Karl Marx ist wieder da. Vor 183 Jahren verließ der Denker und Philosoph seine Heimatstadt Trier, um in Bonn Jura zu studieren und später die Welt zu verändern. Nun kehrte der größte Sohn der Stadt zurück – in einer handgefertigten Transportkiste aus Sperrholz und Stahlstreben, als überlebensgroßes Denkmal. Marx, der als einer der wesentlichen geistigen Väter des Kommunismus gilt, kam als Geschenk der Volksrepublik China nach Trier. Eine braune Bronzestatue, genau 4,40 Meter hoch und 2,3 Tonnen schwer.
«Im Moment bin ich zufrieden», sagte Triers Baudezernent Andreas Ludwig, nachdem er einen ersten Blick in den Container geworfen hat. «Ich bin gespannt, wenn er ganz ausgepackt ist.» Kurz vor dem 5. Mai soll die Statue neben der Porta Nigra, dem römischen Wahrzeichen der Moselstadt, aufgestellt werden. An diesem Datum wird der 200. Geburtstag von Marx gefeiert – ein Ereignis, das Trier mit zahlreichen großen Ausstellungen und anderen Ereignissen das ganze Jahr über beschäftigt. Dann, an diesem 5. Mai, wird auch Weishan Wu zugegen sein – jener chinesische Künstler, der nicht nur Direktor des chinesischen Nationalmuseums ist, sondern die Statue auch höchstselbst geschaffen hat.
Bis zu diesem Datum wird das Denkmal, wenn es erst einmal an Ort und Stelle aufgestellt ist, gut bewacht. Denn Marx ist in Trier nicht überall willkommen. Die Stadt hat sich schon immer mit dem weltbekanntesten Trierer schwergetan. Und wenigstens bei der feierlichen Enthüllung soll die Statue nicht bereits besprüht oder von Farbbeuteln verschandelt sein. «Natürlich haben wir diese Angst, diese Befürchtung», formuliert Ludwig. «Denn mit dem Aufstellen ist ja nicht plötzlich Friede, Freude, Eierkuchen.»
Marx war kein Marxist
Das stimmt wohl. Stundenlang war im Stadtrat darüber diskutiert worden, ob man das Präsent der Chinesen überhaupt annehmen soll. Die Volksrepublik hatte bereits in Wuppertal ebenfalls per Geschenk dafür gesorgt, dass dort jetzt eine Statue des Marx-Gefährten Friedrich Engels steht. Schließlich stimmte in Trier eine Mehrheit dafür: Die Statue solle Anlass zur Auseinandersetzung mit Marx sein. Schließlich sei Marx für vieles nicht verantwortlich zu machen, was der Kommunismus in seinem Namen über die Welt gebracht habe. Und Marx distanzierte sich auch angesichts der Deutungen seiner Erkenntnisse über die Ausbeutung der Arbeiterklasse quasi von sich selbst: «Alles, was ich weiß, ist, dass ich kein Marxist bin.»
Jedes Jahr kommen rund 150 000 chinesische Touristen nach Trier – ein Besuch des Marx-Hauses, in dem er nur das erste Lebensjahr verbrachte und in dem die Friedrich-Ebert-Stiftung ein Museum betreibt, gehört zum Standardprogramm. Zumindest von außen. «Das sind viele gute Gründe», sagt Ludwig zur Annahme des chinesischen Geschenks.
Ursprünglich hatte die Statue sogar 6,30 Meter groß werden sollen – jetzt sind es einschließlich des Sockels nur noch 5,50 Meter. Ludwig persönlich hatte Bildhauer Wu die Verkleinerung abgerungen, weil in Trier mittlerweile die Angst vor einem «Mega-Marx» umging. Noch erregter als über die Größe der Marx-Statue wurde in den letzten Jahrzehnten in Trier nur über die Frage diskutiert, ob eine als «blaue Lagune» bekannte Tankstelle geschlossen werden darf – per Bürgerentscheid wurden diese Pläne gestoppt.
«Eine neue Sehenswürdigkeit für Trier» soll das werden, sagt Ludwig, während er von oben auf die Statue schaut. Umhüllt von weißem Kunststoffmaterial in einem völlig weißen Behälter liegt Marx da auf dem Rücken – bestenfalls an Schneewittchen und schlimmstenfalls an einen Leichnam im offenen Sarg erinnernd. «Mit dem Mann muss man sich auseinandersetzen», sagt Ludwig. Und damit dem Philosophen und Denker 200 Jahre nach der Geburt in der Heimat nichts mehr passiere, müsse man wachsam bleiben. Die Stadt hat Vorkehrungen getroffen: «Die Figur ist gewachst. Damit man, wenn etwas passiert, die Farbe auch wieder runterbekommt.»
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