FR.A.RT (44)Leila Lallali, 1987, Berlin 

FR.A.RT (44) / Leila Lallali, 1987, Berlin 
 Foto: Anouk Flesch

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Leila Lallali kann man nicht in eine Schublade stecken. Sie ist Malerin und Schauspielerin und hat schon in London, New York und Paris gelebt. Sie wuchs in Luxemburg auf, doch als Tochter eines Piloten begann sie früh, die Welt zu entdecken. Nach einem Mode- und Kunststudium in London zog es sie nach New York, um Schauspiel zu studieren. Anschließend hat sie an diversen luxemburgischen und internationalen Produktionen mitgewirkt. Als sie durch die Pandemie ihre Schauspieljobs verlor, entdeckte sie die Malerei wieder. Unter dem Künstlernamen Leila Saint James malt sie farbenfrohe minimalistische Leinwände, die u.a. Teil der von der Valerius Gallery organisierten Ausstellung „Young Luxembourgish Artists“ (YLA) waren. Heute lebt Lallali in Berlin.

Tageblatt: Beschreiben Sie sich in drei Wörtern.

Leila Lallali: Empathisch, witzig und einfallsreich.

Sehen Sie sich eher als Malerin oder als Schauspielerin?

Ich bin und brauche beide. Sie vervollständigen sich gegenseitig. Schauspielern ist extrovertierter und es gibt interessante Dynamiken mit anderen. Mir gefällt, dass die Rollen sich mit einem selbst entwickeln – vor zehn Jahren hätte ich beispielsweise noch keine Mutter spielen können. Die Malerei ist introvertiert und dient mir als therapeutischer Eskapismus. Trotzdem will ich mich nicht durch einen Beruf definieren. Wir Menschen sind vielfältige Wesen, die sich gleichzeitig für verschiedene Dinge interessieren können.

Wie hat sich Ihre Kunst entwickelt?

Während meines Studiums waren meine Leinwände dunkel und sehr geladen mit Collage, Objekten, Malerei und Text. Sie spiegelten meinen damaligen emotional geladenen Zustand wider. Jetzt ist sie auf das Essenzielle reduziert und leichter. Nur die Textelemente habe ich behalten.

Wann sind Sie am kreativsten?

Man darf nicht darauf warten, dass alle Elemente stimmen, um kreativ zu sein, ansonsten malt man ein Bild pro Jahr. Als Berufskünstler*in muss man lernen, auch dann zu arbeiten, wenn man es nicht fühlt. Beim Fliegen kann ich gut loslassen und meine Gedanken fließen. Meine Bilder beginnen meistens mit einem Titel. Auf meinem Computer habe ich eine Liste von Titeln, die schneller wächst, als dass ich die entsprechenden Bilder malen kann.

Was wünschen Sie sich, dass Ihre Arbeit im Betrachtenden auslöst?

Meine Kunst soll ein Gegengewicht zu der Welt sein, in der wir leben. Wir alle brauchen eine Pause von den verschiedenen Verantwortungen, die uns oft überfordern. Wenn meine Kunst ein wenig zu dieser Pause wird, bin ich glücklich. Deshalb nutze ich helle, frohe Farben und humorvolle Elemente.

Gerade malen Sie eine Serie über Pferde und Ponys. Warum?

Meine Faszination mit Pferden kommt daher, dass ich mit acht Jahren während einer Reitstunde einen schlimmen Unfall hatte. Ich frage mich, inwiefern meine Nahtoderfahrung mich zu einem anderen Menschen gemacht hat. Wegen des Unfalls trage ich auch eine Narbe im Gesicht, auf die ich oft bei Castings angesprochen werde. Ich will diese Erfahrung verarbeiten, indem ich intuitiv und unvoreingenommen wie ein Kind an sie herangehe.

Mit welcher Künstlerin würden Sie gerne einmal zusammenarbeiten?

Ganz klar mit der schwedischen Malerin Hilma af Klint. Sie erlangte erst Jahrzehnte nach ihrem Tod Berühmtheit, denn sie war ihrer Zeit total voraus und hatte eine bewundernswert progressive Weltanschauung. Welch ein Mut, so groß zu träumen!

Welcher Teil des Kunstschaffens gefällt Ihnen am wenigsten?

Dass es nicht ausreicht, kreativ zu schaffen. Ich bin gleichzeitig Businessfrau, Social-Media-Managerin, Künstlerin und Buchhalterin. Das kostet Zeit und es ist schwer, das Gleichgewicht nicht zu verlieren, aber es ist ein integraler Teil der Selbstständigkeit. Man muss gut darauf achten, seine Kreativität zu beschützen.

Wie erfahren Sie die Kunstszene als Frau?

Beim Schauspiel ist das sehr extrem, permanent wird man mit seinem Körper, Alter und Aussehen konfrontiert. Dort habe ich alles gesehen, das hat mich abgehärtet. In Amerika rät man jungen Frauen, aufzuhören, wenn man mit 25 keinen Durchbruch hatte, danach sei man zu alt. Ich habe auch schon erfahren, für die gleiche Arbeit als Frau viel weniger zu verdienen als Männer. In der Malerei fühle ich mich insofern wohl, dass nicht ich das Produkt bin, sondern meine Leinwände. Es gibt einen Schutz zwischen dem, was ich mache, und dem, was ich bin.

Was würden Sie sich für die luxemburgische Kunstszene wünschen?

Ich sehe Kunst als universelle Sprache, weshalb ich ihr keine geografischen Grenzen setzen will. Allerdings bewundere ich die Valerius Gallery für ihr Engagement, sowohl luxemburgische als auch ausländische „Rising stars“ zu unterstützen.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?

Als sehr erfolgreiche Künstlerin, die coole Zusammenarbeiten macht und in großen Galerien ausstellt. Mein Traum ist es, von dem, was ich gerne mache, gut leben zu können. Vielleicht werde ich in der Sonne Kaliforniens leben. Ich habe immer schon groß geträumt.

Welche Projekte haben Sie momentan?

Ich will weiter an Serien arbeiten, die es mir erlauben, eine Idee auf verschiedene Weisen auszuschöpfen. Mein Ziel ist es, mehr Kontakt zu Galerien, Plattformen und Künstler*innen herzustellen, um hier in Berlin und international Fuss zu fassen. Als Schauspielerin arbeite ich gerade an einer Webserie und an einem Stück, das Anfang 2022 im CAPE zu sehen sein wird.

Welche luxemburgische Künstlerin empfehlen Sie?

Jil Lahr, die ich bei der YLA-Ausstellung kennengelernt habe.

@FR_A_RT

Frauen sind in der Kunstwelt nach wie vor unterrepräsentiert. Um dem entgegenzuwirken, stellt die FR_A_RT-Porträtserie Künstlerinnen vor, die eine Verbindung zu Luxemburg haben. Jedes Porträt besteht aus einem Interview und Fotos. Das Projekt schließt diverse visuelle Kunstgenres sowie etablierte Künstlerinnen und Newcomerinnen ein.