Das iranische Parlament soll in einer Sondersitzung die Ursachen der regimekritischen Proteste der letzten Tagen hinterfragen. Nach Angaben staatlicher Nachrichtenagenturen wurde die Debatte für diesen Sonntag angesetzt. Auch der Innenminister, der Geheimdienstchef sowie der Sekretär des Sicherheitsrats würden teilnehmen, berichtet ISNA am Samstag.
Die Hardliner hatten die Proteste als ausländische Verschwörung abgestempelt. Auch Präsident Hassan Ruhani und die Reformer sehen «Feinde des Irans» hinter den Unruhen, räumen aber ein, dass nicht alles vom Ausland gesteuert sein könne. Daher wollen sie «die Wurzeln» der Proteste erkunden. Inhaftierte Demonstranten sollen Rechtsbeistand erhalten.
Ruhanis konservative Gegner erklären die Proteste zudem mit der Wirtschaftskrise und machen für diese die Regierung verantwortlich. Allerdings hatten Beobachter den Eindruck, dass die Demonstranten im gesamten islamischen Regime keine Hoffnung mehr sahen, weder politisch noch wirtschaftlich.
Todesstrafe nicht ausgeschlossen
Auf Verlangen der Reformfraktion soll eine Sonderkommission das Schicksal der Demonstranten aufklären, die bei den jüngsten Protesten inhaftiert wurden. Dabei gehe es insbesondere auch um die festgenommenen Studenten, sagte ein Sprecher der Teheraner Universität laut der Nachrichtenagentur ISNA am Samstag. Es gibt keine offiziellen Angaben zur Anzahl der festgenommenen Demonstranten. Die Rede ist von 1.000 bis 1.800 landesweit, unter ihnen fast 100 Studenten.
Wissenschaftsminister Mansur Gholami erklärte, ein Viertel der festgenommenen Studenten sei wieder frei. Aber auch er nannte keine Zahlen. Das Ministerium versuche, die Freilassung aller Studenten zu ermöglichen, sagte Gholami in einem Interview des Nachrichtenportals Etemaadonline am Samstag.
Ernsthafte Sorgen um die inhaftierten Demonstranten kamen auf, als beim Freitagsgebet in Teheran der Hardliner Ahmad Chatami sowie Regimeanhänger Höchststrafen gegen einige von ihnen gefordert hatten. Einigen Regimegegnern könnte daher sogar die Todesstrafe drohen. Dies stieß auf heftige Kritik der Regierung und der Reformer im Parlament. «Vorsicht», warnte Ruhanis Berater Hamid Abutalebi. Einige Entscheidungen seien gefährlich und könnten später «nicht mehr so einfach repariert» werden.
«Schikanen der USA»
In den sozialen Medien liefen am Samstag Berichte über weitere Proteste in der Nacht zuvor. Die Meldungen und Videos – besonders was Datum und Orte angeht – können nicht unabhängig verifiziert werden. In den klassischen Medien gab es keine Berichte über Proteste. Augenzeugen bestätigten, dass während eines Fußballspiels in Täbris im Westiran die Fans Parolen gegen das Regime gerufen haben.
Auf Drängen der USA debattierte der UN-Sicherheitsrat am Freitag in einer Sondersitzung über die Proteste im Iran. Allerdings stießen die USA dabei auf heftige Kritik. «Lasst den Iran mit seinen eigenen Problemen fertig werden», sagte Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja in der Sitzung. Auch Vertreter Frankreichs und Boliviens erklärten, die Lage im Iran sei keine Gefahr für den Frieden und erfordere kein Handeln des höchsten UN-Gremiums. Frankreich betonte, man müsse am Dialog mit dem Iran sowie am Atomabkommen festhalten.
Der iranische UN-Botschafter Gholamali Khoshroo warf dem Rat vor, sein Mandat zu überschreiten, und sprach von Schikanen der USA. Über Proteste in den USA oder über die Unruhen in französischen Vorstädten 2005 habe der Sicherheitsrat nicht diskutiert. Dagegen sagte der britische UN-Botschafter Matthew Rycroft: «Niemand zwingt unsere Agenda dem Iran auf.» Er berief sich auf Artikel 34 der UN-Charta, dem zufolge der Rat «jeden Streit oder jede Situation untersuchen (kann), die zu internationalen Spannungen führen könnte».
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