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#MeToo: Hollywood nach Weinstein

#MeToo: Hollywood nach Weinstein

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Die Post-Weinstein-Ära hat begonnen. Jahrelang war der Hollywood-Produzent Stammgast bei der Oscar-Gala, sein Film «Shakespeare in Love» wurde 1999 zum besten Film gekrönt. Bei der 90. Oscar-Verleihung jedoch war Weinsteins Anwesenheit nicht erwünscht – und doch prägte der Skandal um ihn selbst, um Vorwürfe der sexuellen Übergriffe und die daraus entstandene #MeToo-Bewegung, die Gala in Los Angeles. Die Filmbranche ist kräftig durchgerüttelt worden und muss sich nun neu sortieren. Derweil kämpfen Weinstein und seine Anwälte ihre juristische Abwehrschlacht.

Kurz vor der Oscar-Verleihung war bekannt geworden, dass Weinsteins Filmstudio nun doch noch verkauft wird – an eine Gruppe von Frauen um die Unternehmerin und Beraterin des früheren US-Präsidenten Barack Obama, Maria Contreras-Sweet. Das Studio soll in ein von Frauen dominiertes Unternehmen umgewandelt werden. Auch 90 Millionen Dollar Entschädigungszahlungen an Opfer sind eingeplant. «Es ist ironisch, aber positiv, dass eine Frau in den Kauf involviert ist», sagt die Schauspielerin Katherine Kendall der Branchenplattform Deadline.

Wie und an wen genau das Geld verteilt werden soll und welche Mitarbeiter des Filmstudios bleiben dürfen, ist allerdings noch völlig unklar. «Man muss wirklich hoffen, dass das neue Management angemessen mit den Mitarbeitern umgeht, die Harvey Weinsteins Verhalten zugelassen oder weggeschaut haben», sagt Kendall.

Mehrere Verfahren gegen Weinstein

Die Schauspielerin ist eine von mehr als 80 Frauen, die Weinstein sexuelle Belästigung und Übergriffe bis hin zu Vergewaltigung vorwerfen. Weinstein wurde daraufhin im Oktober von seinem Studio entlassen, auch die Oscar-Academy warf ihn raus. Der Produzent hat Fehlverhalten eingeräumt, aber Vorwürfe von nicht-einvernehmlichem Sex immer wieder zurückgewiesen. Die Weinstein-Enthüllungen lösten die #MeToo-Debatte aus – eine weltweite Bewegung, bei der Hunderttausende Betroffene über eigene Erfahrungen berichten und Missbrauchsvorwürfe öffentlich machen. Die Debatte ist längst in Dutzende Branchen und Länder vorgedrungen.

Weinstein selbst soll sich derzeit in Therapie befinden. Seine Frau hat sich von ihm scheiden lassen. Ob – und wenn ja, wann – es zum Prozess gegen den Ex-Mogul kommt, ist unklar. Derzeit werden mehrere Verfahren in Los Angeles, New York und Großbritannien geprüft. Ende Februar entschuldigte sich Weinstein dafür, die Namen der Schauspielerinnen Meryl Streep und Jennifer Lawrence in einem Verfahren benutzt zu haben. Zuvor hatten Weinsteins Anwälte versucht, ein Gericht in New York davon zu überzeugen, dass eine Klage von sechs Frauen gegen den mutmaßlichen Sexualstraftäter abzulehnen sei.

Die Anschuldigungen seien übertrieben, da die Klage impliziere, dass jede Frau, mit der Weinstein beruflich zu tun hatte, von ihm belästigt worden sei. Einige Schauspielerinnen hätten jedoch gesagt, dass Weinstein sie nicht belästigt habe. Die Anwälte beriefen sich dabei unter anderem auf frühere Äußerungen von Streep und Lawrence, dass sie persönlich von Weinstein respektvoll behandelt worden seien. Streep und Lawrence reagierten empört.

«Casting-Couch wurde nicht von Weinstein erfunden»

Und Weinsteins Anwalt Benjamin Brafman zeigt sich knallhart. Er sei überzeugt, dass sein Mandant nicht verurteilt werden würde, denn er habe sich keiner Vergewaltigung im strafrechtlichen Sinne schuldig gemacht, sagte Brafman der britischen Sunday Times. «Wenn eine Frau entscheidet, dass sie Sex mit einem Hollywood-Produzenten haben sollte, um ihre Karriere voranzubringen, das dann tatsächlich tut und die ganze Sache abstoßend findet, dann ist das keine Vergewaltigung. Sie hat eine bewusste Entscheidung getroffen, etwas zu tun, was sie persönlich abstoßend findet, um ihrer Karriere zu helfen.» Natürlich sei so etwas in vielerlei Hinsicht schlecht, sagt Brafman, betont aber auch: «Die Casting-Couch in Hollywood wurde nicht von Harvey Weinstein erfunden.»

Doch Weinsteins Opfer haben sich zusammengeschlossen, geben sich nun ebenfalls knallhart und stellen klar: Die #MeToo-Bewegung ist nicht mehr aufzuhalten, «Time’s Up» (Die Zeit ist vorbei). «Die Veränderungen, die wir beobachten, werden von dem starken Sound neuer Stimmen angetrieben – anderer Stimmen, unserer Stimmen», sagte Schauspielerin Ashley Judd auf der Bühne der Oscar-Gala, wo sie gemeinsam mit ihren Kolleginnen Annabella Sciorra und Salma Hayek auftrat. Alle drei hatten sich als Opfer von Weinsteins Misshandlungen geoutet.

Und hoffen auf eine bessere Zukunft der Branche: Die nächsten 90 Jahre sollten im Zeichen der «grenzenlosen Möglichkeiten von Gleichheit, Vielfalt und Inklusion» stehen, sagte Judd. «Das ist es, was dieses Jahr uns verspricht.»