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Pfund löst Euro als Sorgenwährung ab

Pfund löst Euro als Sorgenwährung ab

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Der Euro galt wegen der Schuldenkrise lange Zeit als die Problemwährung des alten Kontinents. Inzwischen ist das Pfund Sterling für Devisenanleger das Sorgenkind Nummer eins. Sie reißen sich um Terminkontrakte, mit denen sie sich gegen einen Kurssturz der britischen Währung absichern können und treiben damit die Kosten hierfür in die Höhe. Ablesen lässt sich dies an den sogenannten Euro/Pfund Risk Reversals. Sie spiegeln das Verhältnis von Wetten auf einen fallenden und steigenden Wechselkurs wider. Seit dem Jahreswechsel 2015/2016, als sich die Volksabstimmung zum Brexit abzuzeichnen begann, stieg der Kurs der drei- und fünfjährigen Kontrakte zeitweise auf mehr als plus 1,5 Punkte. In den Jahren zuvor pendelte er meist um die Marke von minus 0,5 Punkten. Ein Wert über Null zeigt an, dass Investoren eher auf einen steigenden Euro setzen.

«Risk Reversals sind üblicherweise Angstbarometer», sagt ein Devisenhändler einer großen Bank. In den vergangenen Jahren hätten Investoren vor allem einen Zerfall der Euro-Zone befürchtet. Wegen des Brexit sähen sie die größeren Risiken inzwischen beim Pfund. Aus diesem Grund seien Anleger bereit, mehr Geld dafür zu bezahlen, um sich gegen eine Abwertung der britischen Währung abzusichern, betont Anlagestratege Sam Lynton-Brown von der Bank BNP Paribas.

Pfund ist schwer gebeutelt

Seit der Entscheidung der Briten für den Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU hat das Pfund rund 15 Prozent eingebüßt und kostet derzeit knapp unter 1,30 Dollar. «Die Stimmung hat sich zwar von anfänglicher Panik zu einer gewissen Akzeptanz, dass sich das Verhältnis Großbritanniens zur EU ändern wird, gewandelt. Die größte Ungewissheit ist aber das zukünftige Verhältnis, wobei der Ausgang der Parlamentswahl die Unsicherheit verschärft», sagt Anlagestratege Shilen Shah vom Vermögensverwalter Investec.

Die Konservativen um Premierministerin Theresa May hatten Anfang Juni überraschend ihre absolute Mehrheit im Unterhaus verloren. «Der enge Zeitplan und die Schwächung des britischen Verhandlungspartners erhöhen das Risiko, dass es am Ende zu keinem vernünftigen Vertragsabschluss kommt», warnt Analystin Katrin Löhken vom Bankhaus Sal. Oppenheim. «Im schlimmsten Fall würde Großbritannien in einem ungeordneten Prozess ausscheiden.» Dabei würde das Vereinigte Königreich nach dem offiziellen Austritt im März 2019 ohne Handelsabkommen mit der EU dastehen.

Zwist in der Bank von England

«Ein zwischenzeitlicher Austausch der Premierministerin ist ebenso möglich wie Neuwahlen? – was den Ablauf der Brexit-Gespräche verzögern und zusätzlich verkomplizieren würde.» Allerdings habe die Wahl die «Harter Brexit»-Rhetorik der Regierung abgemildert, gibt Graham Bishop, Investment Direktor beim Vermögensverwalter Heartwood, zu Bedenken. Sie sei nun pragmatischer und versöhnlicher. Bei einem «harten» Brexit würde Großbritannien den Zugang zum EU-Binnenmarkt verlieren.

Zusätzliches Kopfzerbrechen bereiten Börsianern widersprüchliche Signale aus der Bank von England (BoE). Während sich deren Chef Mark Carney trotz der anziehenden Inflation gegen eine baldige Zinserhöhung ausspricht, will sein Chef-Ökonom Andy Haldane im zweiten Halbjahr für einen solchen Schritt stimmen. Auch Carney hatte vor wenigen Tagen eingeräumt, dass eine solche Entscheidung näher rücke. Finanzmarkt-Experte Jordan Rochester von der Investmentbank Nomura rechnet im August mit einer Zinsanhebung in Großbritannien. Den Kursen am Terminmarkt zufolge sehen Anleger die Wahrscheinlichkeit hierfür aber bei weniger als 20 Prozent.

Reuters