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Luxemburger Ärzte haben „die Schnauze voll“

Luxemburger Ärzte haben „die Schnauze voll“

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Die Ärzte in Luxemburg haben die Schnauze voll. Das zumindest hat eine Umfrage unter Medizinern ergeben. Allerdings ist die Studie selbst nicht unproblematisch.

«Das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Doktor ist durch das System gestört», sagt Doktor Guillaume Steichen, Generalsekretär der AMMD. In der Tat gibt es ein Problem im Gesundheitssektor. Ärzte und Minister können nicht mehr miteinander. Die Ärzte bleiben der Nomenklaturkommission fern, die sie als eine Alibi-Kommission bezeichnen. Die Nomenklatur ist in Luxemburg der Leistungskatalog, den die Krankenkasse vorgibt.

Die Ärzte selbst sagen, dass sie dialogbereit sind. Einen Dialog unter Tauben brauche es allerdings nicht. Ein Brief, den die Ärzte dem Minister für Sozialversicherung, Romain Schneider, im April geschickt haben, sei unbeantwortet geblieben. Schneider zeigte sich allerdings sehr wohl dialogbereit. Für ein Treffen mit den Ärzten stünde er zur Verfügung – sowohl was die generellen Probleme als auch was das Thema «Tiers payant» betrifft, über das die AMMD allerdings nicht mit Schneider reden wolle, sondern direkt mit der Krankenkasse CNS.

Darüber hinaus bedauerte Schneider gegenüber dem Tageblatt, dass die Ärzte nicht mehr an der Nomenklaturkommission teilnehmen. Die Arbeiten in dieser Kommission seien gut vorangegangen, als die Ärzte noch mit am Tisch saßen, und würden auch jetzt noch gute Fortschritte machen. Er fände es aber gut, wenn die Ärzte an den Tisch zurückkehrten, sagte Schneider.

Umfrage bei 636 Ärzten

Ihre Position untermauert die Ärztevereinigung AMMD mit Zahlen einer Umfrage. Ein Lichtblick zuerst: 79 Prozent der Ärzte, die an der Umfrage teilgenommen haben, sind zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrem Job. Allerdings: 39 Prozent von ihnen würden ihren Freunden und Verwandten nicht empfehlen, in Luxemburg Arzt zu werden. Bei jenen, die den Beruf schon 25 Jahre oder länger ausüben, würden sogar 47 Prozent diese Karriere nicht weiterempfehlen.

88 Prozent der Teilnehmer sagten, der Papierkram nehme zu viel Raum ein, 70 Prozent meinten, die Arbeitsbelastung sei zu sehr gestiegen, und 74 Prozent beklagten, die Medizin berge derzeit zu viele medizinrechtliche Risiken, teilte die AMMD mit.

Vor allem der ihrer Ansicht nach fehlende Dialog mit den öffentlichen Akteuren und die Probleme mit der öffentlichen Krankenkasse stoßen den Ärzten sauer auf.

Als größte Probleme im luxemburgischen Gesundheitssystem machten die Teilnehmer der Umfrage den steigenden Einfluss von wirtschaftlichen und technokratischen Überlegungen aus, die immer weiter zunehmen würden (77%). An zweiter Stelle wurde die unangepasste «Nomenklatur» genannt (66%), gefolgt von dem Mangel an Gehör, das der medizinischen Expertise bei Entscheidungen geschenkt wird (59%). Genannt wurden auch der fehlende Dialog mit den staatlichen Akteuren (53%) und die Monopolstellung der CNS (47%). Die meisten Umfrageteilnehmer halten sie für veraltet (72%).

Rund die Hälfte der Teilnehmer denken sogar, dass sich die Ärzte gezwungen sehen könnten, zu mogeln, um Patienten die Therapie zukommen zu lassen, die sie für richtig halten. Lediglich sechs Prozent der teilnehmenden Ärzte sehen keine Probleme mit der Nomenklatur. Dabei ist allerdings nicht bekannt, wie gut die Stichprobe ist. Das E-Mail-Verfahren birgt das Risiko, dass nur die Ärzte antworten, die tatsächlich Kritik üben wollen.
Die Umfrage wurde vom Meinungsforschungsinstitut Quest im Auftrag der AMMD durchgeführt. 1.400 Ärzte wurden auf elektronischem Wege angeschrieben, 636 haben geantwortet. Darunter 169 Allgemeinmediziner, 369 Spezialisten und 98 Zahnärzte. Das ist eine fantastische Rücklaufquote, von der jeder Forscher träumt.

Seltsame Fragestellung

Allerdings sagt dies nichts über die Güte der Stichprobe aus – insbesondere, da die Umfrage per E-Mail durchgeführt wurde und die Befragten selbst entscheiden konnten, ob sie mitmachen wollen oder nicht. Fragen sind zudem nicht neutral formuliert, wie es in empirischen Erhebungen eigentlich Standard ist. Den Ärzten wurde beispielsweise eine Reihe von möglichen Problemen mit der Nomenklatur vorgelegt, aus denen sie auswählen konnten. Als einzige Möglichkeit, sich positiv zu äußern, blieb den Befragten, «keine dieser Aussagen trifft meine Einschätzung der Nomenklatur» anzukreuzen.
Die AMMD bezeichnet sich selbst als Gewerkschaft und hat eigenen Aussagen zufolge rund 1.400 Mitglieder – darunter Selbstständige, Beamte und Angestellte. Damit würde die AMMD einen Großteil der Luxemburger Ärzteschaft vereinigen.