Es fängt meistens in bester Partylaune an: Urlauber und Urlauberinnen kommen auf Mallorca ins Gespräch. Am Strand, im Biergarten, in einer Bar oder Diskothek. Es wird zusammen getrunken, gelacht und gefeiert. Doch irgendwann, meist zu vorgerückter Stunde, kippt die gute Stimmung um: Das anfangs so nette Zusammensein gerät außer Kontrolle und endet zuweilen mit Vorwürfen der sexuellen Gewalt.
In letzter Zeit machten zudem mehrere mutmaßliche Gruppenvergewaltigungen Schlagzeilen. Die jüngste ereignete sich, wie an diesem Wochenende bekannt wurde, erst vor wenigen Tagen: Eine junge Britin alarmierte die Polizei, nachdem sie offenbar von drei britischen Urlaubern in einem Hotelzimmer in Magaluf unter Drogen gesetzt und dann vergewaltigt worden ist. Die drei mutmaßlichen Täter konnten kurz vor ihrem Abflug Richtung Heimat auf dem Airport in Palma festgenommen werden.
Seit Mitte Juli sitzen fünf Deutsche in Untersuchungshaft, weil sie an der „Ballermann“-Partymeile Playa de Palma eine 18-jährige deutsche Touristin nach durchzechter Nacht missbraucht haben sollen. Wenig später wurden sieben Franzosen und ein Schweizer verhaftet, weil sie in Magaluf eine junge britische Urlauberin nach einer Partynacht vergewaltigt haben sollen.
Harte Strafen
In Sachen Sexualstraftaten wird in Spanien bereits hart durchgegriffen. Nach der jüngsten Strafrechtsreform können alle sexuellen Handlungen, die nicht ausdrücklich von der anderen Person gebilligt werden, als Aggression oder Vergewaltigung gewertet werden. Schweigen oder das Fehlen von Gegenwehr darf somit nicht länger als mildernder Umstand für die Täter gewertet werden. Für Vergewaltigung drohen bis zu zwölf Jahre Gefängnis, für Gruppenvergewaltigung sogar 15 Jahre.
Die Schilderungen dieser Vorfälle im Polizeibericht gleichen sich oft weitgehend: Die Frauen und die jungen Männer feierten zunächst in der Nacht zusammen. Die mutmaßlichen Vergewaltigungen fanden dann in Hotelzimmern statt. Auf den Handys einiger Männer finden sich Videos vom Sex. Und die Beschuldigten verteidigen sich beim Verhör durch die Polizei meist mit der Aussage, dass der Sex einvernehmlich stattgefunden habe.
Wohl hohe Dunkelziffer
Derzeit wird die Polizei auf Mallorca nahezu jede Woche wegen Sexualdelikten benachrichtigt: Erst vor Kurzem alarmierte eine 20-jährige deutsche Touristin die Polizei und berichtete, dass sie auf der Toilette einer „Ballermann“-Kneipe vergewaltigt worden sei. Die Polizei geht davon aus, dass die wirkliche Zahl der Sexualdelikte noch größer ist als sich in der Statistik widerspiegelt. Viele Taten würden nicht angezeigt.
Francisco Javier Santos, Chef der Nationalpolizei an der Playa de Palma, sagte er in einem Interview, dass der „Tourismus der Exzesse“ Diebstähle, Prügeleien und eben auch Sexualstraftaten mit sich bringe. Gastronomen, Hoteliers und Anwohner wiederum klagen, so schlimm wie in diesem Jahr sei es noch nie gewesen. Pedro Marín, Chef der örtlichen Hotelvereinigung, sagt: „Das ist hier wie Oktoberfest und Karneval zusammen.“ Marín fordert die Behörden auf, endlich hart durchzugreifen.
Experten machen zudem darauf aufmerksam, dass die meisten Sextaten in der touristischen Hochsaison von Mai bis Oktober gemeldet werden. „Drogen und Alkohol wirken dabei oft als Beschleuniger“, schreibt die Inselzeitung Ultima Hora. Auch schlüpfrige Trinklieder, die in den Party-Tempeln gegrölt werden, heizen das Ambiente auf fragwürdige Weise an. Wie etwa der „Ballermann“-Hit „Bumsbar“, in dem der Refrain gegrölt wird: „Heute sind wir wieder bumsbar. Geile Mädels, geile Jungs da.“
Das sind die Geister die sie jahrelang gerufen haben.