Seit einem Monat ist das Betteln in Luxemburg-Stadt zu bestimmten Uhrzeiten und an bestimmten Orten untersagt. Wurden die Menschen in einem ersten Schritt mit Flyern über die neue Regelung informiert, soll das Verbot nun aktiv umgesetzt werden – wie es seit Freitagnachmittag in mehreren Medienberichten hieß. Ein konkretes Datum wurde auf Nachfrage beim Ministerium für innere Sicherheit und auch der Polizei zunächst nicht genannt. Lediglich vom Polizeisyndikat SNPGL hieß es am Freitag: „Wir gehen davon aus, dass ab kommender Woche mit den verstärkten Kontrollen begonnen wird.“ „Mitte bis Ende Januar“ war der genannte Zeitraum von der Pressestelle der Gemeinde.
Und tatsächlich: Wie der Besuch am Montagmorgen in der Oberstadt zeigte und am Abend dann auch von der Polizei mitgeteilt wurde, werden nun Kontrollen durchgeführt. Wenn auch zunächst eher zurückhaltend. Ein allzu großes Polizeiaufgebot war am späten Montagmorgen beziehungsweise um die Mittagszeit nämlich nicht in der Hauptstadt festzustellen. Umso größer aber das Interesse einiger Mitglieder von Parteien und der Bevölkerung, die die Situation vor Ort im Auge behalten wollten. Sie beobachteten gegen 10 Uhr am Centre Hamilius dann auch, wie sechs Polizeikräfte in Uniform und in Begleitung eines Hundes auftauchten, um ein obdachloses Paar in Schlafsäcken auf die neue Regel aufmerksam zu machen.
„Ich glaube, sie schliefen. Ein Polizist tippte sie an und redete in ruhigem Ton mit ihnen“, erzählte Marc Burggraff am Montagmorgen bei einem Gespräch am Centre Hamilius. Das Mitglied von „déi Lénk“ belegte das Erzählte mit einem Video auf seinem Handy. Guy Foetz, der sich als Mitglied der städtischen Sektion von „déi Lénk“ und als ehemaliges Ratsmitglied am „Knuedler“ gegen ein Bettelverbot einsetzte, wollte sich am Montag ebenfalls ein Bild vor Ort machen und bemerkte: „Die beiden sind ganz klar keine Bande“ und meinte damit den Mann und die Frau, deren Personalien kurz zuvor kontrolliert worden waren.
Verstärkte Ausweiskontrollen
Nach ihrem Ausweis wurden am Montag auch einige Frauen und Männer ohne feste Unterkunft gefragt, die sich seit einiger Zeit beim Theaterplatz aufhalten und dort auch übernachten. Sie sind es gewohnt, dass die Polizei bei ihnen vorbeikommt, am Montag war das bis zur Mittagszeit aber gleich mehrmals der Fall – was ihren Erzählungen nach doch eher unüblich ist. „Wir wurden nach unserem Ausweis gefragt, aber das ist auch davor schon vorgekommen. Aber jetzt soll ja alles krasser werden“, erzählte Andy, ein Mitglied der Gruppe, auf Luxemburgisch. Es ist wahrscheinlich nicht diese Art Gruppe, die Lydie Polfer (DP) und der Schöffenrat mit der neuen Regelung visieren.
Fakt aber ist: Auch wenn die politischen Verantwortlichen immer wieder betonen, dass dank dieser vor allem gegen mutmaßliche Banden und organisiertes Betteln vorgegangen werden soll, hält die neue Fassung der Polizeiverordnung etwas anderes fest: Schwarz auf Weiß ist darin zu lesen, dass laut Artikel 42 alle Formen des Bettelns zu bestimmten Uhrzeiten und an bestimmten Orten verboten sind. Demnach ist die Polizei laut Marlène Negrini vom „Syndicat national de police grand-ducale“ (SNPGL) dazu angehalten, „alle Verstöße zu Protokoll zu bringen, um so die Staatsanwaltschaft darüber zu informieren.“
Mit Folgen, wie die Präsidentin erklärt: „Auch wenn die einfachen Bettler nicht Ziel der Aktion sind, wird wahrscheinlich der eine oder andere protokolliert werden, wenn ein Vergehen vorliegt.“ Die Strafanzeige wird dann an die Staatsanwaltschaft weitergereicht. Die analysiert, ob eine Straftat vorliegt und eine Angelegenheit weiter verfolgt wird. In dem Fall kann eine Verwarnung ausgesprochen oder die strafrechtliche Verfolgung aufgenommen werden. Das ist allerdings nicht die Entscheidung der Polizei „und schon gar nicht von den Beamtinnen und Beamten“, unterstreicht Marlène Negrini, sondern: „Die von der Staatsanwaltschaft.“
Unklarheiten beim Vorgehen
Wie genau die Beamten bei den Kontrollen vorgehen sollen, ist bis dato noch nicht eindeutig klar. „Bis jetzt hat mich die Polizei heute noch nicht angesprochen, aber letzte Woche. Der Beamte erklärte mir dann, dass er selbst nicht weiß, wie er den Text interpretieren soll“, erzählte am Montag der auf dem Boden sitzende Gilles bei einem Gespräch in der Avenue de la Porte-Neuve. Die Unterhaltung mit dem Mann ohne feste Unterkunft zeigte, dass die Situation nicht nur bei den Betroffenen Unsicherheit hervorruft, sondern es auch aufseiten der Polizei Unklarheiten gibt.
Konkrete Nachfragen vom Tageblatt zur Umsetzung wurden von der Polizei nicht beantwortet. Auf eine entsprechende Anfrage beim Ministerium für innere Angelegenheiten gibt es ebenfalls keine Antwort auf diese Frage. „Der Herr Minister wird zum gegebenen Zeitpunkt dazu kommunizieren“, heißt es von der Pressestelle. Darauf angesprochen, wie die von der Politik viel zitierte Unterscheidung zwischen aggressiven Banden und einfachen Bettlerinnen oder Bettlern gemacht werden soll, sagte Léon Gloden (CSV) am Donnerstagabend im Fernsehen bei RTL: „Die Polizei wurde dafür sensibilisiert, dass sie gegen das aggressive Betteln vorgehen soll. Wenn jemand einfach da sitzt, ist das kein aggressives Betteln.“
Polizeiintern soll an einem Papier zur Vorgehensweise gearbeitet werden, bis dato scheint das allerdings noch nicht bei der Belegschaft angekommen zu sein. „Niemand weiß etwas Genaues, auch uns wird nichts gesagt“, betont Marlène Negrini am Montag. Für die weitere Umsetzung der Kontrollen, die nach und nach nun mehr werden sollen, hofft man beim Polizeisyndikat auf Verstärkung von den sogenannten „Agents municipaux“. Denn nach einer Erweiterung ihrer Kompetenzen können sie mittlerweile auch Vergehen gegen die Polizeiverordnung feststellen und zu Protokoll bringen.
„Die Polizei ist zahlenmäßig nicht gut genug aufgestellt, um sich mit allen Verstößen zu beschäftigen, ohne dass dabei andere, wichtige Aufgaben vernachlässigt werden“, erkärt Marlène Negrini in dem Zusammenhang. Sie erwartet, dass die hauptstädtischen „Agents municipaux“ der Polizei künftig unter die Arme greifen werden. Denn: „Alles andere wäre in unseren Augen ziemlich scheinheilig.“ Eine entsprechende Nachfrage bei der Stadt Luxemburg vom Montagmorgen blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
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