Headlines

ÖsterreichÖVP verteufelt FPÖ-Chef Kickl, schließt aber Koalition nicht aus

Österreich / ÖVP verteufelt FPÖ-Chef Kickl, schließt aber Koalition nicht aus
Die Partei des österreichischen Bundeskanzlers Karl Nehammer nimmt den Chef der rechtspopulistischen FPÖ, Herbert Kickl, ins Visier Foto: AFP/Emmanuel Dunand

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Österreichs Kanzlerpartei reitet derzeit beispiellos heftige Attacken gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl – und schließt gleichzeitig eine neuerliche Koalition mit den Rechtspopulisten nicht aus.

Die mit Bundeskanzler Karl Nehammer im Umfragetief dümpelnde ÖVP sucht ihr Heil derzeit in der scharfen Abgrenzung zu jener Partei, die sie in diesem Jahrtausend schon zweimal in eine Koalition geholt hatte. Ins Visier genommen wird dabei freilich nicht in erster Linie die Partei selbst, sondern deren Vorsitzender. Herbert Kickl steht gerade unter türkisem Dauerfeuer.

Den Auslöser lieferte die Debatte um den Raketenschutzschirm „Sky Shield“, an dem sich neben 17 NATO-Ländern auch Österreich und die ebenfalls neutrale Schweiz beteiligen wollen. Obwohl die FPÖ vor Jahren selbst den NATO-Beitritt Österreichs gefordert hatte, agiert sie nun, wie Populisten eben agieren: Kickl wirft der türkis-grünen Regierung vor, mit der Beteiligung an der Raketenabwehr die Neutralität zu verletzen und das Land möglicherweise sogar in einen Krieg mit Russland zu führen.

Mit solchen Warnungen kann man in Österreich nur gewinnen: Seit Wladimir Putin zum Feldzug gegen die Ukraine geblasen hat, ist die Zahl der alpenrepublikanischen Neutralitätsfans weiter gewachsen. Bei der letzten Gallup-Umfrage im Frühjahr sprachen sich 77 Prozent für eine Beibehaltung des Status quo aus, sieben Prozent mehr als vor dem Ukraine-Krieg. Dieses Potenzial will die FPÖ natürlich ausschöpfen, zumal da sie bei diesem Thema mittlerweile ein Alleinstellungsmerkmal hat: die Grünen befürworten koalitionstreu den Raketenschild, ebenso die oppositionellen Sozialdemokraten und Neos. Dass es sich dabei um ein Österreichs Sicherheit gefährdendes Militärbündnis handelt, behauptet nur die FPÖ.

Kanzler Nehammer drehte den Spieß um und erklärte Kickls Position zum „Sicherheitsrisiko für das Land“. Wer gegen „Sky Shield“ sei, ziehe auch die wehrhafte Neutralität in Zweifel. Der ÖVP-Chef erinnerte dabei auch daran, dass Kickl „sehr stark russischer Propaganda verfallen“ sei. Auch das richte sich gegen die nationale Sicherheit.

Sicherheitsrisiko Kickl

Es geht in diesem Scharmützel aber um mehr als eine sicherheitspolitische Debatte. Es geht um die Positionierung für den kommenden Wahlkampf. Die ÖVP versucht dabei zumindest den Eindruck einer Abgrenzung zur FPÖ zu erwecken. Mehrfach schloss Nehammer eine Koalition mit Kickl nach der spätestens im Herbst 2024 fälligen Nationalratswahl kategorisch aus. Nach dem Kanzler rückten mehrere ÖVP-Granden aus, um diese Position zu bekräftigen. Dabei werden auch alte Geschichten hervorgeholt, die die ÖVP seinerzeit nicht problematisiert hatte. Innenminister Gerhard Karner etwa wirft Kickl nun vor, den Verfassungsschutz in Trümmer gelegt zu haben. Er bezieht sich damit auf eine beispiellose Razzia beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) im Februar 2018: Wenige Wochen nach dem Start der türkis-blauen Koalition unter Sebastian Kurz wurden auf Basis einer Anzeige aus dem von Kickl übernommenen Innenministerium bei einer Hausdurchsuchung große Datenmengen beschlagnahmt, was das Vertrauen der Partnerdienste in den österreichischen Staatsschutz nachhaltig erschüttert hatte. Das besondere Interesse der von einem FPÖ-Mann geleiteten Razzia galt zudem Daten über Ermittlungen in der rechtsextremen Szene, der sich Kickl stets zugeneigt gezeigt hatte.

Glaubwürdigkeitsproblem

Für die ÖVP war das seinerzeit kein Grund zur Kritik am Koalitionspartner. Erst mehr als fünf Jahre danach schießt sie sich nun deswegen auf Kickl ein. Mit Verfassungsschutzministerin Karoline Edtstadler, Außenminister Alexander Schallenberg und Wirtschaftsminister Martin Kocher haben drei ÖVP-Regierungsmitglieder bereits klargestellt, keiner Regierung angehören zu wollen, in der auch der FPÖ-Chef sitzt.

Doch was nach klarer Ablehnung einer Neuauflage der türkis-blauen Koalition klingt, ist alles andere als eindeutig. Denn die ÖVP schließt stets nur eine Koalition mit der „Kickl-FPÖ“ aus. Hartnäckig fragende Journalisten, die klären wollen, ob das auch ein Nein zur FPÖ bedeutet, beißen sich an in Vernebelungstaktik geschulten ÖVPlern die Zähne aus. Dass die Volkspartei heuer in Niederösterreich und in Salzburg entgegen allen Beteuerungen in den Landtagswahlkämpfen letztlich doch mit der FPÖ ins Koalitionsbett gestiegen ist, quittiert Nehammer einfach mit der Feststellung, dass diese Bundesländer für ihn nicht das Thema seien. Sogar der in Oberösterreich mit der FPÖ koalierende ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer bekundete am Wochenende, „dass wir uns eine Kickl-FPÖ im Land als Partner nicht vorstellen können“.

FPÖ hui, Kickl pfui

Das schizophrene ÖVP-Taktieren basiert auf der Illusion, FPÖ und Kickl voneinander losgelöst betrachten zu können. Man redet sich ein, dass der rechtspopulistische bis rechtsextreme Parteichef anders ticke als seine mutmaßlich viel gemäßigtere Partei. Und mancher Türkise träumt von einer Wiederholung der Geschichte: Die erste ÖVP-FPÖ-Koalition im Jahr 2000 hatte Jörg Haider möglich gemacht, indem er auf einen Ministerposten verzichtete. Kickl schließt Derartiges freilich kategorisch aus. Er bewirbt sich schon als „Volkskanzler“ und geht davon aus, dass ihm die ÖVP lieber den Steigbügelhalter macht, als nach fast 40 Jahren an der Macht auf die harte Oppositionsbank zu verschwinden.

Da die vom neuen SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler herbeigesehnte Alternative eines Bündnisses mit Grünen und liberaler Neos-Partei in allen Umfragen weit entfernt ist von einer Mehrheit, erscheint Kickls Traum gar nicht so unrealistisch.

Grober J-P.
19. Juli 2023 - 10.47

Freund Herbert aus Innsbruck sagt die ÖVP leide unter dem Klimahitzesyndrom, he? Ja, sagt er, das sehe ich auch bei euch in Luxemburg, eure ÖVPler tragen die Köpfe immer geneigter über die rechte Schulter. Die müssten unbedingt die Mittagssonne meiden, ist sehr gefährlich, für den IQ, sagt Herbert.