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Forum / Oberstausee: Brücken spannen, um Natur und Menschen zu vereinen
Das Wasser hat Menschen getrennt, die einst zu Fuß oder mit der Kutsche ins Nachbardorf fuhren, um Familie und Freunde zu treffen Foto: Gemeinde Bauschleiden

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Für die Gemeinden und Einwohner rund um den Stausee war die Inbetriebnahme des größten Gewässers Luxemburgs ein großer Einschnitt. Aus direkten Pfaden wurden weite Umwege, aus potenziellem Wohnraum und nutzbaren Flächen ein Freizeitgebiet. Nun aber soll wieder vereint werden, was einst getrennt wurde – mit einer Hängebrücke auf Burfelt. Ein kleiner Exkurs in die Vergangenheit. 

„Et gëtt Wonnen, déi lues heelen – an et gëtt der, déi ni ganz heelen“, so Léon Hoffmann, einer der letzten Einwohner aus dem See. Die Geschichte einer Familie, die ihre Heimat wegen des Fortschritts aufgeben musste – illustriert von Henriette Nittel im bemerkenswerten Buch „De Mann aus dem Séi“ – verinnerlicht, wie sich die Landschaft verändert hat, in der sich heute das größte Trinkwasserreservoir des Landes befindet. Der Stausee von Esch-Sauer liefert Trinkwasser sowie elektrische Energie und ist eines der beliebtesten Freizeitgebiete Luxemburgs.

Wo seinerzeit „d’Preisen“ die Brücke, die von Insenborn nach Liefringen führte, gesprengt hatten, war es nunmehr die Wasserfüllung des Stausees, die Menschen trennte, die einst zu Fuß oder mit der Pferdekutsche zur Kirmes fuhren, um ihre im Nachbardorf ansässige Familie zu besuchen. Wege wurden abgetrennt, Dörfer, die sonst nur einen Steinwurf voneinander entfernt lagen, waren plötzlich nur mehr über weite Umwege zu erreichen. Viele Familien mussten ihr Heimathaus aufgeben, die letzten Apfelbäume wurden gefällt, die letzte Heuernte im Tal wurde eingefahren.

Wo einst u.a. die Liefringer Mühle („Hemmermillen“) unterhalb von Insenborn oder die „Loutschmillen“ mit Sägewerk nahe der Böwener Schlammmauer stand, liegt heute eingebettet der Stausee. Überreste der Bauten konnte man 1965 sowie 1991 beim Check der Staumauer bei den Entleerungen noch erkennen. Über 400 Hektar Land waren für den Bau des Obersauerstaubeckens nötig und mussten vom Staat aufgekauft werden. Proteste? Doch, aber es nützte wenig. Es gab nur zwei Möglichkeiten, entweder mit den Bauherren zu verhandeln oder zwangsenteignet zu werden.

Der Stausee ist nicht nur ein beliebtes Freizeitziel
Der Stausee ist nicht nur ein beliebtes Freizeitziel Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Eine vom Stausee geprägte Region

Der Stausee brachte mit sich, dass die Verbindungsbrücken Lultzhausen-Insenborn und Esch/Sauer-Lultzhausen, für die Zeit sehr beeindruckende Konstruktionen, gebaut wurden. Am 24. Juni 1953 wurde der Bau des Staudamms von Esch/Sauer beschlossen (Bauzeit 1953 bis 1958). Sehr schnell wurde die Wichtigkeit der Trinkwasserversorgung erkannt und das SEBES („Syndicat des Eaux du Barrage d’Esch-sur- Sûre“) wurde 1962 gegründet. 1969 fand die erste Inbetriebnahme der Anlagen zur zentralen Wasserversorgung des Landes statt.

Erhebliche Restriktionen für die Gemeinden am Stausee wurden bereits 1961 gesetzlich verankert. Sanitäre Schutzzonen wurden definiert, mit Einschränkungen u.a. für die Landwirtschaft. Besonders benachteiligt waren die Dörfer, die direkt am Stausee lagen, die durch den „Baustopp“ keine Möglichkeiten erhielten, der heimischen Jugend Wohnraum zu bieten, und somit war klar, dass dies eine weitere Benachteiligung gegenüber anderen Regionen darstellte, für die keine Kompensationen gezahlt wurden.

Die Idee des „Waasserfrang“ war geboren, – ein Entgelt pro Kubikmeter verkauften Trinkwassers solle in der Region verbleiben. Besonders der damalige Bürgermeister von Neunhausen, Jean Laures, beharrte darauf, dass die Gemeinden an der einzigen Industrie innerhalb der Region, der Aufbereitung von Trinkwasser, finanziell beteiligt werden müssten. Da der See der gemeinsame Nenner der umliegenden Gemeinden war, kam der Gedanke auf, eine Art Stauseegemeinde zu schaffen, die seinerzeit auch im Fusionsschema aufgenommen wurde. Visiert waren die Gemeinden Bauschleiden, Esch/Sauer, Harlingen, Mecher und Neunhausen. Die Gemeinden Arsdorf und Bondorf wurden Rambrouch zugewiesen. Gemeindehauptsitz sollte laut staatlichem Einheitsschema Bauschleiden werden – doch es kam alles ganz anders.

Nicht allen Gemeindeverantwortlichen behagte die Festlegung des Gemeindehauptorts. Trotz wiederholter Vermittlungsversuche der staatlichen Instanzen kam es (nur) zur Teilfusion zwischen Harlingen und Mecher mit Böwen als Sitz der neuen Gemeinde, als am zentralsten gelegenen Ort unter dem Namen Stauseegemeinde („Commune du Lac de la Haute-Sûre“), mit dem Wunschgedanken, dass die Gemeinden Bauschleiden, Esch/Sauer und Neunhausen sich noch (freiwillig) anschließen würden. Die Fusion trat am 1. Januar 1979 in Kraft.

Zu bemerken sei, dass Jahre später dem Wunsch der Wiederverbindung der Gemeinden Neunhausen und Stauseegemeinde, die durch den Bau der Staumauer unterbrochen worden war, durch eine Fußgänger-Schwimmbrücke („Pont flottant“) zwischen Lultzhausen und Insenborn entsprochen wurde, wobei diese Pontonbrücke auch eine touristische Bereicherung darstellt.

2011 wurde die Fusion der Gemeinden Esch/Sauer, Heiderscheid und Neunhausen, die sich zur neuen Gemeinde „Esch-sur-Sûre“ (Esch/Sauer) zusammengeschlossen haben, im Amtsblatt veröffentlicht. Ob der Zeitgeist der regionalen Zusammenarbeit eine weitere Fusion in der Stauseeregion bereithält, wird die Zukunft zeigen.

Brücken verbinden
Brücken verbinden Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Dynamik durch den Naturpark Obersauer

Die Idee eines grenzüberschreitenden Naturparks mit dem Einzugsgebiet der Sauer in Belgien geht schon bis aufs Jahr 1963 zurück. Damals sollte ein Naturpark zusammen mit der Region „Forêt d’Anlier“ verwirklicht werden. Ein ganzheitliches Naturparkkonzept zusammen mit allen Akteuren aus einer ländlichen Region könnte die ökologische Entwicklung mit deren Eigenarten stärker hervorheben.

Der ländliche Raum hat einen hohen Wohn-, Freizeit- u. Erholungswert, eine weniger belastete Umwelt, überschaubare Strukturen, er bietet mehr Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten im öffentlichen Leben und kann aufgrund seiner Lebensqualität als „Produktionsfaktor höherer Ordnung“ eine besondere Wertschätzung erfahren. Am 6. April 1999 wurde der Naturpark Obersauer durch großherzoglichen Beschluss definitiv in seiner heutigen Bestimmung als Naturpark deklariert.

Ein Abwasserkonzept (Ringleitung) um den Stausee wurde vom Abwassersyndikat SIDEN erstellt und eine biologische Kläranlage in Heiderscheidergrund konzipiert, um eine Schadstofflast von 12.000 EW (Sommer) zu behandeln. Die Bauarbeiten der Anlage begannen Ende 2004.

Ab 2015 wurde die Zielsetzung einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung in der Stauseeregion definiert, die eigens in einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Naturpark Obersauer, der SEBES und den Landwirten festgeschrieben wurde, die sowohl den Interessen des Gewässerschutzes als auch den landwirtschaftlichen Betrieben gerecht wird. Mit der neuen Großherzoglichen Verordnung vom 16. April 2021 zum Wasserschutzzonenkonzept bekommt die Strategie zum Erreichen der Ziele, die in einem jährlichen Maßnahmenkatalog aufgelistet wurden, eine übergeordnete Geltung.

Auch das erfolgreich gestartete Projekt „Käre vum Séi“, an dessen Gründung die LAKU („Landwirtschaftlech Kooperatioun Uewersauer“) mitbeteiligt war, bezeugt, dass regionale Produktionen mit Auflagen, die dem Trinkwasserschutz dienlich sind und in der Region weiterverarbeitet werden, beim Konsumenten ankommen.

Neben den Aufgaben der „Wasserregion“, eben Wasser zu schützen, kommt dem Naturpark Obersauer mit seinen vielfältigen Aufgabenbereichen eine noble Sonderstellung zu, nämlich das Vereinen einer Region, ihrer Einwohner, sowie übergeordnete regionale Projekte zu planen und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Instanzen zu realisieren – eben Brücken spannen.

Bereits 2002, also vor 20 Jahren, engagierte sich der Kaundorfer Aly Zeimen als Gemeinderatsmitglied der Stauseegemeinde ganz besonders für die grüne Entwicklung der Stauseeregion. Dabei sollten sich Ökologie und Ökonomie ergänzen. Seine Idee, eine Hängebrücke über den Stausee („d’Hengebréck vum Séi“) zu bauen, fand damals kein Gehör bei den politisch Verantwortlichen. Weiterentwicklung sowie die umwelt- und sozialverträgliche Gestaltung des Tourismus setzten demnach verstärkt Outdoor-Erlebniswelten voraus, so seine Überzeugungen.

Der ländliche Raum hat einen hohen Wohn-, Freizeit- und Erholungswert, eine weniger belastete Umwelt, überschaubare Strukturen
Der ländliche Raum hat einen hohen Wohn-, Freizeit- und Erholungswert, eine weniger belastete Umwelt, überschaubare Strukturen Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Eine Hängebrücke als neue, zentrale Attraktion mit Erlebnischarakter

Neue Hoffnungen macht derzeit der Vorstoß der Gemeinde Bauschleiden, eben eine solche Brücke zu realisieren und damit das Wandern, als zentraler Teil einer modernen Outdoor-Kultur in einer vielfältigen Landschaft mit individuellem Charakter, zu fördern und dabei den Wert der Tier- und Pflanzenwelt zu vermitteln.

Neben der bereits bestehenden Schwimmbrücke, die Lultzhausen und Liefringen miteinander verbindet, soll zukünftig auch die Gemeinde Bauschleiden vom Flurort „A Bärel“ aus mit dem Waldentdeckungszentrum „um Burfelt“ verbunden werden.

Wanderer, die kleinere Ausflüge planen, könnten problemlos mittig der „Misärsbréck“ und der Schwimmbrücke den Stausee überqueren. Zudem würde das Waldentdeckungszentrum „um Burfelt“ mit seinem pädagogischen Konzept enorm aufgewertet und erweitert werden.

Die Corona-Pandemie mit dem Motto „Vakanz doheem“ hat dem sanften Wandertourismus neuen Schwung verliehen und bietet nun dem Naherholungsgebiet um den Stausee von Esch/Sauer neue Entwicklungsmöglichkeiten, gerade für die arg gebeutelten Horeca-Betriebe. Diesen Aufschwung gilt es jetzt zu nutzen, um die Region mit weiteren Attraktionen zu beleben. Es gilt die Devise, die Menschen zurück zur Natur zu bringen, den sanften Tourismus im Einklang mit dem Naturschutz zu fördern (Besucherlenkung) sowie die Wichtigkeit des Obersauer-Stausees als Trinkwasserspeicher des gesamten Großherzogtums zu unterstreichen.

Die Hängebrücke über den Stausee basiert auf einer Idee von Gemeinderat Aly Zeimen (Stauseegemeinde)
Die Hängebrücke über den Stausee basiert auf einer Idee von Gemeinderat Aly Zeimen (Stauseegemeinde) Illustration: Naturpark Uewersauer

Leader-Projekte wie z.B. „d’Qualitéitswanderregioun Éislek“ und der Wanderweg „NaturPur“ in Höhe der „Misärsbréck“ bekräftigen neben dem Touristenstädtchen Esch/Sauer die Naturverbundenheit des westlichen Naturparks. 1934 errichtete die Familie Winandy-Hames aus Bauschleiden am „Houfels“ bereits einen Pavillon, der zu einem Ort der Begegnung mit Tanznachmittagen, Ausschank und Speisen wurde. Heute kann man immer noch den tollen Blick aufs Tal der Sauer genießen.

Eine neue zentrale Attraktion mit Erlebnischarakter mit dem konkreten Ausbau des touristischen Angebots kann zur „sanften“ Nutzung nachhaltig unsere intakte, von Menschenhand geschaffene Naturlandschaft aufwerten. Es gilt, Chancen einer regionalen Wertschöpfung in der Stauseeregion zu nutzen und im wahrsten Sinne des Wortes „Brücken“ zu bauen.

* Jeff Gangler ist Bürgermeister der Gemeinde Bauschleiden, Charel Pauly ist Präsident des Naturpark Uewersauer und Marco Koeune ist Präsident der LAKU (Landwirtschaflech Kooperatioun Uewersauer)

Romain
10. September 2022 - 21.40

Warum nicht Badesee und Co in den Wohngebieten einrichten dann können die Leute ihren Müll bei dem Wohngegend dalassen