Nach der Entmachtung der katalanischen Separatisten durch die spanische Zentralregierung in Madrid ist es in der Region wider alle Erwartungen ruhig geblieben. Die allgemein befürchteten Proteste der Unabhängigkeitsbefürworter gegen die Absetzung der Regierung von Carles Puigdemont blieben am Samstag sowohl in Barcelona als auch in anderen Gebieten Kataloniens zunächst aus. Die Amtsgeschäfte Puigdemonts übernahm am Samstag offiziell Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy.
Puigdemont hatte am Samstag zwar zum friedlichen «demokratischen Widerstand» gegen die von Madrid beschlossenen Zwangsmaßnahmen aufgerufen. Doch seine aufgezeichnete TV-Rede wurde von Medien und Beobachtern als weniger resolut bezeichnet als erwartet. Der 54-Jährige deutete an, dass er seine Amtsenthebung nicht anerkennt. Man wolle weiter dafür arbeiten, ein «freies Land» zu gründen, auch wenn man sich «der aktuellen Schwierigkeiten» bewusst sei, sagte er.
Senat macht den Weg für Entmachtung frei
Der Senat hatte mit der Billigung des nie zuvor angewandten Verfassungsartikels 155 am Vortag den Weg für die Entmachtung der Regierung und Neuwahlen am 21. Dezember freigemacht. Auch die übrigen Mitglieder der Regierung in Barcelona wurden mit der Veröffentlichung im Amtsblatt am Samstag für abgesetzt erklärt. Insgesamt mussten 150 Regierungsmitarbeiter gehen. Auch die beiden Chefs der katalanischen Polizeieinheit Mossos d’Esquadra, Pere Soler und Josep Lluís Trapero, wurden abgesetzt.
Die Rede von Puigdemont wollte die Zentralregierung unterdessen nicht kommentieren. Es hieß lediglich, man «bewertet die Äußerungen des Herrn Puigdemont nicht». Mit den Aktionen des früheren Regionalpräsidenten müsse sich nun die Justiz beschäftigen. Nach Medienberichten könnte die Generalstaatsanwaltschaft am Montag die Festnahme des liberalen Politikers anordnen. Ob Puigdemont etwa der Auflehnung gegen die Staatsgewalt oder gar der Rebellion beschuldigt werden könnte, war vorerst nicht bekannt. Im letzten Fall drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft.
Gründung eines unabhängigen Staates
Das Parlament in Barcelona hatte am Freitag nur kurz vor der Entscheidung im Senat für einen Prozess zur Loslösung von Spanien und zur Gründung eines unabhängigen Staates gestimmt – allerdings ohne einen Zeitplan festzulegen. Tausende auf den Straßen bejubelten dies als Unabhängigkeitserklärung.
Puigdemont versteckte sich am Samstag nicht. Er verbrachte den Tag in der katalanischen Stadt Girona, die er zwischen 2011 und 2016 regierte, mit Spaziergängen, einem Mittagessen in einem Restaurant und dem Besuch öffentlicher Veranstaltungen. Dabei wurde er von Passanten bejubelt und um Autogramme gebeten. «President, President», skandierten die Menschen auf Katalanisch.
Nach Medienberichten hat Rajoy Vizeregierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría mit der Übernahme der Verantwortung für die täglichen Amtsgeschäfte in Katalonien betraut. In Madrid demonstrierten derweil am Samstag mehrere tausend Menschen für die Einheit des Landes. In die Fahne Spaniens gehüllt oder fahnenschwenkend riefen sie: «Es lebe Spanien!». Die Demonstranten ließen Rajoy hochleben und forderten die Festnahme Puigdemonts.
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