Anführer von Trumps Gnaden

Kevin McCarthy hatte gehofft, locker auf einer „roten Welle“ ins Amt des Vorsitzenden des Repräsentantenhauses getragen zu werden. Jetzt muss der 57-jährige Republikaner zittern. Zwar gilt es nach wie vor als sehr wahrscheinlich, dass der Chef der Konservativen in der Kongresskammer am Dienstag als Nachfolger der Demokratin Nancy Pelosi zum „Speaker of the House“ gewählt wird. Doch einige Vertreter des Rechtsaußen-Flügels der Partei von Ex-Präsident Donald Trump verweigern McCarthy bislang die Unterstützung.
Der Abgeordnete aus dem Bundesstaat Kalifornien kann sich kaum Abweichler leisten. Bei den Zwischenwahlen vom 8. November hatten die Republikaner nur eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus gewonnen. Sie stellen künftig 222 der 435 Abgeordneten, das liegt nur knapp über der Mehrheit von 218 Stimmen. Die von vielen erwartete „rote Welle“, wie ein Erdrutschsieg der Republikaner wegen ihrer Parteifarbe genannt wird, fiel aus.
Deswegen muss McCarthy um jede Stimme kämpfen, wenn er in das dritthöchste Staatsamt der USA gewählt werden will. Dabei kann der bisherige Minderheitsführer der Republikaner auf die Unterstützung des in der Partei nach wie vor höchst einflussreichen Trump bauen.
Gewonnen hat er diese dank eines Kuschelkurses gegenüber dem Rechtspopulisten: Nur rund eine Woche, nachdem Trump nach der Kapitol-Erstürmung vom Januar 2021 in Schimpf und Schande aus dem Weißen Haus ausgezogen war, hatte McCarthy als erster ranghoher Republikaner den Ex-Präsidenten in dessen Luxusanwesen Mar-a-Lago in Florida besucht. Er half Trump damit, seine Macht über die Partei schrittweise wieder zu sichern – und machte zugleich seine Loyalität zu dem Volkstribun deutlich.
Kurz nach der Kapitol-Erstürmung hatte McCarthy noch öffentlich gesagt, Trump trage „Verantwortung“ für den Angriff auf den Kongress. Dann aber vollzog er – wie viele Republikaner – eine Kehrtwende, basierend auf der Erkenntnis, dass Trump das Idol der rechten Wählerbasis bleiben wird.
Abgeordnete des rechten Parteiflügels machen ihm nun trotz Trumps Segen das Leben schwer, sie wollen ihn auf einen radikalen Kurs gegen die Regierung von Präsident Joe Biden einschwören und sich selbst mehr Einfluss sichern. McCarthy wird ihnen Zugeständnisse machen müssen, wenn er an die Spitze des Repräsentantenhauses gewählt werden will. Für Aufsehen und Sorgenfalten sorgte er im Oktober, als er warnte, künftig werde es keinen „Blankoscheck“ mehr für die Ukraine geben.
Ein geschichtsträchtiger Generationenwechsel
Mit Hakeem Jeffries als ihrem neuen Fraktionsvorsitzenden leiten die Demokraten im Repräsentantenhaus einen Generationenwechsel ein: Der 52-jährige Politiker aus New York löst die 30 Jahre ältere Pelosi ab, die die Demokraten in der Kongresskammer fast 20 Jahre lang angeführt hatte. Seine Wahl ist aus einem weiteren Grund symbolisch bedeutsam: Jeffries ist der erste Afroamerikaner der US-Geschichte, der eine Partei in einer der beiden Kongresskammern anführt.
Der Jurist sitzt seit 2013 im Repräsentantenhaus, sein Wahlkreis umfasst Teile der New Yorker Stadtviertel Brooklyn und Queens. Ende 2018 wurde Jeffries in die Fraktionsführung der Demokraten gewählt, wo er zuletzt an fünfter Stelle stand. Der Abgeordnete gehört zwar dem linken Flügel an, grenzt sich aber zugleich von Tendenzen ab, die er als zu linksaktivistisch einstuft.
Beim ersten Amtsenthebungsverfahren gegen den damaligen Präsidenten Trump 2020 wegen der Ukraine-Affäre gehörte Jeffries der Gruppe der Abgeordneten an, die vor dem Senat als sogenannte Impeachment Manager die Anklage gegen Trump vertraten. Dort sorgte er für Aufsehen, als er den Rapper The Notorious B.I.G zitierte, der wie er aus Brooklyn stammt. Als einer von Trumps Anwälten nach dem Grund für das Amtsenthebungsverfahren fragte, legte Jeffries die Argumente der Demokraten dar und schloss mit dem Satz: „Und wenn Sie es nicht wissen, dann wissen Sie es jetzt.“
Als Minderheitsführer im Repräsentantenhaus wird seine Aufgabe auch darin bestehen, der knappen Republikaner-Mehrheit das Leben schwer zu machen. „Wir werden mit den Republikanern nach einer gemeinsamen Basis suchen, wann immer und wo immer das möglich ist, uns aber Extremismus entgegenstellen, wann immer es nötig ist“, gelobte der 52-Jährige bereits.
Ohnehin hat Jeffries vor allem ein Ziel: Bei den nächsten Wahlen 2024 die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückzuerobern – und dann den Vorsitz über die Kongresskammer zu übernehmen.
Zu Demaart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können