Luxemburgs Parlament gilt als schwach gegenüber der Regierung, aber auch gegenüber den Kommunen. Dieser Eindruck geht aus nahezu sämtlichen Wahlprogrammen der Parteien empor. Ob es jedoch zu einer Aufwertung des Parlaments kommt, bleibt fraglich.
Am 17. Juli dieses Jahres kam es zu einem überraschenden Ergebnis in der Chamber. Zwei Abgeordnete der LSAP enthielten sich bei der Verabschiedung eines Gesetzes zum Bau einer Umgehungsstraße. Oftmals fordern politische Beobachter genau jenen Mut zur Opposition jenseits des Fraktionszwangs. Aber in diesem Fall hatte die Entscheidung dennoch einen faden Beigeschmack.
Denn bei den Dissidenten handelte es sich um die beiden LSAP-Abgeordneten aus Sanem, Bürgermeister Georges Engel und Schöffin Simone Asselborn-Bintz, die gegen die Umgehungsstraße in ihrer Gemeinde sind. Mit ihrer Enthaltung gaben beide zu Protokoll, dass ihr kommunales Mandat in dieser Frage Vorrang gegenüber dem Abgeordnetenmandat hat.
Es ist ein klassischer Fall eines Interessenkonfliktes bei Doppelmandaten, wie er in Luxemburg nicht selten vorkommt. Denn über die Hälfte der Abgeordneten in Luxemburg (36) hatte in der vergangenen Legislaturperiode einen weiteren Posten in einem Gemeinderat inne.
Doppelmoral bei den Doppelmandaten
17 von ihnen, also fast ein Drittel der Parlamentarier, waren sogar Bürgermeister. Für die DP saßen vier Bürgermeister im Parlament, genau wie für die LSAP. Bei den Grünen standen zwei Abgeordnete an der Spitze einer Gemeinde. Bei der größten Oppositionspartei, der CSV, waren es sogar sieben. Auch bei «déi Lénk» und bei der ADR, die jeweils zwei und drei Sitze im Parlament haben, sitzen Abgeordneter in Gemeinderäten.
Und wie das Luxemburger Wort bereits vorgerechnet hat, sind auch diesmal wieder etliche Kommunalpolitiker auf den Listen der Parlamentswahlen. Bei der CSV sind es rund 80 Prozent, bei der DP, LSAP und «déi gréng» etwas mehr als die Hälfte, bei «déi Lénk» und ADR sind es rund 15 Prozent.
Diesen Zahlen liegt dabei ein Widerspruch zugrunde. Denn alle Parteien fordern in ihren Wahlprogrammen die Aufhebung der Doppelmandate. Es soll eine Trennung von Abgeordnetenmandat und kommunaler Exekutive geben. Dem Thema liegt ein weiterer Widerspruch zugrunde. Denn bereits in den Wahlprogrammen von 2013 war bei nahezu sämtlichen Parteien vom Ende einer Ämterkumulation die Rede – bei manchen Parteien sogar schon früher. Es handelt sich also um ein Thema, bei dem sich alle einig sind, es bereits lange waren, und dennoch ist bis heute nichts passiert.
Abgeordnete in der Kritik
Doch die Frage des Parlamentarismus in Luxemburg beschränkt sich nicht nur auf das Problem der Doppelmandate. Seit Jahren steht die Arbeit des Parlaments oder vielmehr der Abgeordneten in der Kritik. Sie würden ihrer Kontrollfunktion gegenüber der Regierung nicht gerecht werden und nur selten auf das Initiativrecht zurückgreifen, um Gesetzesvorschläge einzureichen. Debatten seien auf überschaubarem Niveau und Gesetzestexte nicht sauber formuliert, sodass der Staatsrat als Korrektor agiert und nicht etwa als beratendes Gremium wie in der Verfassung vorgesehen.
«Luxemburg hat ein schwaches Parlament», so auch die Aussage von LSAP-Generalsekretär Yves Cruchten am vergangenen Freitag bei einer Wahlveranstaltung der Zeitschrift forum. Die Mehrheit der Bürger wisse wahrscheinlich nicht, dass das Parlament die Gesetze verabschiedet und nicht die Regierung, so der LSAP-Abgeordnete weiter.
Dem Parlament fehle es an Mitteln, um der Kontrollfunktion gegenüber der Regierung gerecht zu werden. Cruchten forderte im Einklang mit dem Wahlprogramm der LSAP: mehr parlamentarische Mitarbeiter, die Einführung eines Lobbyregisters sowie endlich ein Vollzeitparlament. Es könne nicht sein, dass Abgeordnete nebenberuflich als Ärzte oder Anwälte tätig sind, so Cruchten.
Auch LSAP-Fraktionspräsident Alex Bodry spricht vom dringenden Bedürfnis einer Aufwertung des Parlaments. So müssten auch die Kommissionen endlich öffentlich sein, so wie etwa im Europäischen Parlament. «Wir brauchen ein starkes Parlament, um den antidemokratischen Tendenzen der Gegenwart Einhalt zu gebieten», sagt Bodry.
Der Fraktionspräsident der DP, Eugène Berger, sieht es dabei ähnlich. Auch er spricht sich für die Aufstockung des Mitarbeiterstabs der Parlamentarier aus, auch wenn dies nicht explizit im DP-Wahlprogramm steht.
Und ähnlich wie Cruchten nimmt er das deutsche Parlament als Vorbild, bei dem jeder Abgeordnete rund fünf Mitarbeiter hat. «Dadurch steigt die Fachkompetenz eines jeden Abgeordneten», so Berger. In Luxemburg sieht das Verhältnis so aus: Eine halbe Stelle kommt auf einen Abgeordneten.
Allerdings will die DP keine öffentlichen Kommissionssitzungen. Sitzungen, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, hätten den Vorteil, dass Abgeordnete sich frei äußern und nicht nur auf die Parteidoktrin Rücksicht nehmen. «Es fördert den Austausch», so Berger.
«déi gréng» und «déi Lénk» sehen das grundsätzlich anders. In ihren Programmen fordern sie ähnlich wie die LSAP eine klare Aufwertung des Parlaments mitsamt öffentlichen Kommissionssitzungen. «déi gréng» werden die Kommissionssitzungen des Parlaments öffentlich abhalten und Fraktionsmitarbeiter*innen zu den Sitzungen zulassen sowie den Mitarbeiterstab der Fraktionen stärken», heißt es im Wahlprogramm von «déi gréng». Denn:
«Nur so wird die Arbeit der Chamber wirklich transparenter und qualitativ besser.»
Und die CSV? Auch sie spricht sich, wie erwähnt, für eine Aufhebung der Doppelmandate aus. Eine Forderung, die an die Territorialreform mitsamt Gemeindefusionen gekoppelt ist. Doch eine generelle Aufwertung des Parlaments sucht man im Programm jedoch vergebens.
* In einer ersten Version stand, dass die Abgeordneten von «déi lénk» und «ADR» kein Doppelmandate innehaben. Richtig ist, dass auch die zwei Abgeordnete von «déi lénk» sowie ein Abgoerdneter von ADR in Gemeinderäten sitzen.
Da hilft dann nur eins: Doppelmandate gehören abgeschafft. Unser Land ist so Klein, dass, öfters nationale auf kommunale Interessen stossen , wo dann die Kommunalpolitiker mit ihrem Mandat als Abgeordneter in eine Konfliktsituation geraten oder umgekehrt. Man kann nun eben nicht gleichzeitig auf zwei Hochzeiten tanzen. Man darf wohl von jedem Abgeordneten verlangen und erwarten, dass er gemäss seines Wissens und Gewissens handelt und entsprechend abstimmt. Solche Situationen wie am 17.Juli kommen doch eher selten vor. Allerdings müssen die Betroffenen sich dann klar entscheiden. In diesem Fall wäre eine Enthaltung beim Votum nicht ehrlich gewesen. Der Fraktionszwang ist schlicht und einfach undemokratisch. Manchmal wird von den Volksvertrern Mut verlangt, mit Kopfnicken ist es nicht getan. Sie beziehen ziemlich hohe Diäten, für die man von ihnen den nötigen Einsatz fordern darf. Hinterbänkler gehören abgewählt!
Die allermeisten Kandidaten wollen doch nur in die Chambre um gut versorgt zu sein und nicht um irgendetwas politisch zu bewegen.
Macht. Machterhalt. Das ist alles was zählt. Und solange in den "grossen" parteien niemand mit cojones und/oder visionen/weitblick endlich glaubhaft die initiative ergreift um doppelmandate ab- und einheitswahlbezirk zu erschaffen, solange wird sich die politikerkaste im panachage-land luxemburg weiter munter doppelt und dreifach überall gleichzeitig tummeln. Die qualität leidet, erneuerung findet so ungenügend statt, aber viele aktuelle "bonzen" haben sich damit arrangiert und finden es gut so wie es ist, anstatt ihren worten endlich taten folgen zu lassen. Den ämterkumul gehéiert op de leescht geholl, aber ich kandidiere bei allen wahlen die mir in die quere kommen!!!