorzeitig zurückzuverlangen.
Unter den Instituten findet sich mit der „Banque et caisse d’épargne de l’Etat“ übrigens durchaus ein öffentlicher Akteur. Die anderen weiterhin vertrauensvollen Geldgeber sind die Raiffeisen Bank, die Privatbank Banque de Luxembourg und auch die Banque internationale à Luxembourg (BIL) bringt offenbar viel Geduld auf – wobei deren Verwaltungsrat eine gewisse Verbindung zum Freihafen hat: Es ist Mosars Parteifreund und Ex-Finanzminister Luc Frieden.
Eine Anfrage an den LHSH blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Die CSV hat doch den Freeport damals geschaffen, nicht mehr glücklich?