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BelarusLukaschenko will Wagner-Chef Prigoschin gegen Putin ausspielen

Belarus / Lukaschenko will Wagner-Chef Prigoschin gegen Putin ausspielen
Putin und Lukaschenko in Sotschi Anfang Juni: „So wie im Bürgerkrieg“ Foto: AFP/Gavriil Grigirov

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Der Marsch auf Moskau von Wagner-Chef Prigoschin sorgt weiter für Unruhe. Einziger Gewinner könnte Lukaschenko sein. Der belarussische Diktator sonnt sich im Erfolg seiner Vermittler-Rolle – und demütigt damit Putin.

Polen hat am Montag 500 Polizisten an die belarussische Grenze geschickt. Sie sollen dort die rund 5.000 Grenzschützer stärken. Als Grund hat Warschau die geplante Verlegung von Wagner-Söldnern ins östliche Nachbarland genannt. Diese aufgeregte Reaktion zeigt vor allem eines: Alexander Lukaschenko profitiert politisch von der Meuterei Jewgeni Prigoschins in Russland.

Denn es sind keine sechs Wochen her, da tauchte Lukaschenko schwer angeschlagen in einem Befehlsstand seines Heeres auf und war kaum eines klaren Satzes fähig. Zuvor war der belarussische Diktator nach einem Schwächeanfall an der Siegesparade vom 9. Mai in Moskau sechs Tage lang verschwunden. Viele hatten Wladimir Putins Vasallen schon abgeschrieben, doch vor Wochenfrist vermittelte Lukaschenko in der bisher größten Krise Russlands seit dem Zerfall der Sowjetunion und bewegte Jewgenij Prigoschin dazu, seinen Marsch auf Moskau abzubrechen.

Seither meldet sich Lukaschenko wortgewaltig und vor Kraft strotzend aus Minsk mit immer neuen Details über seine Vermittlerdienste. Als Mediator will er Putin gerettet und gar einen Bürgerkrieg verhindert haben. „Unruhen wären über ganz Russland hereingebrochen; und dies hätte sich zu einer zweiten Front (neben der Ukraine) entwickelt, so wie im Bürgerkrieg“, erklärt Lukaschenko.

Suhlen in der Rolle des gerechten Vaters

Dabei ist allen Kennern post-sowjetischer Machtspiele klar, dass Putin gerade von Lukaschenko gedemütigt wurde. Im Sommer 2020 musste der Kreml dem von Massenprotesten verschreckten Wahlfälscher Lukaschenko zu Hilfe eilen. Drei Jahre später rettet Putins Vasall Putin. Lukaschenko tat dies in einer Lieblingspose, nämlich als „Batko“, – als gerechter Vater zweier in einem Unionsstaat vereinter Staaten, der die Kinder zurückpfeift und wieder Ordnung schafft.

Zwar wollen russische Insider wissen, Lukaschenko sei erst ganz am Ende dazugekommen, als es galt, dem Wagner-Chef die Wahrung seines Gesichts und eine gewisse Sicherheit vor Nachstellungen zu garantieren. Doch solche Feinheiten sind für die gewöhnlichen Bürger Russlands unwichtig, denn am Ende steht dennoch Lukaschenko als Herr im Hause, ja als Superheld da.

Lukaschenko hat inzwischen berichtet, Prigoschin seit über 20 Jahren als Kollegen zu schätzen. Am Dienstag vor einer Woche soll er laut dem Autokraten in Minsk eingetroffen sein. Laut dem russischen Telegram-Kanal „Brief“ wurde der Chef der Wagner-Truppen bereits am Montagmittag im Hotel „Green City“ beobachtet. Inzwischen sei Prigoschin zu weiteren Verhandlungen zurück nach St. Petersburg geflogen, dem Sitz seiner Söldnertruppe. Beweise legte bisher niemand vor.

Dort gibt es einen Zaun, dort gibt es alles

Lukaschenko über sein Lager-Angebot an die Wagner-Söldner

Als gesichert gilt jedoch, dass der bauernschlaue Lukaschenko Prigoschin künftig in seinen Bittsteller-Gesprächen mit Putin einsetzen wird. Auch dürfte er es Lukaschenko auf Prigoschins Reichtum abgesehen haben. „Die Wagner-Truppen werden auf eigene Rechnung in Belarus sein“, betonte Lukaschenko diese Woche. Eine innere Bedrohung würden diese Söldner nicht darstellen, versicherte der Autokrat. „Wir halten ein genaues Auge auf ihnen“, prahlte er in Minsk.

Wie viele Wagner-Söldner mit Prigoschin nach Belarus umziehen, ist noch nicht bekannt. Vor Wochenfrist hatte die russische Internet-Zeitung Wjorstka berichtet, dass bei der Kleinstadt Assipowitschy der Bau eines 24.000 Quadratmeter großen Lagers für 8.000 Wagner-Söldner begonnen habe. Die 35.000-Einwohner-Stadt befindet sich rund 90 Kilometer südöstlich von Minsk. „Radio Svoboda“ veröffentlichte inzwischen Satellitenaufnahmen, die 303 Zelte bei Assipowitschy zeigen. Hochgerechnet böten sie gar Platz für bis zu 15.000 Söldner. „Wir haben ihnen eine der verlassenen Einheiten angeboten. Dort gibt es einen Zaun, dort gibt es alles“, bestätigte Lukaschenko. Wagner-Rekrutierungszentren sollen indes nicht geplant sein.

Die Szenarien für Wagner in Belarus

Von der Anzahl der tatsächlich umgezogenen Wagner-Söldner hängt ab, wie viel Druck Lukaschenko künftig auf Putin ausüben kann. Ins Spiel könnte die Drohung eines neuen Marsches auf Moskau kommen. Auch wird damit gerechnet, dass die Wagner-Söldner künftig entlang der Grenze zur Ukraine stationiert werden könnten. Die kampferprobten Truppen könnten von dort aus Kiew sowie die Nordwest-Ukraine bedrohen. Warschau wiederum befürchtet, die Wagner-Söldner können an der Grenze zu Polen – und auch Litauen – der zunehmenden Zahl von Flüchtlingen helfen, über die neu errichteten Zäune in die EU zu gelangen.

Schließlich könnte Lukaschenko die Wagner-Söldner zum Schutz gegen die sogenannten Kalinowski-Brigaden einsetzen. Bis zu 1.500 oppositionelle Belarussen kämpfen zurzeit im Kalinowski-Bataillon auf der Seite der Ukraine. Ihre Anführer drohen Lukaschenko mit einer Eroberung von Minsk, sobald der Krieg gewonnen sei.

jeff
4. Juli 2023 - 11.25

Alt erëm e gutt Beispill dofir dass et ëmmer méi Influencer ginn, an dobäi nach Millioun Steiergelder akasséieren vum Staat.