Bei der Parlaments-Neuwahl in der spanischen Krisenregion Katalonien zeichnet sich insgesamt ein knapper Sieg der Separatisten ab. Die linksnationalistische Partei ERC des inhaftierten Spitzenkandidaten Oriol Junqueras habe im Parlament von Barcelona 34 bis 36 Sitze errungen, wie aus einer Prognose der angesehenen Godo-Mediengruppe (La Vanguardia) hervorgeht, die nach Schließung der Wahllokale um 20.00 Uhr veröffentlicht wurde. Sie basiert auf einer Befragung von 3.200 Wählern.
Die Allianz JuntsxCat (Gemeinsam für Katalonien) von Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont und die linksalternative und antikapitalistische CUP mussten demnach zwar Rückschläge einstecken, jedoch ist eine absolute Mehrheit der drei separatistischen Listen in greifbarer Nähe: Sie kämen zusammen auf bis zu 71 Sitze. Für die absolute Mehrheit reichen schon 68 Sitze. Ein belastbares offizielles Ergebnis soll nicht vor 22.30 Uhr bekannt gegeben werden.
Lange Schlangen an den Wahlurnen
Die liberale Ciudadanos von Spitzenkandidatin Inés Arrimadas kommt der Prognose zufolge sogar auf 34 bis 37 Sitze – jedoch scheint eine absolute Mehrheit der Gegner der Unabhängigkeitsbestrebungen wegen des schlechten Abschneidens der möglichen Koalitionspartner ausgeschlossen. Die Neuwahl fand knapp zwei Monate nach der Absetzung der Separatisten-Regierung durch die Zentralregierung in Madrid statt. Dabei zeichnete sich eine Rekordbeteiligung ab.
Bis 18.00 Uhr hatten trotz des Werktages bereits 68,3 Prozent der 5,5 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, erklärte ein Regierungssprecher. Beobachter rechneten mit einer Beteiligung von mehr als 80 Prozent. Bei der vorangegangenen Regionalwahl 2015 in der nordostspanischen Region, die von den Separatisten zum «Plebiszit über die Unabhängigkeit» erklärt worden war, waren 77 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen gegangen.
Schon vor Öffnung der 2.680 Wahllokale hatten sich am Morgen vielerorts lange Schlangen gebildet. Umfragen hatten wochenlang ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Separatisten und ihren Gegnern vorausgesagt.
Wahl über die Zukunft
Für Katalonien ist die Wahl extrem wichtig und richtungsweisend: Sollten die separatistischen Parteien tatsächlich erneut auf eine absolute Mehrheit der Sitze kommen, würden sie ihre Unabhängigkeitsbestrebungen und den Konfrontationskurs zur Zentralregierung in Madrid vermutlich fortsetzen.
Die Zentralregierung hatte nach einem Unabhängigkeitsbeschluss des Parlaments in Barcelona Ende Oktober die Separatisten entmachtet und die Kontrolle in der Region übernommen. Die Zwangsverwaltung soll in dem Moment enden, in dem eine neue Regionalregierung ihr Amt antritt. Dies könnte aber im Falle von langwierigen und schwierigen Koalitionsverhandlungen Wochen oder sogar Monate dauern.
Die Wahl galt als höchst ungewöhnlich, da einige Kandidaten unter dem Vorwurf der Rebellion im Gefängnis sitzen und Ex-Regionalchef Puigdemont sich nach Brüssel abgesetzt hat, um einer Festnahme zu entgehen. Mit Spannung wird erwartet, wie Puigdemont auf das Wahlergebnis reagieren wird. Kehrt er nach Katalonien zurück, droht ihm die sofortige Festnahme.
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