Beim Wort „Mutterglück“ landet man mit der Duden-Suchfunktion sofort einen Treffer. Kurz und bündig heißt es bei der Definition: „Glücksgefühl, Mutter zu sein, ein Kind zu haben“. Nach dem Begriff „Vaterglück“ sucht man hingegen vergeblich. „Vielleicht werden Sie in einem der anderen Seitenbereiche fündig“, steht da, mit einer Reihe aufgelisteter Hyperlinks: Service, Sprachwissen usw. Gibt es etwa keine glücklichen, von ihrer Elternrolle erfüllten Väter? Und wie sieht es mit den unglücklichen Müttern aus, in welchem Begriff sehen sie ihr Schicksal gespiegelt? Und schließlich: Auf welches Substantiv greift man zurück, wenn man die Freude und die Erleichterung darüber, als kinderfreie Person durchs Leben zu gehen, in Worte fassen möchte?
Nun, Nadine Pungs nennt diese Gefühlslage „Kinderwunschlosglück“ oder auch „Nichtmutterglück“. Es ist eine Form des Glücks, die eigentlich nicht wenige Menschen kennen dürften. In ihrem neu erschienen Essay „Nichtmuttersein“ schreibt Pungs, dass das deutsche Familienministerium die Kinderlosigkeit 2020 als „Massenphänomen“ bezeichnete. Dabei seien laut Ministerium 25 Prozent der kinderlosen Frauen und Männer ungewollt kinderlos. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Dreiviertel der Kinderlosen in Deutschland dies aus freien Stücken sind. Trotzdem müssen sich Menschen ohne Kinder – besonders, wenn sie weiblich sind – für das Lebensmodell „Kind ohne“ noch immer rechtfertigen. Warum eigentlich?
„Du möchtest keine Kinder? Wie egoistisch“
In „Nichtmuttersein“ betreibt Pungs Ursachenforschung, aber nicht nur das. Sie spannt den Bogen weit, wenn sie das Thema der (Nicht-)Mutterschaft umrundet. Dabei gewährt sie dem Leser auch intime Einblicke in ihr eigenes Leben, wobei das Beschriebene zum Zwecke einer erhöhten Literarizität teils umgeformt wurde. Selbst Erlebtes, eindrücklich geschildert in bündigen Erzählsequenzen, verflicht die Autorin mit gesellschaftskritischen Reflexionen, unterfüttert mit Verweisen auf einschlägige Sachliteratur und aktuelle Studien.
Treffend beschreibt sie, auf wie viel Unverständnis, Entgeisterung oder auch Empörung kinderfreie Frauen noch immer stoßen, wenn sie sich als „unbekindert“ outen. In einer seitenlangen Auflistung nennt Pungs die gängigen wie übergriffigen Antworten, die Betroffene auf ihr Statement erhalten (ein Klassiker: „Aber wer kümmert sich um dich, wenn du alt und senil bist?!“). Sie berichtet ausführlich über die verbalen Angriffe und absurden Vorwürfe, denen kinderwunschlosglücklichen Frauen ausgesetzt sind, und spricht über die invasiven Fragen, mit denen Bekannte wie Fremde in ihre Privatsphäre vorzudringen versuchen. „Die Mutter aller Fragen lautet: Warum haben Sie keine Kinder?“, schreibt Pungs. „Mein Körper wird zum öffentlichen Raum erklärt. Ich soll Männer reinlassen und Babys rauslassen.“
Wer tickt hier wohl nicht richtig?
Treffen Frauen die Entscheidung, keine Kinder in die Welt zu setzen, wird ihre Wahl hinterfragt und kritisiert; oft werden auch Versuche unternommen, die Betroffene umzustimmen. „Da meine Mutterschaftsverweigerung die Selbstverständlichkeit der Reproduktion infrage stellt – und damit das Lebensmodell der Mehrheitsgesellschaft – gelte ich als Mängelwesen. Als Nichtfrau“, stellt die Schriftstellerin pointiert fest.
Unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Erkenntnisse enttarnt Pungs die sogenannte „biologische Uhr“ als bloße Gaukelei, darüber hinaus geht sie auf das Problem der Überbevölkerung und damit verbunden auch auf die Weltanschauung des Antinatalismus ein. Dazu klärt sie mit großer Sensibilität über Themen wie Verhütung, Sterilisation und Abtreibung auf. Sie spricht offen über ihren eigenen Entscheidungsprozess hin zur ,Unfruchtbarmachung‘ sowie den Schwangerschaftsabbruch, den sie durchführen ließ. Angesichts der wachsenden Radikalisierung von Abtreibungsgegnern weltweit ist das eine mutige wie essenzielle Geste, bricht die Autorin doch damit direkt eine Lanze für die elementaren Reproduktionsrechte der Frau.
Wenn Freundinnen getrennte Wege gehen
Zu einem Kanon der Gegensätzlichkeiten verschmelzen schließlich ihre Berichte über ihr eigenes „Nichtmuttersein“ und, im Kontrast dazu, das Leben ihrer Freundinnen, die sich für die Elternschaft entschieden haben. Während die Autorin – in wohlwollender Haltung gegenüber allen Menschen mit Nachwuchs – ihr kinderfreies Leben genießt, freut sich ihre Freundin Vivien über das Geschenk ihrer späten Mutterschaft. Ähnliches gilt für Karlotta, mit der die studierte Literaturwissenschaftlerin seit ihrer Schulzeit eine enge Freundschaft pflegt.
Schmerzlich lesen sich daher die Passagen, in denen Pungs die allmähliche Entfremdung von ihrer ehemaligen Klassenkameradin beschreibt. Wie ein Rinnsal, das über Jahre über einen Felsen läuft und so einen Graben formt, schaffen die unterschiedlichen Lebenswelten der zwei Frauen über lange Zeit eine tiefe Kluft zwischen ihnen: „Was für Karlotta früher wichtig war, hat an Bedeutung verloren. Das Kind hinterlässt einen Abdruck auf ihr. Nicht nur ihr Denken, nein, ihr ganzes Leben hat sich verändert. Meins nicht. Ich bin dieselbe geblieben.“ Mit stechender Prägnanz zeigt Pungs auf, auf welch unterschiedliche Weisen konträre Lebensentwürfe nebeneinander existieren können: Manchmal vermögen sie es, in enger Verbindung miteinander zu bestehen, und manchmal – auch wenn es weh tut – können sie nur in freundlicher Distanz zueinander verwirklicht werden.
Ein riesiges Themenfeld abgedeckt
Pungs Tour durch die Manege der (Nicht-)Mutterschaft ist schließlich so groß und versucht, inhaltlich so umfassend zu sein, dass die Autorin verschiedene Zusammenhänge und Gedanken nur grob streifen kann, anstatt sie mit analytischer Tiefenschärfe zu erläutern: Von der Geschichte des Patriarchats und der modernen Erfindung der Liebesheirat ist da die Rede, von dem noch recht jungen Phänomen der Kleinfamilie, von Rousseaus sexistischem Frauenideal und schließlich dem Mythos der Mutterliebe, den schon die Philosophin Elisabeth Badinter in ihren Schriften dekonstruierte.
Im etwas gehetzten Galopp unternimmt Pungs eine Wandertour durch feministische und sozialwissenschaftliche Theoriegebäude; daneben greift sie die zum Beispiel die interessante Idee auf, „Mutter“ und „Vater“ als Beziehungsverhältnis zwischen Menschen und nicht mehr als Geschlechtsbezeichnung zu betrachten. Leider räumt sie diesem Punkt in ihrer weiteren Argumentation keinen Platz mehr ein, sodass – diese Metapher sei hier erlaubt – die potenzielle Fruchtbarkeit dieser Idee leider nicht voll ausgeschöpft wird.
Vielleicht hätte dem Werk deshalb eine stärkere Einhegung innerhalb dieses gewaltigen Themenbereichs stellenweise gutgetan, andererseits muss man die Autorin dafür loben, diese Masse an Material so aufbereitet zu haben, dass auch der in diesen Dingen unbewanderte Leser versteht, worum es im Kern geht. Letzten Endes schafft es die Autorin, die herkömmlichen Sichtweisen auf Elternschaft und Kinderlosigkeit als haltlose Vorurteile zu entlarven und dabei offenzulegen, inwiefern die pauschale Gleichsetzung von Frau- und Muttersein nicht nur falsch, sondern auch zutiefst schädlich ist. Damit ist „Nichtmuttersein“ ein Buch wie eine frische Brise. Da die Autorin zu keinem Moment „Eltern-Bashing“ betreibt, sondern im Gegenteil Elterndasein und Nicht-Elterndasein in völliger Gleichwertigkeit nebeneinanderstellt, dürften Menschen in jeglicher Familienkonstellation darin Trost, Zuspruch und neue Denkanstöße finden.
Kinder bringen nichts und kosten nur Geld.
200.000€ kostet ein Kind bis zum Erwachsensein.
Das Geld sehen Sie nie wieder.
Sogar wenn sie einen Top-Job bekämen, ( den sie nicht bekommen) werden Sie von ihnen ins Heim gesteckt.
Alles nur Hormone die Ihre Gene in die Welt bringen wollen.
Einfach ignorieren.