Die Wahlen finden in weniger als zwei Monaten statt. Vor allem für Erstwähler kann die Entscheidung, wo man sein Kreuz setzen soll, eine schwierige sein. Drei von ihnen haben dem Tageblatt ihre Gedanken über die Wahlen mitgeteilt.
Von Misch Pautsch
Am 14. Oktober sind in Luxemburg Parlamentswahlen. Noch verläuft der Wahlkampf relativ ruhig, auch wenn die meisten Parteien ihre Programme bereits vorgestellt haben oder dies in naher Zukunft tun werden. Wählen ist in Luxemburg Pflicht – und Pflichten sollen nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt werden. Beides setzt voraus, dass der Wähler weiß, was er tut. Drei Erstwähler berichten, ob ihr erstes Kreuz für sie ein Schuss ins Blaue ist, voll ins Schwarze trifft oder ob sie sich noch ein wenig mit den unterschiedlichen Parteien und Kandidaten auseinandersetzen müssen.
Coleen, 21
Ich habe das Gefühl, dass über das Thema gerade sehr wenig gesprochen wird. Ich weiß zum Beispiel zurzeit nur darüber Bescheid, wer bei den Grünen auf der Liste steht, weil ich einige Leute kenne, die bei ihnen aktiv sind. Aber von den anderen Parteien habe ich noch nichts gehört, was ich eigentlich sehr schade finde. Ich selber bin bei der «Voix des jeunes femmes» aktiv und eine ganze Reihe unserer Punkte stimmen mit dem Programm der Grünen überein, auch wenn wir politisch mit keiner bestimmten Partei verbunden sind.
Dennoch würde ich aktuell sagen, dass ich sehr dazu neige, die Grünen zu wählen, auch weil sie sehr viele jüngere Mitglieder haben. Es fühlt sich an, als ob die meine Interessen eher vertreten als 50- oder 60-Jährige. Auch die LSAP wäre eine Option, auch wenn die mich in den vergangenen Jahren nie direkt angesprochen hat. Was ich jetzt in den sozialen Medien über sie lese, gefällt mir dann doch relativ gut, schon allein, weil ich selber doch ziemlich liberal eingestellt bin. Alles, was ich bisher von ihrem Programm weiß, klingt auf jeden Fall ziemlich gut.
Ich werde mir die Wahlprogramme natürlich noch ein bisschen genauer anschauen, aber ich glaube, ich kann jetzt schon sagen, dass ich mich bisher immer am wenigsten von der CSV angesprochen gefühlt habe. Eine sehr alte Partei, die so lange an der Macht war, mit einem typisch luxemburgischen Mindset, nicht mehr wirklich modern. Als direkt christlich würde ich mich auch nicht bezeichnen. Ich habe ehrlich gesagt ein bisschen Angst, weil ich glaube, dass viele Leute nicht wirklich mit der DP zufrieden waren, weil sie endlich die nötigen Dinge umgesetzt hat, über die die CSV immer geredet hat, aber nie selbst umsetzen wollte. Ich denke, dass die DP dadurch relativ viel Popularität eingebüßt hat und die Leute sich wieder an die CSV wenden werden. Ich hoffe wirklich, dass das nicht passieren wird.
Dass die Hälfte der Leute, die hier im Land leben, nicht wählen dürfen, ist auch ein großes Problem, denke ich. In dem Kontext habe ich auch beim berüchtigten Referendum vor drei Jahren auch drei Mal «Ja» gestimmt, obwohl ich wusste, dass keine der Ideen sich durchsetzen würde.
Auch habe ich oft das Gefühl, dass in der politischen Debatte die Idee vorherrscht, dass junge Menschen noch nicht die Erfahrung haben, mitzuentscheiden: «Du bist so jung, was weißt du denn schon?» Dennoch wird das Thema glaube ich immer zugänglicher für uns, insbesondere durch das Internet, wenn man nicht jeden Tag die Zeitung lesen muss. Es wäre eine gute Idee, wenn die Parteien ihre Online-Präsenz ausbauen würden, denn es ist schon recht schwierig, als Luxemburger online an seine Nachrichten zu kommen. Ob man will oder nicht, die Nachrichten des Auslandes dominieren. Wenn man dann auch noch im Ausland studiert, wird es noch schwieriger, zu erfahren, was bei uns passiert. Außerhalb der Wahlen wird dann auch leider kaum über das Thema geredet.
Pit, 19
Ich würde eher sagen, dass ich nicht sehr informiert bin, weil ich selber noch nicht wirklich recherchiert und auch von außen her noch nicht viel mitgekriegt habe. Eine grobe Idee habe ich schon, aber keine präzise Vorstellung der einzelnen Programme oder Ideen. Dadurch dass man passiv Dinge mitkriegt, weiß ich schon, wer mit wem klarkommt und gegen wen wettert und dass «Gambia» und CSV sich gegenüberstehen, aber sonst weiß ich nicht direkt viel. Bevor es mit den Wahlen losgeht, habe ich aber vor, mich weiter zu informieren.
Bei den Gemeindewahlen habe ich die Grünen gewählt, weil ich das Gefühl hatte, dass sie die fortschrittlichsten Ideen hatten, insbesondere was Nachhaltigkeit betrifft. Deshalb würde ich sagen, dass ich auch jetzt für die Parlamentswahlen dazu tendieren würde, grün zu wählen. Aber bevor ich mich festlege, werde ich mich wie gesagt noch genauer informieren. Gleichzeitig würde ich sagen, dass es unmöglich ist, eine Partei zu finden, mit der ich mich zu 100 Prozent identifiziere. Es gibt dennoch durchaus Parteien, von denen ich glaube, dass sie meine Interessen eher vertreten als andere. Viele junge Leute, denke ich, haben das Gefühl, dass die «klassischen» Parteien sie nicht so vertreten wie die «jüngeren», wie eben die Grünen oder auch die Piratenpartei. Das ist ein Gefühl, das ich auch habe. Während die klassischen Parteien sich zwar so darstellen, als ob sie junge Leute ansprechen würden, habe ich nicht unbedingt den Eindruck, dass sie das auch wirklich tun.
Auch finde ich es interessant, dass Politiker direkt vor den Wahlen plötzlich überall zu sehen sind und die Interessen von absolut jedem vertreten wollen, dann in der Mitte der Legislaturperiode urplötzlich wieder jedes Interesse verlieren. Das stimmt mich dann doch etwas stutzig. Engagement sollte eine Konstante sein, nicht die Ausnahme.
Die Regierung der letzten Legislaturperiode könnte ich nicht fair einschätzen, weil ich während der Zeit, in der sie gearbeitet hat, zu jung war, um wirklich mitzubekommen, was getan wurde. Aber auch weil ich keinen Vergleich mit anderen Regierungen ziehen könnte.
Ein Gesprächsthema unter Freunden ist Politik auch nicht wirklich, außer wenn ein Event gerade polemisch in den Medien diskutiert wird. Wen ich wählen würde und wieso, darüber habe ich allerdings noch nie mit Freunden diskutiert. Wohl auch, weil sich Politik manchmal anfühlt, als ob sie sich eher an ältere Menschen richtet. Das ist natürlich ein falscher Eindruck, denn junge Menschen sollten dann doch die Zukunft mit beeinflussen, aber leider fühlt es sich oft so an, also ob dies von den Parteien nicht unbedingt erwünscht oder ermutigt wird.
Wie man Politik weniger altmodisch gestalten kann, das weiß ich leider auch nicht.
Fränk, 20
Um es kurz zu machen, weiß ich von dem Thema gar nichts. Ich könnte versuchen, nach gut klingenden Erklärungen zu suchen, aber um ehrlich zu sein, ist Politik einfach kein Bereich, der mich interessiert, und ich habe kein Interesse, mich in das Thema hineinzulesen. Da ich in Mainz lebe, kriege ich auch passiv nichts davon mit. Ich fühle mich also definitiv nicht von den Entscheidungen von «denen da oben, die was zu sagen haben», angesprochen. Ich glaube einfach, dass ich nicht in ihrer Zielgruppe bin: die «Wichtigen», die dazu beitragen, dass das Land funktioniert, wie es soll.
Deshalb habe ich aktuell auch keine Ahnung, wen ich wählen werde. Wie die meisten werde ich mir die Programme anschauen, aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich danach wirklich über alles informiert sein werde. Die Programme sind so breit gefächert, dass es schwierig ist, den Überblick zu behalten und ich möchte keine Partei unterstützen, nur weil ich ihr in einem oder zwei Punkten recht gebe. Ich habe also offensichtlich auch noch keine Ahnung, welche Partei ich jetzt wählen werde.
Das wird sich eventuell ändern, wenn ich in den nächsten zwei Monaten von einer Partei positiv überrascht werde, aber zurzeit denke ich, dass es am besten wäre, einen leeren Wahlzettel abzugeben, weil ich nicht das Gefühl habe, eine informierte, faire Entscheidung treffen zu können. Das wäre auch kein Akt politischer Rebellion, sondern einfach deshalb, weil ich nicht genug weiß, um mit gutem Gewissen meine Stimme abzugeben. Und bevor ich etwas Falsches mache, mache ich lieber nichts. Die Wahlprogramme und Flyer helfen dabei meines Erachtens auch nicht mit ihren leeren Versprechen und kurzen Zusammenfassungen. Ich bin mir vollkommen bewusst, dass ich mich gerade gleichzeitig darüber beschwere, dass ich nichts zum Thema weiß und mich trotzdem nicht selbst informiere, aber es schien bisher einfach noch nie relevant für mich. Weder national noch international.
Das eine Thema, das mir sehr am Herzen liegt, ist das Schulsystem, da es mir selbst in der Vergangenheit Schwierigkeiten bereitet hat. Auf den Umweltschutz und öffentlichen Transport werde ich auch achten, wenn ich die Programme durchlese.
Ich habe also definitiv nicht den Eindruck, dass die einzelnen Parteien versuchen, mich als Individuum anzusprechen. Ich kann aber verstehen wieso: Da ich im Ausland lebe, ist es nicht einfach, mir gezielt oder ungezielt Informationen über ihre Programme zukommen zu lassen. Dabei lebe ich noch «nur» in Deutschland, ich kann mir nicht vorstellen, wie isoliert man von der Landespolitik sein muss, wenn man zum Beispiel ein Jahr in Kanada verbringen würde. Es fällt mir schwer, den Politikern einen Vorwurf zu machen, wenn ich weiß, dass ich mich vor allem selbst nicht informiere, obwohl ich verstehe, dass es ein wichtiges Thema ist. Aber wenn ich abends nach der Arbeit nach Hause komme, habe ich einfach nicht mehr die Energie, mich bewusst mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Einen Rat, den man jungen Menschen in dieser Angelegenheit geben könnte, wäre, sich nicht auf Wahlprogramme zu verlassen, sondern sich zu informieren, was die verschiedenen Parteien in der Vergangenheit geleistet haben.
Natürlich ist es von Nachteil, wenn man kaum den Kinderschuhen entwachsen ist und so nicht aus eigener Erfahrung weiss, für was diese oder jener Partei in der Vergangenheit stand, welche Entscheidungen sie getroffen, welche Gesetze sie durchgesetzt oder bekämpft hat.
Fränk scheint das erkannt zu haben mit seiner Entscheidung, lieber einen leeren Stimmzettel abzugeben, wenn man nicht weiss, welche Partei denn nun die beste ist - viele andere aber werden sich wohl verpflichtet fühlen, irgendwo ihre Kreuzchen zu machen und sich dabei eher auf persönliche Sympathien für die Kandidaten verlassen. In diesem Zusammenhang wäre es wohl sinnvoll, in Luxemburg endlich die Wahlpflicht abzuschaffen, damit halt nur diejenigen Bürger zur Wahl gehen, welche eine konkrete politische Meinung haben, oder aber durch ihr Fernbleiben zumindest verkünden dürfen, dass sie sich von keiner der Parteien wirklich vertreten fühlen.