Der zu den iranischen Hardlinern zählende Kleriker Ahmad Chatami hat demonstrierenden Gegnern der islamischen Führung mit dem Tode gedroht. In seinem Sermon zum Freitagsgebet in der großen und schwer gesicherten Imam Chomeini Mosalla Moschee in der Hauptstadt Teheran bezeichnete er sie als «Feinde des Islam und des Irans». Es dürfe kein Erbarmen für sie geben, sagte Chatami. Es war die bisher schärfste Drohung der iranischen Führung gegen die seit mehr als einer Woche demonstrierenden Regimekritiker, die auch in der Nacht in einigen Städten wieder marschiert waren.
Der Hardliner griff außerdem die Reformpolitik von Präsident Hassan Ruhani an, die er für die Proteste mitverantwortlich machte. «Wenn es noch mal zu solchen Unruhen kommt, werden die Menschen (gegen Ruhani) reagieren», warnte er. Chatami gilt als Erzfeind der Reformer um Ruhani. Viele iranische Analysten sagen, dass die ersten Proteste, die sich neun Tagen zuvor zunächst gegen hohe Preise gerichtet hatten, ursprünglich von Hardlinern und Ruhani-Gegnern organisiert worden seien, um den Präsidenten zu schwächen. Das ging allerdings nach hinten los. Die Proteste richteten sich schnell gegen den ganzen Führungsapparat, auch gegen den Klerus.
Todesstrafe fürs Flaggenverbrennen?
Ein Sprecher und enger Berater des Präsidenten reagierte umgehend. «Nun der Regierung alle Probleme in die Schuhe zu schieben, ist nicht fair», schrieb Hamid Abutalebi auf Twitter am Freitag. Er warnte auch davor, Demonstranten hinrichten zu lassen, wie Chatami gefordert hatte. «Einige Dinge kann man dann nicht mehr einfach reparieren», so Abutalebi. Chatami hatte in seinem Sermon unter anderem die Todesstrafe für einen Jugendlichen gefordert, der in den ersten Tagen der Proteste die Flagge der Islamischen Republik verbrannt hatte.
Chatami wiederholte außerdem die Vorwürfe der iranischen Führung, dass die Proteste von Kräften im Ausland organisiert worden seien. Eine «amerikanisch-israelische Verschwörung» nannte Chatami sie. Die Demonstrationen hätten nichts mit dem iranischen Volk zu tun. Die Forderungen des Volkes, solange sie vom Volk kommen, müssten gehört und ihre Probleme gelöst werden. «Aber Stimmen im Auftrag von (US-Präsident Donald) Trump und (Israels Premier Benjamin) Netanjahu sind inakzeptabel und werden vom Volk abgewürgt (stumm gemacht)».
Um zu zeigen, dass das Regime weiterhin vom Volk unterstützt wird, begannen kurz nach dem Freitagsgebet in Teheran von der Führung organisierte Massendemonstrationen. In Teheran marschierten Zehntausende Anhänger der Führung mit, landesweit Hunderttausende. Solche Gegenproteste hatte die Regierung schon in den vergangenen Tagen in mehreren Städten des Landes organisiert.
EU-Bürger festgenommen
Einige Märsche wurden schnell zu Anti-Ruhani-Protesten, mit gezielten Slogans gegen ihn und Reformer. «Nieder mit denen, die Kompromisse eingehen», riefen sie zum Beispiel. Andere forderten den Tod aller regimekritischen Demonstranten, die festgenommen worden waren. Es soll sich um mehr als 1000 Menschen handeln – unter ihnen ein Bürger der EU, der, so sagen iranische Behördenvertreter, von ausländischen Geheimdiensten geschickt worden sei, um Proteste zu leiten.
Bei den Pro-Regime-Demonstranten handelte es sich um Anhänger der Führung und des sogenannten «Welajate-Faghih»-Systems, das von der Führerschaft des Klerus und eines obersten Religionsgelehrten ausgeht. Bei staatlich-organisierten Kundgebungen sind diese treuen Anhänger des Regimes, darunter viele Beamte, immer dabei – nicht selten wird die Teilnahme als Beweis des Patriotismus gefordert.
Laut Innenministerium waren für die regimekritischen Proteste bis Mittwoch rund 42 000 Menschen auf die Straße gegangen, für das Establishment aber Hundertausende. An den Wahlurnen zeigt sich ein anderes Bild: Dort haben dem Klerus nahestehende Kandidaten in den vergangenen vier Jahren vier wichtige Wahlen gegen Reformer verloren.
Viele Hauptstädter hatten am Freitag befürchtet, es könnte Zusammenstöße von Regierungsanhängern und Gegnern geben. Die blieben aber zunächst aus.
UN-Sicherheitsrat wird zum Thema zusammenkommen
In der Nacht auf Freitag hatte es trotz einer Welle von Festnahmen und der Drohungen der iranischen Führung gegen Demonstranten wieder regimekritische Proteste gegeben. Berichte und Videos in sozialen Medien zeigten Kundgebungen unter anderem in den Städten Isfahan, Sarrin Schahr, Desful und Aligudars. Die meisten spielten sich weiterhin in ländlichen Regionen und mittelgroßen Städten ab und blieben weitgehend führerlos und spontan. Manche wirkten wie Sit-Ins mit Gesang, andere wie Märsche mit Hunderten Teilnehmern. Unabhängig überprüfen ließen sich Berichte und Datierung nicht.
Am Freitag will sich der UN-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung mit der angespannten Lage im Iran beschäftigen. Das Treffen soll um 15.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MEZ) beginnen, wie die Vereinten Nationen in New York mitteilten. Die USA hatten eine solche Sitzung gefordert.
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