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PsychotherapieInterview mit CNS-Präsident Oberlé: „Es ist an der Zeit, die Entscheidung in unabhängige Hände zu geben“

Psychotherapie / Interview mit CNS-Präsident Oberlé: „Es ist an der Zeit, die Entscheidung in unabhängige Hände zu geben“
Psychotherapien werden auch weiter nicht von der Gesundheitskasse übernommen. Dennoch ist Präsident Oberlé zuversichtlich, dass unabhängige Stellen rasch eine Lösung finden. Foto: loreanto/Adobe Stock

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Die Luxemburger Gesundheitskasse CNS steht in der Kritik. Zum einen lassen die Rückerstattungen von Arztkosten immer länger auf sich warten, zum anderen sind die Tarifverhandlungen zur Rückerstattung von Psychotherapien gescheitert. Mit dem CNS-Präsidenten Christian Oberlé hat sich das Tageblatt nun über Vorwürfe der Vereinigung der Psychotherapeuten (Fapsylux) unterhalten und Möglichkeiten ausgelotet, die Rückerstattungsfristen auf ein annehmbares Niveau zu senken.

Tageblatt: Herr Oberlé, warum blockieren Sie – zumindest laut Vorwurf – die Verhandlungen mit der Fapsylux?

Christian Oberlé: Das tun wir nicht. Im Gegenteil: Wir versuchen, zügig eine Lösung zu erzielen. Die Tarifverhandlungen befinden sich in einer Sackgasse. Sie wurden als gescheitert erklärt, um sie aus den aktuellen Verhandlungen zu lösen und einer dritten, unparteiischen Instanz zu übergeben. Die Fapsylux behauptet indessen, dass noch fünf Punkte nicht geklärt seien. Das stimmt nicht ganz. Natürlich liegt der Teufel noch im Detail, es gibt noch Einzelheiten zu klären. Doch liegt in sämtlichen Punkten eine Vereinbarung vor.

Woran hakt es noch?

An den Tarifen. Die Vorstellungen beider Seiten liegen zu weit auseinander. Eigentlich wollten wir parallel an mehreren Dossiers arbeiten, um schnellstmöglich eine Lösung zu finden. Die Fapsylux aber bestand darauf, zuerst die Konvention und die Nomenklatur abzuarbeiten, um die Tariferstattungen zu einem späteren Zeitpunkt anzugehen. Für uns stand nach einer eingehenden Analyse aber fest, dass die Forderungen zu weit auseinandergehen. Demnach hätten wir die Verhandlungen nur verschoben, um später Wochen und Monate über Tarife zu streiten. So kommen wir aber auch nicht weiter. Deshalb hat sich die CNS dafür entschieden, die Tarifverhandlungen als gescheitert zu erklären, damit sich eine unabhängige Instanz des Dossiers annehmen kann.

Die Fapsylux rechnet mit 175 Euro die Sitzung, die CNS „nur“ mit 120 Euro. Wie kommt dieser Betrag zustande?

Erstens konnten wir feststellen, dass die meisten Psychotherapeuten Honorare um 120 Euro berechnen. Manche etwas mehr, viele sogar weniger. Und das schon seit Jahren. Bis jetzt sind also viele Therapeuten mit diesem Honorar ausgekommen. Wieso soll das jetzt, wenn die Arztkosten rückerstattet werden sollen, plötzlich nicht mehr reichen? 

Zweitens?

Wir vergleichen die Tarife immer mit den Honoraren anderer Professionellen aus dem medizinischen Bereich. Natürlich arbeiten nicht alle gleich. Sie haben andere Ausbildungen, arbeiten teils mit teuren Technologien. Allerdings haben sie auch so einiges gemeinsam: Alle müssen sie für ihre Praxen zahlen, Buch führen, Patienten verwalten. Sie werden alle krank, fahren auch alle in Urlaub. Die Argumente der Fapsylux gelten also auch für andere Professionelle. Unser Angebot ist im Einklang mit den Kriterien, die wir bei allen Berufsbildern anwenden. Wir achten etwa darauf, wie komplex die Arbeit ist, welche Geräte sie nutzen und wie lange die Ausbildung war. Es dürfte also einleuchten, dass die Tarife von bestimmten Ärzten höher sind als die von Psychotherapeuten, die aber wieder mehr verlangen können als Dienstleister mit einem Bac +3.

Eine Blockadehaltung kann man uns nicht vorwerfen. Wir versuchen vielmehr, die Entscheidung zu beschleunigen

Christian Oberlé, CNS-Präsident

Dennoch gibt es kein Weiterkommen?

Wir haben uns die Argumente angehört, sie mit anderen Akteuren verglichen und geprüft, was Psychotherapeuten im Schnitt verlangen. Daraus haben wir einen Tarif errechnet. Natürlich haben wir ein offenes Ohr für jedes Anliegen. Allerdings unterscheiden sich die Kriterien der Fapsylux von den unseren. Leider sind wir an einem Punkt angelangt, an dem jeder auf seinen Argumenten beharrt. 

Wie zuversichtlich sind Sie, dass es dennoch zu einer Einigung kommt?

Bei allen anderen Punkten mache ich mir keine Sorgen. Doch die Tarifverhandlungen sind gescheitert. Seit Monaten kommen wir nicht weiter. Natürlich hätten wir lieber im Dialog eine Lösung gefunden. Allerdings müssen wir realistisch bleiben: Wenn man nicht mehr weiterkommt, sollte man auch den Mut haben, das klar und deutlich zu sagen. Schließlich gibt es noch weitere Prozeduren. Es ist an der Zeit, die Entscheidung in unabhängige Hände zu geben. Eine Blockadehaltung kann man uns nicht vorwerfen. Wir versuchen vielmehr, die Entscheidung zu beschleunigen.

Apropos „beschleunigen“: Patienten müssen inzwischen sechs bis acht Wochen auf die Rückerstattung ärztlicher Kosten seitens der CNS warten. Sind die Gründe immer noch die gleichen?

Es klingt abgedroschen, aber der Grund ist immer noch die Pandemie. Mit Covid gestalten sich die Abrechnungen komplizierter. Auch fehlt es an Automatismen, da viele Dossiers einzeln abgearbeitet werden müssen. Dadurch ist die Arbeit komplexer geworden. Für die CNS waren viele dieser Abläufe quasi Neuland. Und nun, da wir die Auswirkungen der Pandemie in den Griff bekommen, stehen wir mit den Flüchtlingen aus der Ukraine vor einer neuen Herausforderung. Damit werden die Dossiers immer komplexer. Zuvor konnten wir Rückstände zumindest in ruhigeren Zeiten periodisch wieder abbauen. Das ist aber auch nicht mehr möglich, da das Volumen konstant hoch bleibt. Gleichzeitig müssen unsere Mitarbeiter auch mal abschalten und Urlaub nehmen. 

Sollte man vor diesem Hintergrund nicht darüber nachdenken, mehr Personal einzustellen?

Das ist nicht so einfach im öffentlichen Dienst. Dazu müssen Gesetze erstellt werden. Außerdem müssen wir das Personal auch langfristig einsetzen können. Deshalb wollen wir vielmehr auf digitale Lösungen setzen, um die Rückstände in den Griff zu bekommen.

Zum Beispiel?

Wir arbeiten parallel an mehreren Lösungen. Wie etwa dem „remboursement accéléré“ – der digitalen Rückerstattung. Leider greift dieses Projekt nicht so, wie wir uns das erhofft haben. Momentan beteiligen sich nur wenige Ärzte an dem Programm. Gleichzeitig arbeiten wir am „paiement immédiat direct“, der den „tiers payant“ ersetzen soll. Diesen Dienst wollen wir ab Mitte 2023 progressiv einsetzen, um einen Großteil der Arbeit zu digitalisieren. Denn: Das Volumen wird in Zukunft wohl kaum abnehmen. Deshalb sollten wir zunehmend auf andere Lösungen setzen. 

Was verstehen Sie unter „paiement immédiat direct“?

Beim „paiement immédiat direct“ kann sich die versicherte Person zusammen mit ihrem Arzt für die Direktzahlungsmethode entscheiden. Der Vorteil besteht darin, dass der Versicherte bei diesem Vorgang nur den persönlichen Anteil begleicht. Man zeigt sich mit dem Honorar einverstanden und leitet gleichzeitig – im Gegensatz zum „tiers payant“ – die Zahlung des gesetzlichen Anteils der Gesundheitskasse ein. Die versicherte Person übernimmt demnach eine aktive Rolle im Zahlungsprozess – was nicht nur einer Forderung der Versicherten selbst entspricht, sondern auch dem Wunsch aller Fachleute im Gesundheitswesen, Bürger stärker in die verschiedenen Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen. In diesem Zusammenhang verwenden wir häufig Begriffe wie „Patienten-Empowerment“ oder Patientenpartner.

Mit dem „remboursement accéléré“ hat die CNS bereits eine digitale Lösung im Angebot. Die scheint bei den Ärzten nur auf wenig Gegenliebe zu stoßen …

Das liegt nicht nur an den Ärzten, sondern auch an der Vielzahl der unterschiedlichen Systeme in den Praxen. Viele davon sind veraltet, andere sind nicht mit den Angeboten jener Hersteller kompatibel, die informatische Lösungen in diesem Zusammenhang anbieten. Die Umsetzung ist komplex und zeitaufwendig. Wir hoffen aber, in Zukunft mehr Ärzte für dieses Programm begeistern zu können.

Können Sie uns verraten, welche Fristen zumindest kurzfristig machbar wären?

Wenn sich alles normalisiert, gehen wir davon aus, die Rückerstattungsfristen auf vier Wochen zu verkürzen. Dabei liegen wir beim „remboursement accéléré“ jetzt schon bei einer Wartezeit von nur wenigen Tagen. Es wäre also für alle Seiten von Vorteil, wenn sich mehr Ärzte für dieses digitale Programm begeistern könnten. Den Idealzustand können wir aber mit dem „paiement immédiat direct“ anpeilen: eine unverzügliche Rückerstattung.

Mimosa
17. September 2022 - 17.26

Muss deen Herr Oberlé och ësou laang op sein Gehalt waarden
wéi d'Assuréen op d'Remboursementer ???

Jolly
16. September 2022 - 17.44

Mat den Remboursementer daat dauert eng Ewégkeet,
komplette Desaster,lamentabel Gestioun,deen zoustännégen
Minister këmmert séch dreimol neischt,waat een Gewurschtels
sonnergleichen,alles inakzeptabel.

Clemens RM
15. September 2022 - 15.46

Interview mit gut überlegten Fragen

Der Artikel ist der beste Beweis dafür dass meistens auf klar formulierte Fragen auch erklärende Antworten erfolgen. Vieles ist mir um einiges klarer geworden.
Danke an die Herren Hamus und Oberlé.