Ibrahim Barry (26) hatte einen Traum: die Arbeitslosigkeit im Senegal zu überwinden. Sein neues Leben verwandelte sich in Libyen in einen Albtraum: Der Senegalese wurde misshandelt, diskriminiert und muss am Ende wieder nach Hause zurückkehren.
Tageblatt-Chefredakteur Dhiraj Sabharwal hat sich mit Barry unterhalten, während der Senegalese am Flughafen in Tripolis auf den Flieger wartet, der ihn zurück in seine Heimat bringen soll.
Der Hangar nahe des Mitiga International Airport in Tripolis ist voller gescheiterter Existenzen. Fragende, müde Gesichter blicken einem entgegen. Die einen haben sich fast zu Tode geschuftet, die anderen wurden regelrecht versklavt. Alle haben zumindest in einer Hinsicht die gleiche Erfahrung gemacht: Sie, die Männer, Frauen und Kinder aus Kamerun und Senegal, kamen nach Libyen und wurden bitter diskriminiert. Einer von ihnen ist Ibrahim Barry (26). Er sitzt auf einer Bank zwischen Bekannten, Freunden … so recht kann man es nicht einschätzen, eine Antwort will niemand geben. Barry ist der Einzige, der sich traut, auf das Gespräch einzugehen. Im Hintergrund werden Menschen durch Kontrollen geschickt und müssen Sicherheitschecks über sich ergehen lassen. Sie sollen gleich per Flieger in ihre Heimat zurückgeflogen werden. Freiwillig. Wie freiwillig dies jedoch wirklich ist, beschreibt Barry, ohne zu zögern.
Tageblatt: Wieso bist du nach Libyen ausgewandert?
Ibrahim Barry: Ich bin nur wegen der Arbeit nach Libyen gekommen. Einige von uns aus Senegal haben in Restaurants gearbeitet. Andere waren im Handwerk tätig. Wir haben eine Perspektive gesucht.
Wie lange warst du insgesamt in Libyen?
Ich habe es ein Jahr lang in Libyen ausgehalten, davon saß ich fünf Monate im Internierungslager.
Was hast du in Libyen erlebt?
Libyen ist einfach ein ganz anderes Land. Dennoch: Es ist nicht so, als ob wir nicht bleiben wollten. Es ist aber eine Frage der Sicherheit. Wir müssen das Land verlassen. Hier werden viele Menschen getötet. In diesem Land gibt es keine Sicherheit. Man kann jederzeit angegriffen werden. Nur weil man schwarz ist. Wenn man in diesem Land ein Schwarzer ist, ist man verloren.
Wie meinst du das?
Du landest als Schwarzer sehr schnell im Gefängnis oder in einem Internierungslager.
Wie hat man dich behandelt?
Ich wurde selbst Opfer von Gewalt. Auch viele meiner Bekannten wurden misshandelt.
Bevor man Barry jedoch nach präziseren Ausführungen fragen kann, blickt er kurz hoch und wirkt ängstlich, skeptisch. «Bitte schalten Sie das Aufnahmegerät kurz aus.» Er hält kurz inne. «Ihnen hier alles zu erzählen, ist sehr gefährlich. Ich habe Ihnen bislang nur einen Bruchteil der Wahrheit erzählt, die ich hier erlebt habe. Als Schwarzer ist man hier nichts wert.» Er wartet kurz. Aus dem Nichts folgt: «Ich hoffe, dass Sie kein Libyer sind.» Er hält sein Gegenüber für einen Polizisten oder ein Milizen-Mitglied, das ihn verraten oder in Lebensgefahr bringen könnte. Nach einigen Erklärungen, die ihm plausibel erscheinen, sieht man ihm die Erleichterung direkt an. Er lächelt und öffnet sich wieder.
Wie hat man dich bei deiner Ankunft behandelt?
Wenn du als Jugendlicher nach Libyen kommst und sie dich in irgendeinem Viertel aufschnappen, weil du ein illegaler Migrant bist, können sie dich einfach töten. Ein Schwarzer wird hier wie ein Hund oder ein Schaf behandelt.
Du hast in Libyen gearbeitet. Wie sind die Arbeitsbedingungen?
Es ist nicht einfach, in Libyen zu arbeiten. Man muss englisch oder arabisch reden. Selbst, wenn du wie ich ein Universitätsstudium in Französisch abgeschlossen hast, wird man nicht wahrgenommen, geschweige denn geschätzt. Wenn man das lange Zeit mitmacht, entscheidet man sich irgendwann dazu, freiwillig zurückzukehren. Du wirst wie schwarzer Dreck behandelt.
Du warst selbst in einem Internierungslager. Was hast du erlebt?
Ich habe nur wenig Nahrung erhalten. Ein wenig am Morgen, ein wenig am Abend. Wir haben Wasser aus der Toilette getrunken. Wer sich wehrt, wird gefesselt und gequält. Wir haben keine Wahl. Sie können einige von uns schlagen, bis sie sterben. Ich habe solche Torturen erlebt. Ich bin deswegen auf einem Ohr taub.
Hilft die Polizei in Libyen Migranten?
Man braucht nicht zur Polizei zu gehen. Die sagt einem dann ganz einfach: Dann werdet ihr in euren Heimatstaat geflogen. Ich saß zum Beispiel fünf Monate in einem Internierungslager. Ich wollte der Polizei von der Gewalt und all der Ungerechtigkeit erzählen, die mir widerfahren ist. Was ist passiert? Ich wurde inhaftiert. Ich habe bis zu meiner Rückführung kein Tageslicht mehr gesehen. Es war auch dort, wo man mich angegriffen hat. Jeder fing auf einmal an, den anderen zu bedrohen. Das ging so weit, dass Menschen sich gegenseitig töteten. Ich hatte Glück, dass ich diesem Teufelskreis entkommen bin.
Demnach freust du dich über deine Rückkehr nach Senegal?
Ich wollte eigentlich nicht zurückkehren. Ich bin Student. Ich habe meine Heimat Senegal verlassen, um in Libyen mein Glück zu finden. Ich wollte nicht einmal nach Europa. Ich habe in meinem Land gelitten und wollte in einem Nachbarstaat ein neues Leben beginnen. Ich habe mein Studium abgeschlossen, aber im Senegal keine Arbeit gefunden. Man hat mir gesagt, ich soll Bauer werden und auf dem Acker arbeiten. Ich wollte aber einen anständigen Job und auch meinem Studium entsprechend verdienen. Außerdem hatte ich gar nicht das Material, um Bauer zu werden. Und wie sollte ich mir das bitte als Arbeitsloser leisten? Ich bin aber nicht direkt weggelaufen. Ich habe zwei Jahre lang alles versucht, um im Senegal ein besseres Leben zu führen. Am Ende geht es all den Leuten wie mir gleich: Man ist gezwungen, auszuwandern.
Hast du noch Verwandte im Senegal?
Viele von uns haben keine Familie, weil ihre Eltern entweder nicht mitreisen können, da sie zu alt sind, es nicht wollen oder bereits gestorben sind. Sie haben keine Unterstützung. Auch nicht bei ihrer Rückkehr.
Was erwartet dich im Senegal?
Ich werde im Senegal ankommen und arbeitslos sein. Meine ganzen Studien waren umsonst. Ich bin 13 Jahre zur Schule gegangen und habe 4 Jahre Uni drangehangen. All das war umsonst. Ich bin 26 Jahre alt. Wie soll ich so eine kleine Familie gründen?
Ein zweiter Senegalese klinkt sich ein. «Es ist für uns alle die gleiche Misere.» Er wirkt abwesend, aber gefasst. Müde, unendlich müde. Aber er will sich mitteilen. «Wir müssen nach Hause fliegen, sonst sterben wir in den Internierungslagern. Wir sind einfache Leute hier wie die anderen Immigranten auch, aber alles, was wir in Algerien und in Tunesien erlebt haben, ist nicht mit dem vergleichbar, was hier in Libyen passiert.» Er schweigt. Auch Barry schweigt. «Selbst wenn man uns Hilfsmittel schickt, haben wir nicht einmal genug Wasser zum Trinken. Die Hilfsmittel erreichen uns gar nicht. Libyen ist wohl das einzige Land, das menschliche Wesen wie Tiere behandelt. Die Tiere haben hier vielleicht sogar einen höheren Stellenwert als die Immigranten. Man schlägt uns wie Tiere, um uns gefügig zu machen.»
De Problem vun Afrikaner déi keng Aarbecht hunn a versichen an Europa ze kommen ass esou net ze léisen. et sollt 100-200 Milliounen Leit an deenen Länner do ginn déi wëllen an Europa kommen fir eng Aarbecht ze kréien...ewéi soll dat dann goen? Afrika ass räich un Ressourcen, firwat entwéckelt sech dee Kontinent wirtschaftlech net a schaaft Aarbechtsplazen fir seng Leit....?
Dass ein Mann der Arbeitslosigkeit in seinem Land entschwinden will, ist voll verständlich. Es stört mich allerdings, und dies glaube ich ist im Interesse der Flüchtlinge die vor Krieg, Naturkatastrophen flüchten , solche Menschen als Flüchtlinge zu bezeichnen. Das Wort Wirtschaftsflüchtling hat einen faden Beigeschmack, stellt es doch die Kriegsflüchtlinge gleich auf dieselbe Stufe , obschon gravierende Unterschiede bestehen. Kriegsflüchtlinge nimmt man gerne auf, Wirtschaftsflüchtinge birgen die Gefahr in sich Arbeitsmärkte mit billiger Arbeiterware zu überschwemmen und ganze Gesellschaften ins politische Wanken zubringen. (...)