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Kurz: Trotz Skandalen im Aufwind

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Von Manfred Maurer

Wer gehofft hatte, dass Sebastian Kurz bald auf die Nase fallen würde, wurde enttäuscht. Nach 100 Tagen im Amt hält sich der  jüngste Regierungschef der Welt im Aufwind. Skandale beim Koalitionspartner können ihm (noch) nichts anhaben.

Gerade hat die FPÖ wieder zwei ihrer Gemeinderäte wegen brauner Eskapaden entsorgen müssen. Die beiden Kommunalpolitiker in oberösterreichischen Suben hatten in einer  WhatsApp-Gruppe Neonazi-Inhalte geteilt. Es ist nur eine von vielen Affären dieser Art. Ende Jänner hatte in Niederösterreich der FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer nur wenige Tage vor der Wahl zurücktreten müssen, weil er  als stellvertretender Obmann der schlagenden Burschenschaft „Germania“ ein dort gefundenes Nazi-Liederbuch zu verantworten hatte.

Noch hält sich der Unmut der Wähler wegen solche Skandale in Grenzen. Bei den Landtagswahlen in Niederösterreich, Tirol und Kärnten blieben die Rechtspopulisten zwar jeweils unter den eigenen Erwartungen, wegen des Verschwindens einiger vor fünf Jhren noch konkurrierenden Protestparteien konnten sie aber dennoch Zugewinne bejubeln. Kein gutes Bild macht die FPÖ auch in der Affäre um das Bundesamt für  Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), wo Innenminister Herbert Kickl ohne Rücksicht auf Verluste die Demontage des ÖVP-nahen Chefs betreibt. Nach der Razzia einer von einem FPÖ-Politiker geführten Polizeieinheit beim BVT fragte vorige Woche sogar das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Wien an, ob  deutsche Geheimdiensterkenntnisse in falsche Hände gelangt sein könnten. Das wurde zwar umgehend verneint, aber das Vertrauen, die Basis jeder geheimdienstlichen Kooperation, dürfte zumindest erschüttert sein.

ÖVP weiter im Umfragehoch

Einem aber konnten die blauen Skandale bisher überhaupt nichts anhaben: Sebastian Kurz, der seine ÖVP in eine Koalition mit den Freiheitlichen geführt hat und am Dienstag das 100-Tage-Jubiläum feiert. Dem mit 31 Jahren  jüngsten Kanzler der Geschichte ist es tatsächlich gelungen, den über Jahre hinweg um seine Person aufgebauten Hype zu konsolidieren. Wer gehofft hatte, der im Wahlkampf weitgehend auf Worthülsen und Gemeinplätze  reduzierte Politpopstar würde nach dem Triumph im Alltagsgeschäft schnell an Glanz verlieren,  wurde bisher eines Besseren belehrt. Zwei am Wochenende veröffentlichte Umfragen zeigen ein einheitliches Meinungsbild: Kurz‘ ÖVP kann in der Sonntagsfrage mit 32 Prozent das bei der Wahl im Oktober erreichte Hoch halten, die FPÖ verliert mit 22 Prozent etwa zwei Prozentpunkte, während die jetzt oppositionelle SPÖ von Ex-Kanzler Christian Kern mit einem lauen Plus von einem Punkt bei 28 Prozent auf ihrem historischen Tief verharrt. Und 49 Prozent sind mit der Arbeit der ÖVP-FPÖ-Koalition sehr oder zumindest eher zufrieden, während 28 Prozent wenig und nur 17 Prozent gar nicht zufrieden sind.

Zwischen Hass und Liebe

Die Anti-Kurz-Minderheit ist keine kleine. Viele mögen das Bubi am Ballhausplatz nicht, für manche ist er gar Hassobjekt, auch wenn der Spottsturm im Netz etwas abgeflaut ist. „Basti“ lässt jedenfalls keinen kalt. Dass ihn die ÖVP geradezu vergöttert, erklärt sich einfach aus der Tatsache, dass Kurz seiner Partei das Kanzleramt souverän zurückerobert hat. Anders als Wolfgang Schüssel, der   sich im Jahr 2000 nur aus der Position des Dritten heraus von Jörg Haider zum Kanzler machen lassen konnte, gewann Kurz das Rennen ins Kanzleramt aus der Poleposition. Seither ist die Welt der Kurz auf Türkis umgefärbten Schwarzen wieder in Ordnung.

Kontrollierte Botschaften

Es wäre freilich zu kurz gegriffen, den Erfolg nur mit dem bubenhaften Charme eines idealtypischen Schiegersohnes zu erklären. Wer Kurz das Wasser reichen oder ihm auch einmal abgraben will, sollte das Erfolgsrezept genau studieren. Ein zentraler Punkt ist „Message control“. Das gefällt zwar nur jenen Journalisten, welche in der Gunst des Kanzlers und/oder im Dienst von Medien mit entsprechender Reichweite stehen, sorgt aber für ein homogenes Erscheinungsbild der Regierung. Ein zentrales Problem der im Oktober abgewählten Große Koalition war die permanente Kakophonie. SPÖ und ÖVP wurden nicht mehr als konstruktive Partner, sondern nur noch als Streitparteien wahrgenommen, was der harmoniebedürftige Österreich wenig schätzt. Der neue Kanzler hat die totale Kontrolle über die Nachrichten übernommen: Öffentliche Statements der Minister sind, so solche überhaupt gemacht werden, stets mit den Medienprofis des Kanzleramts akkordiert. Botschaften werden gezielt in ausgewählten Medien platziert. Streit gibt es nicht. Und wenn, dann nur hinter verschlossenen Türen. Dieses harmonische Erscheinungsbild wird nach dem gefühlt ewigen Dauerzwist der rot-schwarzen Koalitionen selbst von Kurz weniger gewogenen Beobachtern gewürdigt.

Bürgerliche Wende

Und die bislang verbreiteten Botschaften sind in der Regel angenehm. Sofern sie Österreicher betreffen. Finanzminister Hartwig Löger hat gerade sein Doppelbudget für 2018/19 präsentiert, das erstmals seit 65 Jahren keine neuen Schulden mehr vorsieht. Nörgler finden, dass dies in Zeiten der Hochkonjunktur ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein müsste. Kurz‘ Botschaft, man wolle „nicht mehr ständig auf Kosten der nächsten Generationen leben“, kommt jedenfalls an. Dies umso mehr, als es trotzdem was zu verteilen gibt: Ab kommendem Jahr gibt es den „Familienbonus plus“ in Form eines Absetzbetrages in der Höhe von 1500 Euro pro Kind und Jahr. Dass Geringverdiener  diesen Bonus gar nicht voll ausschöpfen können, regt zwar die Opposition auf, ist aber aus der Kanzlerperspektive nur konsequent: Der ÖVP-Chef will die sogenannten Leistungsträger belohnen und steht auch dazu. Das ist Teil der, wie Kurz es nennt, „bürgerlichen Wende“.

Bad News nur für Ausländer

Dazu gehört auch eine schärfere Gangart gegenüber Ausländern. Für die gibt es weniger gute Nachrichten. Etwa die zentrale Botschaft des Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ)  zum Budget: Sparen bei Ausländern. So wird der Familienbonus wie das Kindergeld für in Österreich arbeitende Ausländer indexiert, sprich an die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Heimatland angepasst. Die EU-Kommission hat zwar schon lassen lassen, dass das wohl EU-rechtswidrig ist, aber das kümmert Kurz vorerst nicht. Die Indexierung sei  „absolut notwendig, denn Österreich überweist Hunderte Millionen an Familienbeihilfe ins Ausland“, sagt er und hat wohl die Mehrheit der Österreicher hinter sich, wenn er dies mit Verweis die geringeren Lebenshaltungskosten in Rumänien  für  „nicht gerecht“ erklärt. Den zu erwartenden Widerstand sieht der Kanzler gelassen: „Wenn es hier Klagen gegen Österreich gibt, dann nehmen wir das zur Kenntnis, aber das bringt uns nicht von unserem Weg ab.“ Auch die geplante Reform der Mindestsicherung soll vor allem zu Lasten von Migranten und Flüchtlingen gehen.

Warten auf den reinen Wein

Doch auch die Österreicher sollten sich darauf einstellen, dass es ein bisschen unbequemer werden könnte. Ernst werden könnte es damit nach dem 22. April, wenn Salzburg die heurige Landtagswahlserie abgeschlossen hat. Denn wenn die Rechnung mit dem nachhaltig sanierten Budget, dem Schuldenabbau und der versprochenen Senkung des Abgabenniveaus auf 40 Prozent aufgehen soll, wird Kurz seinen Landsleuten ein paar Achterl reinen Wein einschenken müssen. Das Verteilen von Goodies wird sich mit Einsparungen bei Ausländern allein nicht finanzieren lassen.  Weil die Message Control so gut funktioniert, liegen die Vorhaben der Regierung in Bereichen, wo das Sparen weniger angenehm sein wird, noch weitgehend im Dunkeln. Wenn Kurz aber die ehrgeizigen Budgetziele auch bei wieder einmal nachlassender Konjunktur und steigenden Zinsen erreichen will, sind Einschnitte auch in Bereichen, die das eigene Klientel treffen, kaum zu vermeiden. Dann erst steht die Teflonschicht, an der jetzt noch jede Kritik abperlt, vor einem wirklichen Härtetest.