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EditorialNazi-Vorfall auf der „Fouer“ zeigt Notwendigkeit politischer Bildung

Editorial / Nazi-Vorfall auf der „Fouer“ zeigt Notwendigkeit politischer Bildung
 Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Sie stehen für das mutige Luxemburg, für das Selbstbild eines Landes, das es gewagt hat, dem übermächtigen Nazi-Regime die Stirn zu bieten. Die Streikteilnehmer vom 31. August und 1. September 1942 waren Vorkämpfer der freiheitlichen Demokratie. Wahre Helden, die für ihren Mut und ihre Entschlossenheit den teuersten aller Preise zahlen mussten.

Auch 80 Jahre später ist es immer noch unsere verdammte Pflicht, die Erinnerung an diese Personen wachzuhalten und das Vermächtnis all jener Frauen und Männer zu ehren, die sich während der Besatzung unter Lebensgefahr für das eingesetzt haben, was sie als richtig empfanden.

Gedenkveranstaltungen sind ein guter Anfang und ein wichtiger Teil der nationalen Erinnerungskultur. Erinnern ist nicht einfach, wie Elie Wiesel, Friedensnobelpreisträger und Überlebender von Auschwitz und Buchenwald, im Abschlussbericht der Kommission des US-Präsidenten zum Holocaust im September 1979 festhält. Die Konfrontation mit den Gräueln der Nazi-Zeit drohe die menschliche Seele zu verletzen und unsere Bequemlichkeit infrage zu stellen. Gleichzeitig aber schärfe sie unser Bewusstsein für die Unsicherheit und Verletzlichkeit des Lebens.

„Darüber zu sprechen, ist unmöglich, darüber zu schweigen, verboten“, schlussfolgert Wiesel. Jeder, der einem Zeugen zuhört, werde selbst ein Zeuge werden. Doch: Die letzten Überlebenden des Holocaust, die letzten Resistenz-Kämpfer, Zwangsrekrutierten und Kriegsdienstverweigerer werden bald verstummt sein. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die nachfolgenden Generationen nicht nur die Erinnerung weitertragen, sondern täglich den Anfängen wehren.

Dass man dies nicht oft genug wiederholen kann, zeigt der jüngste Vorfall um einen Besucher mit „brauner“ Kleidung auf der „Schueberfouer“. Im Brennpunkt steht ein Gruppenfoto, auf dem sich mehrere junge Menschen um einen Mann scharen, der einen Pullover mit der Aufschrift „Kampf der Nibelungen“ trägt. Dass es sich dabei um die größte europäische Kampfsportveranstaltung der rechtsextremistischen Szene handelt, kann wohl nicht jeder wissen. Sollte man aber.

Gut möglich, dass die anderen Protagonisten auf dem Foto die rechtsextremistischen Dresscodes nicht kennen. Die Unschuldsvermutung sollte auch für den Fotografen und den Betreiber jener Seite gelten, auf der die Party-Fotos geteilt wurden. Dennoch hinterlässt es einen äußerst faden Beigeschmack, wenn auf dem beliebtesten Volksfest des Landes braune Gestalten ihre niederträchtigen Botschaften verbreiten können. Denn: Wer mit einem solchen Pullover herumläuft, dürfte sich seines politischen Statements bewusst sein.

Auch die Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen. Etwa wenn die zur Schau getragene Botschaft ein abscheuliches Gedankengut verherrlicht. Restaurantbetreiber, Sicherheitsleute, Fotografen und Besucher – sie alle hätten ein starkes Zeichen gegen Intoleranz, Hass und Gewalt setzen können. Sei es aus Naivität, Unwissenheit, Feigheit oder – man will es sich nicht ausmalen – Zustimmung: Diese Gelegenheit wurde nun verpasst.

Leider ist dies nur eines von unzähligen Argumenten für eine gepflegte Erinnerungskultur. Der Vorfall zeigt die Notwendigkeit einer umfassenden politischen Bildung. In den Schulen, in den Medien, im Alltag. Um den Hass in all seinen Facetten bloßzustellen und Diskriminierung keine Entfaltungsmöglichkeiten zu lassen. Immer und immer wieder. Gestern, heute und in hundert Jahren.

Eric Hamus
3. September 2022 - 13.33

@Dan: Genau das ist ja auch der Punkt des Editorials. Man kann Leuten keinen Vorwurf machen, dass sie diese Veranstaltung nicht kennen. Das bedeutet nicht, dass man ungebildet sei oder Rechtsradikale unterstützt. Sollte man sich aber damit zufrieden geben?

Vielleicht solle man stattdessen diese Themen mehr ansprechen und die Leute auch auf "braune Mode" oder ähnliche Merkmale sensibiliseren. Das ist mit politischer Bildung gemeint.

Ich kannte dieses Event auch nicht, werde aber hellhörig, wenn ich martialische Begriffe wie Kampf im Zusammenhang mit deutschen Sagen und Legenden höre. Durch meine Bildung, Medien und Literatur ist mir bewusst, wie sehr sich Nazis und Neo-Nazis mit diesen Helden-Epen identifizieren.

DanV
2. September 2022 - 16.00

@ Alain

Ach, in Ihren Augen muss man also ein wandelndes Wikipedia sein, sonst ist man gleichgültig und muss sich schämen...

@ JJ

Ich mache mir große Sorgen, weil der braune Schmutz wieder stärker wird und lese viele Artikel dazu, aber trotzdem habe ich von dieser Veranstaltung noch nie was gehört.

Ich wiederhole: man kann nicht alles wissen.

JJ
2. September 2022 - 14.43

@Dan/jo mee,
man sollte schon einen Unterschied zwischen einem "Bier und-Kifferspruch" oder einer Bewegung die Hass und "Reichsrestauration" fordert oder gar den Holocaust leugnet. In Ostdeutschland marschieren die Glatzköpfe wieder und in Italien wird demnächst eine Faschistin die "Führung" übernehmen. Wieso sind Leute wie Trump,Salvini,Wilders,Le Pen möglich heutzutage?? Das hat eindeutig mit Bildungs- und Intelligenzmangel zu tun. Wir könnten schon weiter sein. Und Schäuble hatte wohl unrecht als er meinte: " Einfach nicht beachten."

Alain
2. September 2022 - 11.30

An dan V und jo mee: Ihr redet der Gleichgültigkeit das Wort und steht somit ein für das Vergessen und das Wiederholen der Geschichte. Schämen sollt ihr euch!

DanV
1. September 2022 - 16.06

Nun machen Sie mal halblang, Redaktion!

Kampf der Nibelungen - nie gehört !

Und ich informiere mich täglich in traditionnellen und öffentlich-rechtlichen Medien, nationalen und internationalen, z.B. auch im Tageblatt.

Sollte jede T’shirt-Aufschrift gegoogelt werden, bevor ein Photo gemacht wird? Das wäre absurd.

Man kann nicht alles wissen. Universalgenies gibt es schon lange nicht mehr, bei der Informationsflut, die heutzutage zu bewältigen ist, wenn man einigermassen auf dem Laufenden bleiben will.

Robert Hottua
1. September 2022 - 15.57

Guten Tag Herr Hamus,
laut der Aussage von Herrn WIESEL bin ich ein Intensivzeuge. Die mutigen Streikteilnehmer von 1942 in Luxemburg haben nicht nur dem übermächtigen nationalsozialistischen Besatzer, sondern auch dem vatikanischen Befürworter von kriegerischer Besatzung, von Bomben- und von Euthanasieterror die Stirn geboten. Die Erinnerungskultur an diesen im "Luxemburger Wort" empirisch nachweisbaren, blasphemischen vatikanischen Irrweg existiert aber nicht, weder in Luxemburg, noch sonstwo. Dabei sind die Eltern und Großeltern der luxemburgischen BürgerInnen, sowie alle Katholiken weltweit, Opfer dieser klerikal-faschistischen Hasspropaganda. Hier äußert sich eine dogmatische, alttestamentarische Gottesauffassung, die willkürlich Gottes Willen für die imperialen, hasserfüllten, martialischen Herrschaftsträume einer Diktatur in Anspruch nimmt. Der Vatikan hat vergessen, dass die Liebe Christi keinen Krieg und keine Patientenfolterungen und -tötungen duldet!
Um den Hass in all seinen Facetten bloßzustellen und Diskriminierung keine Entfaltungsmöglichkeiten zu lassen, muss dieses Kapitel der luxemburgisch-vatikanischen Geschichte von einer internationalen, unabhängigen Wahrheits- und Versöhnungskommission tabulos aufgeklärt und immer und immer wieder in Schule, Medien und Gesellschaft besprochen werden. Gestern, heute und in hundert Jahren.
▪ "Menschlichkeit erwächst aus der Verantwortung für die Vergangenheit." (Angela Merkel, Jerusalem, 18.03.2008)
▪ "Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit." (Elie Wiesel)
MfG, Robert Hottua, 2004 Gründer der LGSP (Luxemburger Gesellschaft für Sozialpsychiatrie), zur Aufklärung der Konsequenzen der Euthanasiebefürwortung in Luxemburg

jo mee
1. September 2022 - 10.43

So verdammenswert extremistische Gesinnungen auch sind, muss trotzdem irgendwann aufgehört werden hinter allem und jedem die mögliche Verbindung zu möglichen Neo-Nazis zu suchen.
Sonst müsste auch das Tragen von T-Shirts mit Sprüchen die Bier- oder Kiffer-seeligkeit preisen in Frage gestellt werden wegen Suchtgefährdung.
Wenn die Niederländer von AH sprechen, denken sie dann an ihren Supermarkt oder den bekloppten Österreicher ?
Mit etwas Mühe kann man fast Alles in Verbindung mit dem NS bringen, muss dann Alles abgeschafft werden?

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Lieber Leser,
hier werden keine fernliegenden Vergleiche gezogen. Wie der Autor im Kommentar schreibt, handelte es sich um ein T-Shirt, das unmissverständlich zu einer Veranstaltung gehörte, die z.B. bei Wikipedia als "die größte Kampfsport-Veranstaltung der neonazistischen Szene Deutschlands beziehungsweise Europas" bezeichnet und von entsprechenden Szenegrößen organisiert wird.
- Beste Grüße aus der Redaktion