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Parlament gibt medizinischem Cannabis grünes Licht

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Cannabis wird in Zukunft einen Platz in der Medizin in Luxemburg haben. Das Parlament hat am Donnerstag eine entsprechende Gesetzesreform verabschiedet.

Vor einigen Jahren noch wäre es nicht denkbar gewesen. Cannabis war als Teufelszeug verschrieen – als gefährliche Einstiegsdroge. Dass Cannabis früher als Allrounder unter den Heilmitteln galt, war lange vergessen. In den vergangenen Jahren ist die Akzeptanz gegenüber Cannabis in der Bevölkerung gestiegen, sowohl was den Konsum als Genuss- und Entspannungsmittel angeht wie auch die Verwendung in der Medizin.

Das Parlament hat am Donnerstag eine Gesetzesnovelle verabschiedet, die es Medizinern in Zukunft möglich machen wird, einigen Patienten Cannabis zu Therapiezwecken zu verschreiben. Jeder Arzt darf die Medikamente verschreiben, wenn die Situation des Patienten es zulässt und der Arzt zuvor eine Fortbildung gemacht hat. Cannabis wird in Zukunft in Form von Tropfen, Ölen, Pillen und so weiter ausgegeben, aber «auf keinen Fall» – so Berichterstatterin Cécile Hemmen (LSAP) – zum Rauchen.

Ausgewählte Krankheiten

In den letzten Jahren haben immer mehr wissenschaftliche Studien die Vorteile von Cannabis in verschiedenen Bereichen der Medizin aufgezeigt und belegt. Dies unterstreicht auch die schriftliche Begründung der Novelle, die die Kammer am Donnerstag verabschiedet hat. Diese Begründung nennt explizit Patienten mit chronischen Schmerzen, solche, die mit einer Chemotherapie behandelt werden, und Patienten mit Krämpfen aufgrund von Sklerose.

Welche Krankheiten mit Cannabis behandelt werden dürfen, soll in einem «Règlement grand-ducale» festgelegt werden. Die Grünen-Abgeordnete Josée Lorsché verwies darauf, dass es dieses Reglement noch nicht gibt. In Deutschland dürften die Ärzte anders als in Luxemburg im Sinne der Therapiefreiheit selber entscheiden, für was sie Cannabis verschreiben. Zudem bestehe bei einer niedrigen Dosierung ein sehr geringes Risiko von Nebenwirkungen und auch die Gefahr einer Sucht sei wissenschaftlich widerlegt.

«Ja, Cannabis wird als gefährliche Droge dargestellt und gleichzeitig als Heilmittel», sagte Berichterstatterin Cécile Hemmen. Sie unterscheidet medizinisches Cannabis und den Konsum von Cannabis zu rekreativen Zwecken. Cannabis habe hauptsächlich zwei Wirkstoffe, THC und CBD. THC ist der Wirkstoff, der laut Hemmen «das Gefühl des Schwebens auslöst». CBD habe keine psychotropen Wirkungen. Im Zusammenspiel haben diese Bestandteile positive Effekte auf die Gesundheit, erläuterte die Berichterstatterin.

Dem Gesetzgeber geht es betont darum, dem Patienten die bestmögliche Therapie zukommen zu lassen und deshalb die Palette der Therapiemöglichkeiten zu erweitern. «Indem es den Rückgriff auf Cannabis zu medizinischen Zwecken zulässt, erweitert Luxemburg das bestehende Angebot und passt sein Gesundheitssystem den letzten wissenschaftlichen Erkenntnissen in dieser Materie an», heißt es in der Gesetzesbegründung.

Hanf und seine Derivate

Bei dem Gesetz handelt es sich wohlgemerkt nicht um ein spezielles «Cannabisgesetz». Vielmehr handelt es sich um eine Novelle des Gesetzes über den Verkauf von Medikamenten und den Kampf gegen Suchterkrankungen.

Dort werden Strafen aufgeführt, die Menschen erwarten, die «Hanf oder Derivate dieser Pflanze» benutzen, transportieren, besitzen, kaufen oder gratis erhalten. Mit der Novelle werden Patienten, denen das Cannabis aus medizinischen Gründen verschrieben worden ist, ausgenommen – sie machen sich also nicht mehr strafbar. Auch Ärzte und Apotheker sind in Zukunft vor dem Gesetz keine Dealer mehr, wenn sie Cannabis verschreiben oder aushändigen. Vorerst dürfen allerdings nur die Apotheken der Krankenhäuser die Mittel verteilen.

Berichterstatterin Hemmen begründet dies mit den besonderen Bedingungen, unter denen Cannabismedikamente herausgegeben werden, und den Ansprüchen an die Lagerung. Die Abgeordnete Lorsché kritisierte dies, weil diese Apotheken in der Regel keine gute persönliche Beziehung mit den Patienten aufbauen und deshalb nicht so gut beraten können.

Luxemburg ist, wie das Parlament betont, eines der ersten Länder in Europa, das sich ein solches Gesetz gibt. Nach zwei Jahren soll eine Bilanz gezogen werden, um zu prüfen, ob die Patienten von der Neuerung profitierten und wie viele Verschreibungen es gibt. Auch soll die Gelegenheit genutzt werden, um die Liste der Krankheiten, die mit Cannabis behandelt werden dürfen, zu erweitern.

Martine Mergen (CSV) erwartet sich keine neue Ära mit den neuen Medikamenten. Studien zeigten auch, dass Cannabis weitaus weniger Wirkungen hat, als viele Verteidiger der Pflanze sich erwarten. Lorsché warnte vor einer Zwei-Klassen-Medizin, wenn die Krankenkasse CNS nicht mitspielt. Sie erinnerte an die Psychotherapeuten, deren Beruf vor zwei Jahren offiziell anerkannt wurde, allerdings müssten ihre Patienten die Sitzungen bislang aber immer noch aus eigener Tasche bezahlen. Es drohe die Gefahr, dass Patienten sich gezwungen sehen, sich auf dem illegalen Schwarzmarkt zu versorgen oder selber Cannabis anzubauen. «Was beim Psychologengesetz passiert ist, darf sich nicht wiederholen», sagte sie.

Petition über Cannabis-Konsum

Roy Reding (ADR) verwies darauf, dass seine Partei ein solches Gesetz seit Jahren fordere, kritisierte aber eine «Überreglementierung», z.B. was die wenigen Krankheiten angeht, denen Cannabis zugutekommen soll, und die restriktive Verteilung.

«Endlich», sagte der Linken-Abgeordnete Marc Baum. Cannabis könne das Wohlbefinden der Patienten verbessern. Er fügte den bereits genannten Vorteilen die appetitfördernde Wirkung des Cannabis hinzu, die z.B. bei Chemopatienten wichtig sei.

Die Linken finden es jedoch «schade», dass drei Schritte vorwärts – und mit den Restriktionen – zwei Schritte rückwärts gemacht werden. Baum sprach von einer Angst, die bei der Ausarbeitung des Gesetzes mitgespielt habe. Eine Angst, die seiner Meinung nach nicht mehr begründet ist, was die Akzeptanz in der Gesellschaft angeht.

Vor Kurzem hat eine Petition zu Cannabiskonsum das nötige Quorum erreicht und eine Diskussion im Parlament erzwungen. Sie hat binnen weniger Tage über 7.200 Unterschriften erhalten und damit die nötige Zahl von 4.500 deutlich überschritten. Die Parlamentarier trennten hier aber strikt und zum Teil explizit. Am Donnerstag ging es nur um die medizinische Anwendung.

Lediglich der DP-Abgeordnete Max Hahn preschte vor und sprach sich für die Legalisierung von Cannabis aus. Die DP habe dies in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Man müsse aufhören, «die Patienten in die Hände von Drogenbanden zu treiben». Andere Fraktionen fanden das Abweichen des liberalen Politikers vom eigentlichen Thema der Debatte weniger lustig.

Der Parlamentspräsident Mars Di Bartolomeo (LSAP) «rezentrierte» die Diskussion und bedankte sich, mit einem Augenzwinkern, bei dem Abgeordneten für den Bericht des letzten DP-Kongresses.