Das Europäische Parlament tagt seit Montag (15.4.) und bis Donnerstag zum letzten Mal in dieser Legislaturperiode. Vom 23. bis zum 26. Mai werden voraussichtlich in allen 28 Mitgliedstaaten Europawahlen stattfinden. Bevor sie sich nach Straßburg aufmachten, zogen die sechs luxemburgischen EU-Parlamentarier gestern in der hauptstädtischen „Maison de l’Europe“ Bilanz.
Mindestens drei der luxemburgischen EP-Abgeordneten werden dem neuen EU-Parlament nicht mehr angehören. CSV-Parteipräsident Frank Engel trägt den Anforderungen seines neuen Amtes Rechnung und strebt keinen Sitz mehr in Straßburg beziehungsweise Brüssel an. Georges Bach (CSV/EVP) und Mady Delvaux-Stehres (LSAP/S&D) haben ihrerseits beschlossen, ihre politische Karriere zu beenden. Die drei anderen hingegen ziehen für ihre jeweiligen Parteien als Spitzenkandidaten in den Europawahlkampf: Charles Goerens (DP/ALDE), Christophe Hansen (CSV/EVP) und Tilly Metz („déi gréng“/Grüne).
Die beiden Letztgenannten gehören dem EP seit weniger als einem Jahr an. Tilly Metz rückte im Juni 2018 für Claude Turmes nach, der nach dem Tod von Staatssekretär Camille Gira dessen Posten in der Regierung übernahm. Christophe Hansen ersetzte drei Monate später Viviane Reding im EP, die damals davon ausging, in einer künftigen CSV-geführten Regierung einen Ministerposten zu bekleiden.
Trotz ihrer verkürzten Mandatsperiode wussten die beiden Neuzugänge viel zu berichten. Tilly Metz etwa über ihre Beteiligung am Programm InvestEU, das die EU-Finanzierungsinstrumente zur Förderung von Investitionen in der Europäischen Union zusammenlegt. Dabei müssten förderwürdige Projekte auch einen Klimatest bestehen, so die Grünenpolitikerin, die darauf hinwies, dass die gesetzten EU-Ziele im Kampf gegen den Klimawandel nicht ausreichen würden.
Stark hat und will sich Tilly Metz auch weiterhin für den Tierschutz in der EU machen. Daneben befürwortet sie ein Mehr an Transparenz im EP, damit der „legislative Fußabdruck“, also das Zustandekommen der Entscheidungen im EP, für die Bürger sichtbarer wird.
Christophe Hansen, der seinerseits die Dossiers seiner Vorgängerin geerbt hat, beschäftigte sich vor allem mit dem EU-Japan-Handelsabkommen, das sich insbesondere durch ein Kapitel über die nachhaltige Entwicklung auszeichne, so der EVP-Politiker. Hansen wird, falls er wiedergewählt wird, als Berichterstatter im EP die Reform der Richtlinie über die Qualität des Trinkwassers in der EU mitgestalten. Im Umweltausschuss hat er sich bereits mit dem Verbot von zehn verschiedenen Plastikprodukten und der Einführung einer Obergrenze für den CO2-Ausstoß von Lkws und Bussen befasst.
EU-Werte, Digitalisierung und Verbraucherschutz
Weniger eine Bilanz als vielmehr einen Ausblick machte Charles Goerens auf die großen Themen, mit denen sich die EU in den kommenden Jahren zu beschäftigen habe. Auf „innovative Finanzierungsmodelle“ setzt der DP-Politiker, wenn es darum geht, Gelder im Privatsektor für mehr Investitionen in der EU zu mobilisieren. Goerens beklagt zudem, dass die fundamentalen Werte in der EU in zunehmendem Maße missachtet würden. Er plädiert daher dafür, die EU-Erweiterung so lange auszusetzen, bis ein geeigneter Mechanismus gefunden wurde, um diese Tendenzen zu sanktionieren. Daneben will er das Nord-Süd- sowie West-Ost-Gefälle vor allem in seiner sozialen Dimension abbauen. Zudem will der DP-Politiker, dass sich die EU „anderen Formen des Multilateralismus“ zuwendet, nachdem sich die USA unter Donald Trump von wesentlichen Abkommen und Vereinbarungen verabschiedet haben.
„Mich nervt, dass im Moment nur über den Brexit geredet wird“, meinte Mady Delvaux-Stehres, wobei doch sehr viel Arbeit getan werde, damit Europa funktioniere. Einer ihrer Arbeitsschwerpunkte waren die ethischen Aspekte der Digitalisierung. Dazu hat sie einen Bericht über den Einsatz von Robotern im täglichen Leben und die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten ausgearbeitet. Als Antwort darauf hat die EU-Kommission vergangene Woche weitere Maßnahmen ergriffen, um Ethikleitlinien beim Gebrauch von Künstlicher Intelligenz auszuarbeiten. Daneben hat sich die LSAP-Politikerin mit der weiteren Regulierung des Banken- und Finanzwesens beschäftigt sowie unter anderem an der Einführung des Prinzips einer Sammelklage in Europa mitgearbeitet, damit geschädigte Verbraucher nicht einzeln, sondern gemeinsam ihr Recht gegenüber Unternehmen einklagen können.
Migration und Entwicklung
„Große Sorgen“ macht sich Frank Engel darüber, dass der Themenkomplex Migration und Entwicklung nicht mit der nötigen Effizienz angegangen werde. Er befürchtet, dass die Europäer trotz anderslautender Bekundungen vor allem in Afrika die Wurzeln der Immigration nicht entschieden genug bekämpfen. „Der Migrationsdruck auf Europa wird nicht verschwinden“, prophezeit der CSV-Politiker. Gemeinsam mit Charles Goerens hat er federführend an der Zusammenlegung der EUFinanzierungsinstrumente für die gemeinsame Außenpolitik mitgearbeitet, die zu 95 Prozent der Entwicklungshilfe zugute kommt. Daneben war er an der Bearbeitung „aller Texte beteiligt, mit der Rechtsstaatlichkeit in der EU zu tun haben“, so Frank Engel weiter.
Der ehemalige Transportgewerkschafter Georges Bach kümmerte sich in den letzten Jahren um die Lenk-und Ruhezeiten von Lkw-Fahrern, deren Einhaltung künftig besser kontrolliert werden sollen. Dabei bräuchten die Fahrer laut der neuen Gesetzgebung vor allem ihre Wochenenden nicht mehr in der Fahrerkabine zu verbringen.
In Sachen Entsenderichtlinie hat sich der CSV-Politiker für das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort eingesetzt. Daneben beschäftigte er sich mit der Umsetzung des sogenannten vierten Eisenbahnpaketes, das trotz einer weiteren Marktöffnung im Personenverkehr für Luxemburg vorteilhaft ist, da das Land keine Ausschreibungen für die Vergabe von Strecken durchführen muss.
Alles dreimol neischt.