Tor statt Straße, Augenhöhe statt Ausbeutung, Bergbau statt Brunnenbau. Wenn an diesem Montag in Brüssel die Staats- und Regierungschefs von einer Milliarde Menschen zum Gipfeltreffen der EU mit der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Länder zusammenkommen, wird es um die größte Freihandelszone, um Dutzende von Absichtserklärungen und auch eine Neuaufstellung der europäischen Entwicklungspolitik gehen. Was China mit der neuen Seidenstraße verfolgt, will auch die EU mit ihrer Global-Gateway-Politik, der Strategie weltweiten Türöffnens, erreichen: Besserer Zugang zu Seltenen Erden, wie sie für Digital-, Batterie- und Klimatechnik immens wichtig sind. Nur eben fairer.
„In der Vergangenheit waren die Länder Afrikas und Lateinamerikas aufgrund ihres Reichtums an Bodenschätzen und Rohstoffen oft Ziel skrupelloser Ausbeutung – zum alleinigen Nutzen der vermeintlichen Partner, nicht aber der lokalen Bevölkerung und deren Wirtschaft. Genau hier soll das Gesetz zu kritischen Rohstoffen ansetzen“, erläutert die Verhandlerin dieses Projektes, die deutsche Europa-Abgeordnete Nicola Beer. Das Angebot der EU an die Staaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas müsse klar sein: strategische Partnerschaft auf Augenhöhe, für Win-win-Situationen mit greifbaren Vorteilen für beide Seiten. „Die EU darf dabei nicht als Oberlehrer auftreten“, unterstreicht die Liberale. Es gehe vielmehr darum, die Partner bei der Anhebung von Standards zu unterstützen – Lebensstandards, Menschenrechtsstandards, Umweltstandards, Sozialstandards.
China baut – und macht Länder abhängig
Längst sind in den 27 Mitgliedsländern die Entwicklungsministerien damit befasst, aus früheren Gewohnheiten den Ausgang zu finden. Die Chinesen bauten Straßen und Eisenbahnen, holten dafür oft genug eigene statt einheimische Arbeiter heran und ließen sich das mit mehr Einfluss auf die afrikanischen Staaten und vor allem dem Zugriff auf deren Rohstoffe bezahlen. Die Infrastruktur wurde zwar auf diese Weise oft deutlich schneller modernisiert, als es mit den eher langwierigen Verhandlungen möglicher europäischer Geldgeber möglich schien. Doch die Abhängigkeit von China wurde sehr schnell auch als Last empfunden. Deshalb wächst derzeit das Interesse daran, von der Seidenstraße auf den Gateway zu wechseln.
Dafür müssen sich freilich die Europäer ebenfalls ändern. Einfach mal eine Hafeninfrastruktur zu finanzieren oder ein neues Bergwerk mit Krediten, Ausbildungsprogrammen und Weiterverarbeitung zu versehen, gehörte bislang nicht zu den Schwerpunkten europäischer Entwicklungszusammenarbeit. Das war dann doch eher der Brunnenbau oder der Zugang zu Mikrokrediten für Frauen, die als Kleinunternehmerinnen Fuß fassen wollten. So hat sich denn die Seltene-Erden-Verhandlerin der EVP, die Europaabgeordnete Hildegard Bentele, bei der Ausgestaltung des Rohstoffgesetzes dafür eingesetzt, dass „Rohstoffe auch zu einer Priorität der Global-Gateway-Initiative werden“. Das seien sie derzeit nämlich nicht.
Eine interne Übersicht über geplante Leuchtturmprojekte Europas in Afrika und Amerika führt Dutzende von Vorhaben auf. Da geht es um Impfzentren und Waldschutz, Solarenergie und Inklusion, doch Seltene-Erden-Kooperationen muss man auf den Landkarten der Entwicklungszusammenarbeit buchstäblich mit der Lupe suchen. In Sachen Lithium und Kupfer finden sich bei den EU-Lateinamerika-Karibik-Projekten nur bei Chile und Argentinien übersichtliche Absichten.
Zauberwort: „Strategische Partnerschaft“
Dabei hat sich die EU entschieden, so schnell wie möglich aus der Abhängigkeit von China herauszukommen. Je nach Material liegt sie derzeit bei bis zu 95 Prozent. Künftig sollen es höchstens 65 Prozent sein. Bentele berichtet aus ihren Gesprächen mit afrikanischen Politikern, dass es dort „ein Interesse an einem alternativen Ansatz beim Rohstoffabbau gibt“. Von der Kooperation mit der EU versprächen sich die Afrikaner – anders als bei ihren Erfahrungen mit chinesischen Investoren – „Einhaltung der Umwelt- und Sozialstandards, faire Entlohnung, Wertschöpfung im Land“ sowie auch Verbindungen zur Zusammenarbeit auf anderen Gebieten, etwa bei der grünen Energie.
Das Zauberwort der neuen Entwicklungspolitik heißt „Strategische Partnerschaft“. Beer fasst die Absichten dahinter wie folgt zusammen: „Sie sollen den Weg ebenen für nachhaltigen Wissens- und Technologietransfer, für Ausbildung und Qualifizierung lokaler Arbeitskräfte mit verlässlichen Arbeits- und Einkommensbedingungen, für den Abbau von strategischen Rohstoffen sowie eine Wertschöpfung nach hohen ökologischen Standards in unseren Partnerländern.“
Bentele ist „eher vorsichtig“, was die möglichen Mengen an kritischen Rohstoffen aus Entwicklungs- und Schwellenländern angeht. Allerdings ist für sie „das neue Feld der nachhaltigen Rohstoffpartnerschaften ein Schritt auf Partner zu, der sich auch geopolitisch auszahlen kann“. Die neue Richtung sei daher „absolut sinnvoll und unterstützenswert“.
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