Tageblatt: Derzeit gibt es teils beunruhigende Nachrichten aus China. Wie schätzen Sie die allgemeine Situation derzeit in Luxemburg ein? Und: Wie viel Sorge müssen wir uns machen, dass die Corona-Pandemie erneut aufflammt und die Gesellschaft wieder stark einschränkt?
Prof. Dr. Claude P. Muller: Aus Sicht der öffentlichen Gesundheitsfürsorge ist die Pandemie vorbei. Und zwar nicht erst jetzt, sondern schon seit etlichen Monaten. Wenn man diese Monate zurückschaut, dann waren nie mehr als zwei, drei Patienten auf der Intensivstation. Also: Die Pandemie-spezifischen Maßnahmen, die der Staat zu ergreifen hat, um das Gesundheitssystem zu schützen, konnten entfallen. Die staatliche Sorgfaltspflicht geht wieder in den Eigenschutz des Bürgers über.
Das Virus ist aber alles andere als verschwunden. Das geht ja auch aus dem Abwasserbericht hervor, dass die Viruslast in der Bevölkerung nach wie vor recht hoch ist, oder?
Ja, zum Beispiel. Und darum gibt es natürlich weiterhin die individuelle Pflicht, sich vor Corona zu schützen. Und das geschieht nachhaltig nur durch Impfung. Alle anderen Maßnahmen haben nur einen kurzzeitigen, begrenzten Effekt, solange sie in Kraft sind.
Wenn man nicht zu einer Risikogruppe gehört, dann erreichen einen die Aufforderungen zur Corona-Impfung ja nicht mehr so stark und den Impfpass braucht man ja praktisch auch nicht mehr im Alltag. Bei vielen dürfte es also bei der ersten Impfung plus einem Booster geblieben sein, und das war vor vielen Monaten. Hat man damit immer noch einen guten Schutz?
In der Zwischenzeit wird schon die dritte Dosis empfohlen. Diese enthält nicht nur einen Booster gegen das ursprüngliche Wuhan-Virus, sondern auch einen adaptierten Wirkstoff gegen Omikron. Die dritte Impfung hat also diesen doppelten Vorteil: Sie boostet die Immunität noch einmal und macht sie gleichzeitig breiter.
Gut, jetzt haben wir also die Situation, dass, vor allem im Vergleich zur Hochphase der Pandemie, die Gesellschaft ja wieder viel sorgloser geworden ist. So besteht fast nirgendwo mehr Masken- oder Testpflicht. Besteht nicht die Gefahr, dass sich das Auftreten einer wieder gefährlicheren Variante umso verheerender auswirken kann?
Diese Gefahr gibt es, die Frage ist aber: wie groß ist sie? Meiner Meinung nach stand diese Angst zu sehr im Vordergrund. Das Virus hat ja am Anfang immer neue Varianten entwickelt, und viele, die Viren nur vom Sars-CoV-2 kannten, meinten, das würde immer so weitergehen. Aber ich sehe das nicht so. Es können neue Varianten kommen, aber die Frage ist: Sind diese in ihren drei wesentlichen intrinsischen Eigenschaften anders, also in Virulenz, Resistenz gegen Impfung und Infektiosität. Die Viren nehmen immer wieder neue Mutationen an, das macht sie nicht unbedingt zu neuen Varianten mit neuen intrinsischen Eigenschaften. Die Möglichkeit bleibt aber.
Aber was ist denn Ihr Eindruck, was gerade in China los ist? Da liegen ja teils sehr unterschiedliche Zahlen vor, aber ganz offenbar gibt es doch große Probleme. Wie kann das sein, wenn das Virus doch längst in der Letalität abgenommen haben sollte?
Zunächst einmal: Dass Omikron bei uns relativ harmlos ist, dafür gibt es zwei Gründe. Einmal, dass das Virus per se weniger krank macht, aber auch, weil die hiesige Bevölkerung einen hohen kollektiven Schutz hat – sei es durch Impfung oder durch eine vorausgegangene Infektion. Mein Eindruck ist, dass China weniger auf einen hohen Impfschutz gesetzt hat. Der chinesische Impfstoff ist weniger effizient, zum Teil unter 50 Prozent. Und durch die Null-Covid-Strategie sind auch wenige durch eine durchgemachte Infektion geschützt. Dies alles spricht dafür, dass die kollektive Immunität in der Bevölkerung deutlich niedriger ist als bei uns. Laut Zahlen im New Economist wären etwa 60 Prozent der Bevölkerung mit drei Dosen geimpft, etwa 80 Prozent bei den Ü-60, aber nur 40 Prozent in den Ü-80. Zu der Zuverlässigkeit dieser Zahlen kann ich nichts sagen. Jedenfalls infiziert das Virus jetzt viele Ungeschützte. Bei einer sehr hohen Inzidenz haben auch bei einem insgesamt harmlosen Verlauf ausreichend viele Menschen mit einem schweren Verlauf zu rechnen. Diese scheinen derzeit die chinesischen Kliniken zu überlasten.
Zur Person
Der Mediziner und Chemiker Prof. Dr. Claude P. Muller (CPM) beschäftigt sich seit mehr als einem Vierteljahrhundert am Luxembourg Institute of Health (LIH) mit der Überwachung und dem Management von Virusausbrüchen auf globaler Ebene.
Muller ist in Forschung und Lehre international tätig und ebenso gefragt als Berater.
Sind Sie also für eine Testpflicht bei der Einreise nach Europa?
Ja. Beim Testen von Menschen, die aus Hochrisikoregionen kommen, geht es weniger darum, zu verhindern, dass viele Infizierte ankommen, die das Virus verbreiten und dadurch eine neue Welle auslösen. Diese Gefahr sehe ich weniger, weil sowieso genügend Virus bei uns zirkuliert, dass alle Anfälligen sich ohnehin infizieren.
Warum wäre das Testen also dann sinnvoll?
Jetzt, da die Covid-19-Krankheitsinzidenzen niedrig sind, müssen wir uns mehr auf die Qualität des Virus als auf die Inzidenzen konzentrieren. Dazu müssen die Viren durch Sequenzieren überwacht werden, um auf Varianten mit veränderten intrinsischen Eigenschaften reagieren zu können. Das ist besonders der Fall für Viren, die aus Ländern mit hohen Inzidenzen importiert werden, wie das gerade der Fall für China ist. Deshalb ist meines Erachtens eine Testpflicht derzeit sinnvoll und notwendig für Reisende aus China. Wenn eine Infektion nachgewiesen wird, sollte lückenlos sequenziert werden, jedenfalls die ersten zwei, drei Monate. Danach kann neu entschieden werden.
Sind denn die Varianten, die derzeit in China unterwegs sind, wirklich dieselben, die bei uns unterwegs sind? Oder gibt es nicht gerade durch Fernreisende die Gefahr von neuen, gefährlichen Rekombinationen?
Rekombinationen sind beim Coronavirus bekannt, kommen aber erstaunlich selten vor. Varianten gibt es aktuell in Indien und Nordamerika. Nach dem, was ich gelesen habe, sind sie möglicherweise etwas infektiöser, aber nicht virulenter oder resistenter gegen den Impfschutz.
In vielen Ländern gab es ja in der letzten Zeit große Probleme mit anderen Viren als Corona – vor allem RSV hat da Schlagzeilen gemacht: Teilweise konnten Kinder nicht mehr adäquat versorgt werden, auch in der Kinderklinik in Luxemburg gab es Engpässe. Während wir bei Corona stärkste Einschränkungen im öffentlichen Lebens hatten, um die oft genannte „Überlastung des Gesundheitssystems“ zu verhindern, gab es sowas wegen RSV nicht. Hätten Sie sich da nicht auch wieder sowas wie eine Maskenpflicht oder einen Lockdown gewünscht – nur diesmal für die Kinder?
Nein. Die Maßnahmen, die wir bei Corona ergriffen haben, wären in diesem Fall völlig übertrieben. Das Coronavirus ist auf eine völlig „naive“ Bevölkerung gestoßen, die keinerlei Schutz hatte, weil sie vorher nie Kontakt mit diesem Virus hatte. Deshalb gab es sehr viele Fälle auf einmal. Hinzu kam, dass der Schweregrad der Krankheit individuell sehr unterschiedlich war und vor allem chronisch kranke und alte Menschen gefährdet hat, die dann die Kliniken belastet haben. Die Altersverteilung bei den schweren RSV-Fällen ist genau umgekehrt: Es sind vor allem Kleinkinder, die schwer erkranken. Aber die meisten Jugendlichen und Erwachsenen haben in der Kindheit schon RSV durchgemacht und sind damit weitgehend geschützt.
Es geht hier also um eine kleine Gruppe von Patienten, die man besser durch gezieltere sanitäre Maßnahmen schützen kann. Diese können sich beschränken auf Personen mit direktem Kontakt zu kleinen Kindern, also auch andere Kinder. Aber ein genereller Lockdown würde völlig über das Ziel hinaus schießen. Ab einem bestimmten Alter ist die Bevölkerung gegen RSV geschützt, da sie dem Virus längst ausgesetzt war. Eine Impfung gibt es übrigens bisher nicht.
Aber warum kam es denn überhaupt zu so vielen Fällen?
Generell treten respiratorische Infektionen in jahreszeitlichen Wellen auf – diese sind von Jahr zu Jahr unterschiedlich hoch.
Das liegt vor allem daran, dass nach einer hohen Welle viele durch die Infektion geschützt sind und in der nächsten Saison nicht mehr RSV-infektanfällig sind. Nach einer Welle dauert es wieder, bis genug Ungeschützte „nachgewachsen“ sind. Schon deshalb kommen unterschiedlich hohe Wellen zustande.
Aktuell kommt aber dazu, dass die Corona-Maßnahmen, die ja gerade gegen ein anderes respiratorisches Virus gerichtet waren, eben auch gegen andere respiratorische Viren wie das RSV geschützt haben. Dadurch gibt es derzeit mehr Ungeschützte und die Welle ist entsprechend höher.
Nochmal zur Klarstellung: Wir haben hier also eine Welle, die größer ist, weil sie wohl mehrere ausgebliebene Wellen vereint. Was sagen Sie denn zu der vielfach geäußerten Vermutung, dass die Immunsysteme der Kinder durch die Corona-Maßnahmen wie das Maskentragen sogar geschwächt wurden?
Nein, diese Aussage ist unsinnig. Es geht nicht um eine allgemeine Schwächung des Immunsystems, sondern darum, dass das Immunsystem nicht mit dem RSV in Kontakt gekommen ist und deshalb keine RSV-spezifische Immunität entwickelt hat. Denn auch ein gut funktionierendes Immunsystem entwickelt den spezifischen Immunschutz nur dann, wenn es vorher den Erreger bereits gesehen hat. Es ist also nicht eine generelle Schwächung des Immunsystems, sondern die Abwesenheit einer RSV-spezifischen Immunität, weil auch dieses respiratorische Virus während der Pandemie weniger zirkulierte. Das sind zwei völlig verschiedene Aspekte.
@ Grober J-P
Ich würde mir das gern ansehen, aber da es keine Pandemie mehr gibt, habe ich diese Gelegenheit wohl verpasst.Wer ist der Ochs? Kenne ich nicht.Mir geht die Luft beim Treppensteigen aus.
Der Beobachter scheint mir ein Ochsanhänger zu sein. Er sollte sich mal für eine Intensivstation bewerben und zusehen wie Leuten, welche erwiesenermaßen an Corona erkrankt sind, langsam die Luft ausgeht.
Damals, vor Jahren tauchte ein Virus auf. Weltweit kamen Menschen durch/mit dem Virus ums Leben. Eine Pandemie und niemand wusste, wie man nun gegen diese Bedrohung kämpfen konnte.
Es ist nun sehr einfach, wenn wir über Impfungen usw. schimpfen.
Friedliche Grüsse zur Nacht❣️
@ Romain C.
Zumindest aus den Aussagen im Interview lässt sich aber nicht ableiten, dass die Impfstoffe „keine waren“.
Und jetzt soll der Spuk vorbei sein. Keine Pandemie mehr, obschon Millionen Chinesen infiziert sind? Die ganzen Datensammlungen sind digitale Hysterie, die Impfstoffe sind keine und füllen nur die Kassen der Pharmaindustrie. Millionen Dosen Impfstoffe müssen entsorgt werden weil niemand sie mehr will.Der ganz normale Wahnsinn!......
@Beobachter
Nun ja ...
https://www.tageblatt.lu/headlines/sante-meldet-1000-corona-toten-in-luxemburg-1080-neuinfektionen-bei-3-215-tests/
Eigentlich hat es die Pandemie nie wirklich gegeben! Alles nur übertriebene unnütze Vorsichtsmaßnahmen die mehr Schaden angerichtet haben als sie nützlich waren! Oder?....