Unklar, unsozial, unfair: Romain Schneiders Reform der Pflegeversicherung trifft auf harte Kritik. Alles nur ein Missverständnis, so der Minister. Bis Mitte Juni sollen Mängel behoben werden.
Für Netty Klein ist die Sache klar: Mindestens 900 Personen sind durch die Reform der Pflegeversicherung benachteiligt – und zwar deutlich. Es handelt sich dabei um die „Schwächsten der Schwächsten“, so die Generalsekretärin der Copas, des Dachverbandes der Pflegedienstleister: Menschen mit Demenzkrankheiten, neurotischen Störungen oder geistigen Behinderungen. Laut Klein geht es bei der Kritik an Schneiders Reform längst nicht mehr nur um die sogenannten „Courses-sorties“, die Einkaufshilfen, die ursprünglich wegfallen sollten, sondern um fundamentale Pflegebedürfnisse.
Denn das Gesetz sieht vor, dass Personen in Zukunft wöchentlich noch maximal ein Recht auf fünf Stunden Individualpflege haben. Und das vollkommen unabhängig vom Bedürfnis der Personen, so die Generalsekretärin. Das Problem: Manche Personen benötigen aufgrund ihres Pflegezustands deutlich mehr Stunden. Die Forderung: Pflege müsse individuell je nach Bedürfnis flexibel berechnet werden und nicht nach einem pauschalen Wert. Das Argument: Pflege soll sich nach dem Empfänger und nicht nach dem Beitragszahler richten.
Kompromissbereit
Romain Schneider kann die Einwände der Copas sowie anderer Partner aus dem Gesundheitssektor verstehen. Er nimmt die Kritik sportlich und zeigt sich für Nachbesserungen bereit. Bereits am Donnerstag auf der Generalversammlung der Copas in Mondorf hat er offen Zugeständnisse gemacht. Gegenüber dem Tageblatt bestätigt er nochmals, dass es sich dabei eigentlich um ein Missverständnis handelt. „Ich habe von Beginn an gesagt, dass wir nach drei Monaten eine Bilanz ziehen und gegebenenfalls Anpassungen machen werden.“ Das heißt im Klartext: Schneider beugt sich den Bedenken und Wünschen des Sektors. Die „Courses-sorties“ werden auch in individualisierter Form weiter bestehen. Und auch bei der spezialisierten Unterstützung, den „Activités d’appui à l’indépendance“ (AAI), zeigt sich der Minister kompromissbereit. „Jede Person wird so viele Pflegestunden erhalten, wie sie benötigt. Punkt.“
Ob diese Rolle rückwärts die Reform denn nicht unterwandere? „Nein“, so die klare Antwort des Sozialversicherungsministers. Denn letztlich ginge es um eine Modernisierung und Qualitätssteigerung der Pflege. Und die habe man erreicht.
Der finanzielle Mehraufwand, der sich durch die Nachbesserungen des Gesetzes ergeben wird, sei laut Schneider dabei verkraftbar. Zahlen wollte er keine nennen – eine Anhebung der Beiträge werde es jedoch nicht geben.
Der Minister will die Änderungsvorschläge noch Mitte Juni dem Kabinett vorlegen. Da er laut eigenen Angaben auf die Rückendeckung des Parlaments zählen kann und auch nicht von größeren Einwänden des Staatsrats ausgeht, sollen die Reformen der Reform noch im Juli im Parlament verabschiedet werden. Netty Klein wird es freuen.
Pol Schock
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