Die Geschlechterparität scheint in der Luxemburger Lokalpolitik nur langsam voranzukommen. Noch immer sitzen in den Gemeinde- und Schöffenräten zum allergrößten Teil Männer. Von den 1.098 Kommunalpolitikern sind nur 336 Frauen – das sind etwa 30,6 Prozent. Im Wahlbezirk Norden sind es sogar nur knapp 25 Prozent. Die meisten weiblichen Gemeinderäte sind mit etwa 35 Prozent hingegen im Südbezirk zu finden. Während der vorigen Legislaturperiode bestanden die Luxemburger Gemeinderäte nur zu rund einem Viertel aus Frauen. Es ist also trotzdem ein leichter Fortschritt festzustellen.
In insgesamt sechs Gemeinden von 100 sind die Frauen nach den Kommunalwahlen 2023 in den Gemeinderäten in der Überzahl: Luxemburg (55,6 Prozent), Biwer (55,6), Schieren (55,6), Grevenmacher (54,6), Kopstal (54,6) und Mamer (53,3). Gleichzeitig gibt es allerdings auch drei Kommunen, in denen absolut keine weiblichen Lokalpolitiker das Schicksal ihrer Gemeinde mitbestimmen: Ernztalgemeinde, Heffingen und Waldbredimus. In der Ernztalgemeinde und Waldbredimus stellte sich allerdings auch keine einzige Frau als Kandidatin auf. Und: Waldbredimus bildet wegen der Fusion mit Bous einen gemeinsamen Gemeinderat, in dem schlussendlich zwei von elf Politikern Frauen sind. Die Heffinger Kandidatenliste bestand zu 6,7 Prozent aus Frauen.
Wähler wählen weniger weiblich
Zahlen nach den Wahlen
Das Tageblatt hatte im Vorfeld der Kommunalwahlen die Kandidatenliste etwas genauer unter die Lupe genommen. In vier Texten wurde die Nationalität, das Geschlecht, das Alter und der Berufsstand analysiert. Doch wer wurde schlussendlich Gemeinderat, Schöffe und Bürgermeister? Die Serie „Zahlen nach den Wahlen“ hat alle verfügbaren Daten zu den Volksvertretern zusammengetragen und präsentiert diese in den nächsten Wochen in vier Artikeln. Im ersten Teil ging es um die Nationalitäten der Gemeinderäte, Teil zwei beschäftigt sich mit der Geschlechterparität.
Bei den Kommunalwahlen gingen weniger Frauen als Männer ins Rennen. Von insgesamt 3.847 Kandidaten waren 1.483 Frauen. Das sind 38,5 Prozent. Im direkten Vergleich mit den Wahlen 2017 geht allerdings ein klarer Fortschritt hervor: Damals waren es 35,6 Prozent. Die Parteien bemühen sich also zum Teil, mehr weibliche Kandidaten zu rekrutieren. Das heißt allerdings nicht, dass der Wähler für diese Frauen stimmt. Dieses Jahr kandidierten 2.364 Männer für die Kommunalwahlen – davon sitzen nun 762 in den Gemeinderäten. Das sind etwa 32 Prozent. Bei den Frauen befinden sich 336 der 1.483 Kandidatinnen in den Gemeinderäten – also 22,7 Prozent. Heißt: Die mangelnde Geschlechterparität liegt nicht nur an der Zahl der kandidierenden Frauen. Die Bürger wählen proportional weniger Politikerinnen als Politiker.
Bei verschiedenen Gemeinden ist dieses Phänomen besonders prävalent. In 55 Kommunen gibt es prozentual weniger Frauen in den Gemeinderäten als auf den Kandidatenlisten. Joëlle Feller-Wilmes (DP) und Mariette Weiler („déi gréng“) sind in Mersch die einzigen Frauen des 15 Köpfe großen Gemeinderats. Und das obwohl, in der Zentrumsgemeinde knapp 42 Prozent der Kandidaten Frauen waren. Nach den Wahlen besteht der Gemeinderat mit Feller-Wilmes und Weiler nun nur zu 13 Prozent aus Frauen. Das sind 29 Prozentpunkte weniger – womit Mersch den größten Unterschied zwischen Kandidatinnen und Gemeinderätinnen nach Contern misst. In Diekirch, Bissen, Wiltz, Ettelbrück, Schüttringen, Schifflingen, Wintger und Bettemburg wurden beispielsweise auch wesentlich weniger Frauen gewählt als Kandidatinnen antraten. In 37 Kommunen wurden hingegen proportional mehr Frauen gewählt. Ganz oben stehen: Fels, Kopstal, Feulen, Colmar-Berg und Luxemburg-Stadt.
Hinzu kommt, dass Politikerinnen weniger oft die wichtigsten Posten in den Gemeinden besetzen. Frauen besetzen weniger oft Bürgermeister- und Schöffenposten als ihre männlichen Kollegen – sogar, wenn man beachtet, dass es weniger weibliche Politiker gibt. 19 der 98 Bürgermeister – Befort und Berdorf müssen noch wählen – sind Frauen. Das sind etwa 19,4 Prozent. Doch 30,4 Prozent der gewählten Lokalpolitiker sind Frauen. Bei den Schöffen sieht es ähnlich aus: 25,4 Prozent davon sind Frauen. Während der vorigen Legislaturperiode gab es nur 224 Gemeinderätinnen, 37 Schöffinnen und 16 Bürgermeisterinnen.
Grüne wählen mehr Frauen
Bei den Parteien ist ebenfalls ein klarer Unterschied zu erkennen: Wähler von „déi gréng“ haben sich zum größten Teil für Frauen entschieden. 37 von 64 Gemeinderäten sind weiblich – das sind 57,8 Prozent. Damit sind die Grünen die einzige Partei, die auf kommunaler Ebene hauptsächlich von Frauen repräsentiert wird. Die Kandidatenliste bestand zu 48,3 Prozent aus Frauen. Heißt: Die grünen Wähler stimmten mehr für Frauen als kandidierten. Bei „déi Lénk“, die drei männliche und drei weibliche Gemeinderäte stellt, wurde ebenfalls leicht mehr für Frauen abgestimmt.
Bei allen anderen Parteien wurden proportional weniger Frauen gewählt als kandidierten. Beispiel: Bei der CSV waren 42,1 der Kandidaten Frauen, doch schlussendlich sind nur 28,5 Prozent der gewählten CSV-Gemeinderäte weiblich. Das ist also ein Minus von 13,6 Prozentpunkten. Nur die ADR schneidet mit -14,3 Prozentpunkten noch schlechter ab. Danach folgen Piraten (-12,5), LSAP (-10) und die DP (-10).
Daten zusammengetragen von Pierre Bellion. Auswertung und Grafiken: Cédric Feyereisen.
„Es besteht Handlungsbedarf“
Dass es auf kommunaler Ebene an Frauen fehlt, ist keine neue Erkenntnis. Bereits seit Jahren beobachten der „Conseil national des Femmes“ (CNFL) und andere Frauenaktivistinnen die Situation und werten aus, wie es um die politische Beteiligung steht. Monique Stein, eine der Verantwortlichen des CNFL, hatte sich vor den Wahlen mit dem Tageblatt ausgetauscht.
„Das Luxemburger Wahlsystem selbst benachteiligt Frauen“, erklärt sie. Im Großherzogtum wird bei Wahlen traditionell gerne „panaschiert“, heißt, die Stimmen werden an einzelne Kandidaten vergeben und nicht an eine komplette Liste. „Da aber viele der sich zur Wahl stellenden Frauen weniger bekannt als ihre männlichen Mitkandidaten sind, bekommen sie weniger Stimmen – und schaffen so den Sprung in den Gemeinderat nicht.“ Auch Doppelmandate seien ein Teil des Problems. Wieso sich die Aktivistinnen auch schon seit Jahren dagegen aussprechen.
Wieso es so wichtig sei, dass in den Gemeinderäten Parität herrscht? „Damit es eine lebendige Demokratie gibt“, sagt Stein. Mehr Frauen bedeute auch eine größere Diversität an Meinungen und Perspektiven. „Schließlich geht es hier um politische Gremien, die auch ihre Leben mitbestimmen.“ Auch die Gemeinden selbst können dazu beitragen, die Frauenbeteiligung zu fördern. Etwa, wenn darauf geachtet wird, dass in den Kommissionen Parität herrscht. So könne der politische Einstieg für manche vereinfacht werden.
Außerdem brauche es in den Augen des CNFL eine Beobachtungsinstanz, die genau ausarbeitet, wieso Frauen nicht am politischen Leben teilnehmen und wieso sie weniger oft gewählt werden. Eine Arbeit, die die Aktivistengruppen schon seit Jahren selbst stemmen – und immer schwieriger wird. (joé)
Wenn kein Interesse besteht, dann sollte man es nicht erzwingen.
Tja, man müsste dem Wähler vorschreiben können, wen er zu wählen hat, das wäre dann laut Frau Stein eine "lebendige Demokratie", oder etwa nicht ?