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EditorialMut zur Farbe im Sport: Warum die Lobby-Arbeit der Engländerinnen notwendig war

Editorial / Mut zur Farbe im Sport: Warum die Lobby-Arbeit der Engländerinnen notwendig war
Beth Mead (2.v.r.) war das Sprachrohr der englischen Nationalmannschaft Foto: AFP/Lindsey Parnaby

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Für den einen ist es womöglich nur eine simple Randnotiz, für die Betroffenen dagegen ein Zeichen des Umdenkens und des Gehörtwerdens. Am Donnerstagabend werden die englischen Fußballnationalspielerinnen erstmals in dunkleren Shorts antreten. Es ist das Ergebnis einer Art inoffiziellen Kampagne der Mannschaft. Der Guardian nannte es eine „konzentrierte Lobbyarbeit“: Die Trikots, inklusive der problematischen kurzen Hosen, ändern ihre Farbe und sind in Zukunft nicht mehr schneeweiß. 

Junge Mädchen und Frauen werden die Notwendigkeit erkannt haben. Die englische Nationalspielerin Beth Mead drückte es folgendermaßen aus: „Es ist sehr schön, ein ganz weißes Trikot zu haben, aber manchmal ist es nicht praktisch, wenn es diese Zeit des Monats ist.“ Das Thema Menstruation ist nicht erst seit gestern im Spitzensport angekommen – und spätestens nach der (ähnlichen) Wimbledon-Diskussion im vergangenen Sommer haben sich nun auch die Sportartikel-Hersteller darauf eingestellt, ihre Kollektionen nach den Anliegen der Athletinnen zu gestalten. 

Dass die Engländerinnen ausgerechnet zur allerersten „Finalissima“ – einem interkontinentalen Endspiel zwischen den amtierenden Europameisterinnen und den Copa-America-Gewinnerinnen aus Brasilien – in ihrer neuen blauen Garderobe auflaufen werden, unterstreicht die Symbolik: Das Interesse am Frauen-Fußball war nie größer, das Wembley-Stadion schon im Januar ausverkauft. Die Profispielerinnen haben ihren Einfluss und ihre Popularität nach dem Titelgewinn im Sommer 2022 genutzt, um eine anhaltende Sorge ins Licht zu rücken, die ihre Konzentration auf dem Platz beeinflussen könnte. Es war ein solidarischer Akt, wie Mead hinzufügte: „Wir gehen damit (mit der Menstruation) so gut um, wie wir können, aber wir haben das Problem mit den Shorts gemeinsam im Team besprochen und unsere Ansichten an Nike weitergegeben.“

Im Endeffekt ist die neue Kollektion aus Sicht des Sportartikel-Herstellers selbstverständlich auch ein strategischer und medialer Marketing-Coup. Und doch bleibt es aus Sicht der Fußballerinnen ein Sieg außerhalb des Stadions, den andere Teams bereits hinter sich haben. Die Frauen des Erstligisten Manchester City haben ihren Willen durchgesetzt und der Firma Puma im Hebst mitgeteilt, dass man den Rest der Saison in den weinroten Auswärts-Shorts spielen würde. Nächste Saison sollen die weißen Hosen komplett aus dem Sortiment verschwinden, versprach der Produzent.

Und genau dieser Punkt ist entscheidend: Etwaige Barrieren und Ängste, mit denen sich logischerweise auch Nachwuchs- oder Freizeitsportlerinnen beschäftigen, werden damit aus der Welt geschafft. Jüngere Athletinnen sind oft nicht selbstbewusst genug, sich so stark zu machen, wie es die englische Nationalmannschaft getan hat. Indem man Frauen mit einem einfachen Farbwechsel entgegenkommt und ihnen dadurch die Angst einer öffentlichen Demütigung nimmt, senkt man das „Drop-out“-Risiko sowie die Stigmatisierung und Schamgefühle gleich mit.