Im Streit um die mit Griechenland vereinbarte Umbenennung des Landes machen Mazedoniens größter Oppositionpartei VMRO zunehmend Auflösungserscheinungen zu schaffen. Neben Richtungskämpfen, Rücktritten und dem Druck der europäischen Schwesterparteien plagen die frühere Regierungspartei vermehrt Probleme mit der Justiz.
Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Belgrad
Ein Gegenschlag kommt auch auf Mazedoniens glitschigem Politparkett selten allein. Erst stimmten zum Ärger von Oppositionschef Hristijan Mickoski vor zwei Wochen sieben Abgeordnete seiner nationalkonservativen VMRO DPMNE für die von ihm abgelehnte Umbenennung des Landes in Nordmazedonien. Und nun wird die größte Oppositionspartei auch noch von zunehmenden Auflösungserscheinungen geplagt: Beim Hindernislauf nach Nordmazedonien gerät in Skopje mit der VMRO ausgerechnet einer der entschiedensten Gegner des mit Athen vereinbarten Namensdeals als Erster ins Straucheln.
27 Jahre lang lag Griechenland mit Mazedonien im unversöhnlichen Nachbarschaftsclinch: Mit Verweis auf die gleichnamige Provinz sprach Athen den Nachbarn das Recht auf den Landesnamen ab – und blockierte deren EU- und NATO-Annäherung. Erst im Juni einigten sich die Regierungschefs der beiden Länder auf die Umbenennung Mazedoniens, die Skopje den bisher von Athen blockierten Weg in die NATO und EU ebnen soll.
In einem nicht bindenden Referendum sprachen sich zwar hernach über 90 Prozent der mazedonischen Wähler Ende September für den Namensdeal aus. Doch auch wegen des Boykotts der VMRO wurde das für die Gültigkeit des Urnengangs nötige Mindestwahlbeteiligung von 50 Prozent klar verfehlt. Die Regierung habe die „Legitimität verloren“, jubelte damals Oppositionschef Mickoski.
Rück- und Austritte
Doch inzwischen muss vor allem seine von heftigen Richtungskämpfen erschütterte VMRO um ihren Fortbestand bangen. Schon die Tatsache, dass VMRO-Dissidenten der Regierung im Parlament die benötigte Zweidrittelmehrheit für die Verfassungsänderungen verschafften, war für die Parteiführung ein harter Gegenschlag: Verärgert ließ die VMRO die Abweichler sofort ausschließen. Dem Ausschluss weiterer Parteifunktionäre, die als Kritiker von Mickoski gelten, ist in den letzten Tagen eine Welle von freiwilligen Rück- und Austritten führender VMRO-Politiker wie den Vorsitzenden des Jugend- und des Frauenverbands der Partei gefolgt: Sie werfen der Parteiführung vor, die traditionell eigentlich eher nach Westen orientierte VMRO mit ihrem Blockadekurs international zunehmend zu isolieren.
Tatsächlich scheinen vor allem Europas konservative Schwesterparteien der EVP mit der VMRO die Geduld zu verlieren und sollen dieser gar den Ausschluss angedroht haben. Gleichzeitig machen der VMRO zunehmend Probleme mit der Justiz zu schaffen. Wegen des Verdachts der Geldwäsche und schwarzer Parteikassen in der Amtszeit des früheren Skandal-Premiers Nikola Gruevski (2006-2016) hat der Oberste Gerichtshof in dieser Woche 69 von 93 Partei-Immobilien bis zum Abschluss der Ermittlungen blockieren lassen. Bereits Ende Oktober hatte Gruevski die Aufforderung erhalten, sich zum Absitzen einer ersten gegen ihn verhängten Haftstrafe spätestens bis zum 8. November im Gefängnis von Skopje zu melden. Weitere Strafverfahren gegen ihn und andere frühere VMRO-Minister sind noch am Laufen.
Derweil drückt die Regierung bei dem noch keineswegs in trockene Tücher gebrachten Namensdeal mit Athen weiter aufs Tempo. Nach der Landung des ersten Linienflugzeugs zwischen Athen und Skopje seit zehn Jahren erklärte Vizepremier Bujar Osmani in dieser Woche, dass mit der endgültigen Absegnung der Verfassungsänderung bis zum Jahresende zu rechnen sei. Obwohl das Abkommen danach trotz Widerständen in Griechenland noch vom Parlament in Athen bestätigt werden muss, hegt er an dem anvisierten Neubeginn der labilen Nachbarschaftsehe keine Zweifel: „Griechenland wird unser engster Verbündeter sein.“
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