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EditorialKeine friedlichen Perspektiven für Zeit nach dem Gaza-Krieg

Editorial / Keine friedlichen Perspektiven für Zeit nach dem Gaza-Krieg
Angehörige betrauern ihre Toten am Rande eines Krankenhauses in Chan Junis Foto: Mahmud Hams/AFP

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Die israelische Armee wütet im Gazastreifen, als gäbe es keine Zeit mehr nach dem Krieg in dem schmalen Küstengebiet. Jüngst schätzten die Vereinten Nationen, dass bereits 40 Prozent der Wohnhäuser durch israelische Bombardements zerstört worden seien, ganz zu schweigen von lebenswichtiger Infrastruktur wie Wasser- und Stromversorgung. Damit haben Hunderttausende Menschen kein Zuhause mehr. Zudem seien mittlerweile drei Viertel der rund 2,3 Millionen Palästinenser auf dem engen Stück Land auf der Flucht. Ausweichmöglichkeiten bleiben ihnen kaum noch, um den Kriegshandlungen auf dem zunehmend ausgedehnten Schlachtfeld zu entgehen. Hochrangige israelische Offiziere wiederum erklärten, dass für jeden getöteten Hamas-Kämpfer jeweils auch zwei Zivilisten sterben. Wobei sich die israelische Armee dennoch die größte Mühe gebe, Opfer unter der Zivilbevölkerung zu vermeiden. Das kann man durchaus annehmen, ändert aber nichts an der Tatsache, dass bislang an die 16.000 Menschen, darunter Tausende Kinder, im Gaza-Krieg ums Leben kamen. Die Zahl an Verletzten dürfte ein Mehrfaches betragen, von denen vermutlich viele ihr Leben lang gezeichnet bleiben.

Zwar versichert die israelische Armee, sie wolle niemanden aus dem Gazastreifen vertreiben. Doch fragt sich, wie später ein Leben dort zwischen den Ruinen und angesichts der enormen Kriegsschäden noch möglich sein wird. Vor allem, da noch nicht abzusehen ist, wann dieser Krieg endet. Wohl hat der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu als Ziel des Krieges die Befreiung der Geiseln sowie die Vernichtung der Terrororganisation Hamas vorgegeben. Doch lässt sich schwer sagen, wann die Terrorbande nach Netanyahus Ermessen ausreichend dezimiert sein wird. Der mit seiner Regierung, nebenbei gesagt, ein eigennütziges Interesse daran hat, wenn sich der Krieg hinzieht. Denn so lange werden weder die Verantwortung der Regierung für den Terrorüberfall geklärt noch die entsprechenden Konsequenzen gezogen.

Doch neben der Dauer des Krieges stellt sich vor allem die Frage nach den Umständen, unter denen der Krieg endet. Wird es ein sich hinziehender Waffenstillstand sein, werden sich die israelischen Truppen einfach bloß zurückziehen und, wie bereits geplant, auf einem breiten Grenzstreifen auf palästinensischem Territorium einen Sicherheitspuffer einrichten, mit dem ein neuerlicher Angriff wie am 7. Oktober unmöglich gemacht werden soll? Vor allem aber: Wie soll das Verhältnis zwischen Israel und den Palästinensern dann sein? Angesichts der internationalen Bemühungen, der humanitären Katastrophe entgegenzuwirken, die Geiseln freizubekommen, den Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen anzumahnen, und des doch sehr bescheidenen Erfolgs dabei, sieht es sehr düster aus, nach dem Waffengang eine wie auch immer geartete Regelung für ein friedlicheres Auskommen zwischen den Streitparteien auszuhandeln.

Auf beiden Seiten haben die unterstützenden und befreundeten Staaten Schwierigkeiten, überzeugend und mäßigend auf ihre Partner einzuwirken. An eine Wiederaufnahme von Gesprächen über eine endgültige Beilegung des Konflikts in Form der Zwei-Staaten-Lösung ist in Anbetracht dessen kaum zu denken. Perspektiven auf eine friedlichere Zukunft für die Menschen in der Region sind demnach nicht in Sicht.