„Ich höre das oft in Gesprächen mit Flüchtlingen: Sie sind glücklich, hier zu sein – am Leben und in Sicherheit. Aber diese Menschen haben zuvor gearbeitet, hatten einen normalen Alltag und ein Zuhause, das sie dann verlassen mussten. Sie wollen hier jetzt leben. Also am Leben teilnehmen und ein Akteur der Gesellschaft sein“, erklärt Ibtihal El Bouyousfi von „Amnesty International Luxembourg“ am Montagmorgen bei einer Pressekonferenz zum internationalen Weltflüchtlingstag am 20. Juni. Dieser Tag wird vom Luxemburger Flüchtlingsrat (LFR) – dem neben „Amnesty Luxembourg“ noch neun weitere Vereinigungen des Großherzogtums angehören – genutzt, um auf die Situation von Menschen auf der Flucht aufmerksam zu machen.
Denn weltweit müssen immer mehr Menschen aus ihrer Heimat fliehen und sich in Sicherheit bringen: vor Gewalt, Konflikten, Verfolgungen, aber auch Naturkatastrophen. Damit Flüchtlinge im Großherzogtum nun aber ein Teil der Gesellschaft werden können, bedarf es laut LFR einer gelungenen Integration. Und die muss von Anfang an stattfinden. „Das gilt ab dem ersten Moment, in dem jemand hier ankommt. Nicht erst ab dem Moment, in dem man den Status erhält“, unterstreicht Sérgio Ferreira von der „Association de soutien aux travailleurs immigrés“ (ASTI) bei der Pressekonferenz am Montagmorgen in der Luxemburger Hauptstadt.
Vereinfachte Zugänge
Wichtig, damit Menschen wirklich ankommen könnten, sind laut Luxemburger Flüchtlingsrat vier Faktoren: Zuerst ist der Zugang zum Arbeitsmarkt dafür grundlegend, denn allzu oft führt der Ausschluss aus dem Berufsleben auch zu sozialer Ausgrenzung. Allerdings haben immer noch viele Antragstellende sowie Menschen mit internationalen Schutzstatus laut LFR Schwierigkeiten, auf den Arbeitsmarkt zu gelangen. Gleiches gilt für den Zugang zu Studien aber auch die Anerkennung von Diplomen – vor allem bei Berufen im Gesundheitswesen sei letzteres laut Erfahrung der Verantwortlichen des Flüchtlingsrats ein Problem.
Eine wichtige Rolle bei der Integration spielt aber auch die Familienzusammenführung – denn diese ist nicht nur ein international anerkanntes Grundrecht, sondern laut LFR auch ein wichtiger Integrationsfaktor. „Wenn man alleine hier in Luxemburg und in ständiger Sorge um die eigene Familie ist, dann ist es um einiges schwerer, eine Sprache zu lernen oder zum Beispiel auf Arbeitssuche zu gehen“, erklärt Frank Wies von „Amnesty International Luxembourg“. Und erzählt: „Das sagen uns viele Flüchtlinge: Dass sie es zwar versuchen, aber einfach den Kopf nicht dafür frei haben.“
Unterstützung bei Wohnungssuche
Die angesprochenen Thematiken erschweren Geflüchteten dann noch die Suche, die auch für viele Ansässige des Großherzogtums schwierig ist: jene nach einem Zuhause. Einerseits fordern die Verantwortlichen vom LFR deshalb mehr Platz in den Flüchtlingsunterkünften, andererseits aber auch mehr Unterstützung, wenn Menschen mit internationalen Schutzstatus auf Wohnungssuche gehen. Denn laut LFR ist nicht immer klar, wer dabei helfen könnte. Ein Lösungsvorschlag für dieses Problem wäre eine vom Staat eingerichtete Stelle, die den Menschen unter die Arme greifen könnte – so die Idee vom Luxemburger Flüchtlingsrat.
Festangestelltes Team von „Passerell“ wird entlassen
Die Vereinigung „Passerell“ wird aller Wahrscheinlichkeit nach ab August mit ihrer Arbeit aufhören – wie am Rande der Pressekonferenz des Luxemburger Flüchtlingsrat (LFR) am Montag bekannt wurde. Laut Projektkoordinatorin Ambre Schulz ist es aus finanziellen Gründen nicht mehr länger möglich, den drei festen Mitarbeiterinnen über dieses Stichdatum hinaus ein Gehalt auszuzahlen. Wurde die Gründung des unabhängigen Projektes 2016 erst durch die Unterstützung der „Oeuvre Grande-Duchesse Charlotte“ möglich, finanzierte dieses sich später selbst. Das wurde während Corona zu einem Problem. Die Finanzierung der Aktivitäten ist nicht durch eine staatliche Konvention gesichert, „Passerell“ erhält aber staatliche Subventionen – wie Ambre Schulz auf Nachfrage hin erklärt. Die gemeinnützige Vereinigung hat es sich in Luxemburg zur Aufgabe gemacht, die Rechte von Geflüchteten aus anderen Ländern zu verteidigen und diese mit anderen Menschen in Luxemburg sowie der Großregion in Kontakt zu bringen. Sollte sich jetzt nicht unerwartet eine Lösung für die roten Zahlen finden lassen, wird der Verein seinen Aktivitäten nicht mehr wie bisher nachgehen können.
Die Verantwortlichen vom LFR begrüßen die Welle der Solidarität, die auf den Krieg in der Ukraine folgte – „eine enorme Solidarität und Mobilisierung, wie wir sie schon lange nicht mehr gesehen haben“, formuliert es Ibtihal El Bouyousfi bei der Pressekonferenz. Der Flüchtlingsrat ermutigt die Luxemburger Regierung dazu, nun die gleichen Maßnahmen sowie Vorkehrungen für alle Antragsteller und Schutzberechtigten anzuwenden. Um so die Integration von allen Flüchtlingen im Großherzogtum zu fördern.
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