Die Konfrontation zwischen Separatisten und Zentralregierung geht nach der Neuwahl vermutlich unvermindert weiter. Aber wer wird Präsident? Spitzenkandidat Puigdemont ist in Brüssel, sein Ex-Vize Junqueras hinter Gittern. Das Ergebnis wirft Fragen auf.
Die mit Spannung erwartete Neuwahl in Katalonien hat keinen politischen Richtungswechsel in der spanischen Krisenregion gebracht. Das Ergebnis der Abstimmung vom Donnerstag war weit deutlicher, als Umfragewerte zuvor erahnen ließen: So konnten die drei separatistischen Kräfte erneut eine absolute Mehrheit von 70 der insgesamt 135 Sitze des Parlaments in Barcelona erringen, wie die Wahlbehörde nach Auszählung fast aller Stimmen mitteilte.
Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont feierte die von den Separatisten verteidigte absolute Mehrheit in der Nacht zum Freitag in Brüssel. «Der spanische Staat wurde bezwungen», sagte er vor Journalisten und Anhängern in der belgischen Hauptstadt. Dorthin hatte er sich abgesetzt, um in Spanien einer Inhaftierung zu entgehen.
Ciudadanos ist eigentlicher Gewinner
Die Gegner der Unabhängigkeit verpassten die absolute Mehrheit überraschend deutlich. Umfragen hatten zuvor lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Separatisten prognostiziert. Dennoch ging die liberale Partei Ciudadanos der Spitzenkandidatin Inés Arrimadas als eigentlicher Gewinner aus der Wahl hervor.
Ciudadanos ist strikt gegen eine Loslösung der Region von Spanien und erzielte 37 Sitze – jedoch gab es wegen des schlechten Abschneidens der möglichen Koalitionspartner keine Chance auf eine Regierungsbildung.
«Der historische Triumph von Arrimadas kann die Unabhängigkeitsbestrebungen nicht aufhalten», schrieb die Zeitung «El Mundo». Die Anhänger der 36-Jährigen feierten in der Nacht dennoch den Sieg der Partei und riefen immer wieder: «Wir sind Spanier!». Arrimadas jubelte: «Zum ersten Mal hat eine verfassungstreue Partei die Wahl gewonnen!»
Überraschend war auch das gute Abschneiden von Puigdemonts Allianz JuntsxCat (Gemeinsam für Katalonien), die entgegen aller vorherigen Umfrageergebnisse alleine auf 34 Sitze kam. Wie es nun weitergeht, war aber zunächst unklar. Sollte Puigdemont nach Spanien zurückkehren, droht ihm eine sofortige Festnahme.
Puigdemont will zurück nach Spanien
Dennoch will der Vater zweier kleiner Mädchen zurück in die Heimat, falls er vom Parlament zum Präsidenten gewählt wird. «Rajoy und seine Alliierten haben verloren und von den Katalanen eine Ohrfeige bekommen», sagte er nach der Wahl. Madrid habe die Wahl verloren, «mit der es den Putsch legalisieren wollte».
Auch die linksnationalistische Partei ERC des in U-Haft sitzenden Spitzenkandidaten Oriol Junqueras schnitt gut ab und holte 32 Sitze. Ihm werden ebenso wie Puigdemont Rebellion und Aufruhr vorgeworfen, es drohen lange Haftstrafen.
Fast 82 Prozent der 5,5 Millionen wahlberechtigten Katalanen waren zu den Urnen gegangen – ein neuer Rekord, der zeigt, wie wichtig den Bürgern die Unabhängigkeitsfrage ist.
Die Neuwahl fand knapp zwei Monate nach der Absetzung der Separatisten-Regierung durch die Zentralregierung von Mariano Rajoy statt. Seither kontrolliert Madrid die Autonome Gemeinschaft. Die Zwangsverwaltung soll in Kraft bleiben, bis die neue Regionalregierung vereidigt wird. Wegen der schwierigen juristischen Situation sowie auch der Uneinigkeit der separatistischen Kräfte unter sich könnte dies aber noch dauern.
@ René W
Ich glaube, das ist ein Trugschluss. Vergessen Sie nicht, dass friedliche Wähler, die vielleicht gegen die Unabhängigkeit wählen wollten, von der spanischen Regierung mit Gewalt von den Wahlurnen abgehalten worden sind. So etwas darf man als mündiger Bürger nicht akzeptieren, auch wenn man sich dadurch in Schwierigkeiten bringt.
Politiker sollten sich ein klein bisschen mit Psychologie beschäftigen: Härte ezeugt Gegendruck.
Wie so oft sind es wahrscheinlich die weniger gebildeten und älteren Menschen, die mehrheitlich für die Separatisten gevotet haben. Leider ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie eine Unabhängigkeit zu finanzieren ist in der derzeitigen Situation, wo sehr viele Firmen Katalonien verlassen und sich die Regin immer mehr isoliert.