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Neue Offensive gegen Atomkraft

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Die Grünen in Europa wollen eine neue Offensive gegen Atomkraft. Sie sehen innerhalb einer Jahresfrist ein Zeitfenster, um diesen Prozess voranzubringen, so der luxemburgische EU-Parlamentarier Claude Turmes und sein Parteikollege Henri Kox von «déi gréng».

Die Grünen beschäftigen sich wieder verstärkt mit einem ihrer Urthemen, dem Ausstieg aus der Atomkraft. Dabei nehmen sie vor allem die Atompolitik Frankreichs ins Visier, eine der letzten Bastionen in Europa, wo Befürworter der nuklearen Stromgewinnung noch Geschäfte machen können. Und das obwohl Atomstrom teurer ist als die Gewinnung von Strom durch Wind- oder Solarenergie, wie der Geschäftsführer des luxemburgischen Energiekonzerns Jean Lucius jüngst in einem Interview mit dem Tageblatt erklärt hat.

«Kein Investor kommt mehr auf die Idee, neue Atomkraftreaktoren zu bauen», meint daher auch Claude Turmes, der energiepolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament (EP). Es sei denn, es würden weiterhin hohe staatliche Zuschüsse gewährt, die letzten Endes jedoch vom Steuerzahler aufgebracht werden müssen. Und darüber hinaus unfair gegenüber den saubereren erneuerbaren Energiequellen sind.

Eine sterbende Industrie

Diese Praxis wird noch immer in Frankreich betrieben. Dort sei das staatliche Unternehmen Areva vom ehemaligen Präsidenten François Hollande mit fünf Milliarden Euro gerettet und in Orano umbenannt worden, damit es weiter Atomanlagen bauen kann, so Claude Turmes. Mit weiteren zehn Milliarden Euro an «versteckter Finanzzulagen» sei der staatliche Betreiber EDF (Electricité de France) bedacht worden.

Doch auch in Großbritannien scheint der Nuklearenergie weiterhin eine Zukunft zugedacht zu sein. Hinkley Point C werde mit 50 Milliarden Pfund an staatlichen Geldern subventioniert und für 35 Jahre Strompreise garantiert, die weit über den Produktionskosten von Wind- und Solarenergie lägen, berichtet der grüne EP-Abgeordnete weiter, der sich darüber ärgert, dass sowohl im französischen als auch im britischen Fall die Wettbewerbshüter der EU-Kommission und ihr Präsident, Jean-Claude Juncker nicht aktiv wurden. Mittlerweile hat zumindest Österreich, dem sich Luxemburg angeschlossen hat, eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht, um gegen die Subventionierung von Hinkley Point C vorzugehen.

Dabei steigen in Europa immer mehr Staaten aus der Atomenergie aus: Deutschland, Italien, Schweden, die Schweiz und bald auch Belgien, wo in diesem Jahr noch ein entsprechendes Gesetz vorgelegt werden soll, würden sich von der Atomkraft abwenden. In Frankreich hingegen würde EDF den Bau von sechs neuen Reaktoren planen und den Betrieb alter Reaktoren, darunter auch Cattenom, über weitere Jahre hinweg verlängern. Das Land setze, unterstützt vom Präsidenten Emmanuel Macron und dem Premierminister Edouard Philippe, damit weiterhin auf eine Industrie die technisch wie finanziell sterbe. «Außer Frankreich steht kein Land mit relevantem Gewicht mehr hinter der Atomkraft», schlussfolgert Claude Turmes.

Euratom-Vertrag reformieren

Daher will der EP-Abgeordnete weiter Druck auf Paris ausüben. Etwa indem im sogenannten pentalateralen Energieforum, dem die Benelux-Staaten, sowie Deutschland und Frankreich angehören, die Diskussionen über einen CO2-Mindestpreis genutzt werden, den Abbau der Atomenergie zu fördern. Denn immerhin besteht in Frankreich ein Gesetz, das vorsieht, den Anteil an Atomenergie am Stromverbrauch bis 2025 von derzeit 75 auf 50 Prozent zu reduzieren. Das zu erwartende Urteil des EuGH zu Hinkley Point C, das von EDF gebaut werden soll, sieht der Grünen-Politiker ebenfalls als Chance im Kampf gegen die Atomkraft.

Viel erwartet sich Claude Turmes jedoch von einer Reform der seit 1952 bestehenden Euratom-Vertrages. Diese werde mit dem Brexit nötig, doch plädiere auch das EP für eine solche Reform, die ebenfalls explizit im Koalitionsvertrag der deutschen Regierung enthalten sei. Die Reform müsste zu einer Demokratisierung des Vertrages führen, will heißen, dass auch das EP in diesen Fragen mitentscheiden darf. Zudem müssten öffentliche Subventionen für Atomkraftwerke verboten und die Haftungsregeln für die Reaktorbetreiber neu überdacht werden.


Henri Kox: «Wir müssen positive Allianzen bilden»

«Wir müssen positive Allianzen bilden», meint der luxemburgische Abgeordnete der Grünen, Henri Kox, und verweist auf die Unterstützung Österreichs durch Luxemburg bei der Klage gegen die Subventionierung des Baus des Atomkraftwerks Hinkley Point C in Großbritannien vor dem Europäischen gerichtshof. Mit den benachbarten deutschen Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland setze sich das Großherzogtum für die Schließung Cattenoms ein. Möglicherweise werde sich bald auch Berlin an diesem Anliegen beteiligen erklärte am Montag Henri Kox.

Er erinnerte zudem daran, dass die luxemburgische Abgeordnetenkammer sich derzeit mit einem eigenen Haftungsgesetz für Atomunfälle befasst. Anders als in Frankreich, soll das hiesige Gesetz nach einem Unfall eine Haftungsdauer von 30 Jahren vorsehen, in Frankreich sind es bloß zehn Jahre. Zudem soll der Schadenssumme, für die die Reaktorbetreiber haften müssen, keine Grenzen gesetzt werden. In Frankreich beträgt diese Summe maximal 700 Millionen Euro.

Was absolut unzureichend wäre, denn ein Reaktorunfall in Cattenom etwa würde bedeuten, dass in einem Radius von 25 Kilometer alles evakuiert werden müsste. Henri Kox hat für eine der kommenden Chambersitzungen eine Aktualitätsstunde angefragt, während der über den Atomausstieg in Europa diskutiert und über eine Entschließung abgestimmt werden soll, die eine Reform des Euratom-Vertrages fordert.

 

WattVolt
1. Mai 2018 - 10.29

When the sun don't shine and the wind don't blow
then , from where does the energy flow??

Warten wir auf die Wasserstoff-Fusion dann können wir auch alle E-Autos fahren und dann können wir auch wieder ab und zu ein Stück Bio-Fleisch essen,weil die CO2 Bilanz uns das wieder erlaubt. Aber bis dahin sollten die Müslis sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.