Pierre Soulages galt als Meister der Farbe Schwarz. Nun ist der Maler, einer der bekanntesten Künstler Frankreichs, gestorben. Der Nachwelt hinterlässt er ein Museum und einzigartige Lichtbilder.
Mal sind sie matt, mal glänzend – und fast immer sind die breiten Streifen auf den ungegenständlichen Werken schwarz. Mehr als 60 Jahre lang hat sich der französische Maler Pierre Soulages mit der Farbe Schwarz auseinandergesetzt. Nun ist der Künstler, der zu den einflussreichsten abstrakten Malern des 20. Jahrhunderts zählt, im Alter von 102 Jahren gestorben.
Seine minimalistisch-gestischen Gemälde in Schwarz haben Soulages schon früh bekannt gemacht. Im Jahr 1948 waren seine Kompositionen in der ersten Ausstellung französischer Maler in Deutschland zu sehen. Einzelausstellungen in Galerien in Paris, München und New York folgten. 1955 nahm er an der ersten documenta in Kassel teil, seine ersten Retrospektiven in internationalen Museen fanden bereits in den 60er-Jahren statt.
Die ersten abstrakten Kompositionen sind ab Mitte der 40er Jahre entstanden. Es sind Darstellungen, auf denen er mit Nussbeize, einem Material zum Aufpeppen alter Möbel, schwungvoll breite schwarz-bräunliche Linien geschaffen hat. In diesen Werken benutzte Soulages die Farbe Schwarz noch, um durch sie den Lichteffekt von Weiß und anderen Farben zum Ausdruck zu bringen.
Im Jahr 1979 sollte sich das ändern. Er begann, die Leinwand ganz mit Schwarz zu bedecken und die Farbe zur Reflexion des Lichts zu nehmen. Überdimensionale Triptychen und Polyptychen sind entstanden, bei denen die Struktur der schwarzen Farbpaste das Licht moduliert. „Outrenoir“, jenseits von Schwarz, nannte er diese Kompositionen, die seitdem seine Arbeit bestimmten und ihn international bekannt gemacht haben. Das sei nicht einfach schwarze Farbe, das sei Licht, mit dem er male, sagte Soulages einmal der Deutschen Presse-Agentur.
Dabei sind diese Werke eher aus einer künstlerischen Krise heraus entstanden. Nachdem er stundenlang vor einer Leinwand gestanden und ratlos mit der Farbe Schwarz experimentiert habe, habe er verzweifelt sein Atelier verlassen, erzählte Soulages in mehreren Interviews. Als er später in sein Atelier zurückgekehrt sei, habe sich das Schwarz bereits über die ganze Leinwand verbreitet.
Schwarz sei die erste Farbe in der Kunstgeschichte gewesen, erklärte Soulages seine Bildwelt. Mit dem Licht seien zwar die Farben geboren worden, doch das Schwarz habe es schon zuvor gegeben, so der Maler, der sich auch stets in Schwarz kleidete.
Bürsten, Besen und Holzstangen: Soulages arbeitete mit den ungewöhnlichsten Werkzeugen, um in der auf der Leinwand dick aufgetragenen schwarzen Acrylfarbe Rillen und Furchen zu erzeugen, mal dicke, mal dünne, mal schräge, mal gerade, die je nach Lichteinfall neue Strukturen erscheinen lassen. Dadurch machte er das Licht zum festen Bestandteil seines Werkes. Keines der Bilder gleicht dem anderen.
Zu Soulages’ Gesamtwerk gehören auch die berühmten Fenster der Klosterkirche Sainte-Foy im südfranzösischen Conques. Zwischen 1986 und 1994 hat er dort mehr als 100 Werke entworfen: milchig-weiße, von schwarzen Bleibändern quer und diagonal durchzogene Fenster.
Soulages wurde am 24. Dezember 1919 in Rodez rund 40 Kilometer von Conques entfernt als Sohn eines Kutschenbauers geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging er nach Paris. Dort lernte er neben Hans Hartung und Francis Picabia Vertreter der amerikanischen Kunstszene kennen, darunter Mark Rothko und Robert Motherwell. Mit seinen schwarzen, kalligrafiehaften Bildwelten galt er als europäisches Pendant zu den amerikanischen abstrakten Expressionisten.
Der Nachwelt hinterlässt er ein umfassendes Gesamtwerk, das aus über 1.500 Gemälden und mehreren hundert grafischen Arbeiten bestehen soll. Rund 500 Werke überließ Soulages schon vor Jahren seiner Geburtsstadt Rodez. Der Wert der Schenkung wurde auf bis zu 80 Millionen Euro geschätzt und ist heute teilweise in dem 2014 eröffneten Soulages-Museum zu sehen, das die Stadt dem Meister der Farbe Schwarz gewidmet hat. (dpa)
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