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Mit gespielter Lebensmittelvergiftung den Urlaub finanzieren

Mit gespielter Lebensmittelvergiftung den Urlaub finanzieren

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Wenn britische Touristen über eine Lebensmittelvergiftung klagen, schalten spanische Hoteliers mittlerweile einen Privatdetektiv oder gar die Gerichte ein – denn meist handelt es sich um Abzocke. Seit einiger Zeit ertrinken Spaniens Hotels in einer Flut ungerechtfertigter Schadenersatzforderungen. Das britische Verbraucherschutzgesetz macht den Betrug möglich: Viele Touristen wollen mit ihm ihren Urlaub finanzieren – den Hoteliers aber beschert er inzwischen Verluste in Millionenhöhe. Nun ziehen sie die Notbremse.

In der laufenden Urlaubssaison wurden nach Angaben des Hotelverbands CEHAT bereits mehr als 10.000 fingierte Klagen eingereicht – verglichen mit 600 in der Saison 2015/2016.

Meist stehen hinter den Klagen eigens dafür gegründete Kleinunternehmen, die ihren Kunden Entschädigungen in Höhe von tausenden von Pfund versprechen. Mehr als 90 Prozent dieser Klagen aber sind laut CEHAT-Präsident Ramón Estalella fingiert. Praktisch alle Kläger seien Briten, sagt Estalella. Sie stellten mit 16 Millionen Reisenden im vergangenen Jahr die größte Touristengruppe in Spanien.

Auch Türkei betroffen

Laut dem britischen Reiseverband ABTA stieg die Zahl der im Ausland klagenden Briten in den vergangenen drei Jahren um 500 Prozent, wobei auch andere Reiseziele wie etwa die Türkei betroffen seien. Schuld ist das britische Verbraucherrecht, das von Klägern kein medizinisches Attest verlangt und bis zu drei Jahre nach dem Hotelaufenthalt noch Beschwerden erlaubt. «Ich bin mir sicher, gäbe es dieses Gesetz in Deutschland, Spanien oder Frankreich, würden die Leute dort das Gleiche tun», sagt Estalella.

Er erzählt, wie britische «Schadenmanagement»-Unternehmen in den spanischen Urlaubsorten offen für die Betrugsmasche werben. Auf der Kanareninsel Teneriffa beispielsweise, wo Briten mehr als ein Drittel der Urlauber stellen, fuhr im vergangenen Jahr ein Krankenwagen mit der Aufschrift «Claims Clinic» (Beschwerdeklinik) seine Runden. In dieser Saison liegen die Schadenersatzforderungen nach Angaben des Hotelverbandes bereits bei 100 Millionen Euro – und noch ist sie nicht zu Ende.

Erste Festnahme

Bisher regelten die Betriebe die Klagen meist gütlich, um langwierige und kostspielige Prozesse in Großbritannien zu vermeiden. Aber angesichts des steilen Anstiegs der betrügerischen Klagen schlugen sie im Mai bei einem Treffen mit Vertretern der britischen Botschaft in Spanien Alarm. Daraufhin änderte das britische Außenministerium seine Reisewarnungen: Vorgetäuschte Klagen in Spanien könnten strafrechtliche Konsequenzen haben, heißt es da nun.

Im Juni dann nahm die Polizei einen in Mallorca lebenden Briten fest, weil er in der Umgebung von Hotels für fingierte Klagen geworben hatte. Festgenommen wurde der Mann im Zuge umfangreicher Ermittlungen nach einer Klage des Hotelkomplexes Club Mac in Port de Alcúdia im Norden Mallorcas.

Mehr als hundert Gin-Tonics

Mithilfe von Privatdetektiven seien der Polizei umfangreiche Beweise geliefert worden, darunter Fotos und Dokumente, die Schadenersatzforderungen von fast tausend britischen Kunden der drei Hotels widerlegen könnten, erklärt Carolina Ruíz von der beauftragen Anwaltskanzlei Monlex Abogados.

So belegen etwa die Barquittungen eines Mannes, der das All-Inclusive-Resort wegen Magen-Darm-Beschwerden verklagte, Bestellungen von mehr als hundert Gin-Tonics während seines Aufenthaltes. «Seine ‹Lebensmittelvergiftung› hatte vielleicht andere Gründe», sagt die Anwältin ironisch. Auch andere Hotels schlagen inzwischen juristisch zurück: Der Hotelkomplex Ponderosa in Teneriffa verklagte im Mai einen Briten und seine Anwälte wegen Verleumdung.

Andere Touristenresorts drohen, keine All-Inclusive-Pauschalen mehr an britische Touristen zu verkaufen. Auch der britische Reiseverband ABTA versucht nun, mit einer Kampagne gegenzusteuern: Für die Betrügereien müssten letztendlich alle bezahlen, weil sie den Preis der Pauschalen nach oben treiben.

michel konrad
5. August 2017 - 19.04

Ohoh, diese Britten. Blauäugig beim Gesetzesentwurf...