Unter dem Titel „Anna Boch: Eine impressionistische Reise“ zeigt Mu.ZEE noch bis zum 5. November über 30 Werke der Künstlerin, die von 1848 bis 1936 gelebt hat. Diese werden mit Werken von Künstlerinnen und Künstlern ihrer Zeit, etwa James Ensor, Paul Gauguin, Vincent van Gogh, Théo van Rysselberghe, Paul Signac oder Isidore Verheyden, um nur diese zu nennen, ergänzt.
Das Konzept der Ausstellung, wenn auch in bescheidenem Maße und unter anderen Voraussetzungen, erinnert ein klein wenig an die aktuelle Schau „Im Glanz des Impressionismus? Dominique Lang und Zeitgenossen“ in der Villa Vauban. Zielt diese Expo eher auf den Post-Impressionismus und das künstlerische Schaffen im Umfeld des Großherzogtums ab, so holt die „impressionistische Reise“ mit Anna Boch wohl viel breiter aus, dokumentiert ihr „neoimpressionistisches Abenteuer“ sowie ihre spätere Entwicklung.
Anna Boch stammte aus einer wohlhabenden Familie und wuchs auf einem Schloss auf. Sie wird als Künstlerin, Musikliebhaberin, Sammlerin, Mäzenin, Reisende und mit einem „Faible für Entdeckungen“ geschildert. Sie konnte ein „freies, ungezwungenes Leben“ führen. In Belgien ist sie Kunstliebhabern sehr wohl bekannt, auch hat sie Kunstgeschichte geschrieben, war sie doch einziges weibliches Mitglied der Künstlervereinigungen „Les XX“ und „La Libre Esthétique“, die von ihrem Cousin Octave Maus geleitet wurden.
Sie reiste viel, erkundete entlegene Orte, genoss den Aufenthalt in freier Natur, auch um schöne Landschaften zu erforschen und zu Papier und/oder auf die Leinwand zu bringen. Nahe am Meer lebend, zauberte sie Licht und Spiegelungen der Küsten im Norden und Süden in „kühnen Kompositionen“ auf ihre Bildtafeln. Wie andere Künstler auch, sah sie ihren Platz im „Postimpressionismus“ des 19. und 20. Jahrhunderts. Dass ihr Ruf doch über die Grenzen Belgiens reicht, zeigt die Tatsache, dass diese Ausstellung gemeinsam mit dem „Musée de Pont-Aven“ – dieser bretonischen Ortschaft, die zahlreiche Künstler angezogen hat – organisiert wurde.
Eingeleitet von einer Großwand mit illustrierter Darstellung ihres Lebenslaufes und wichtigen Hinweisen auf literarische sowie fachliche Auseinandersetzungen mit ihrem Werk, geht die „Reise“ alsdann schrittweise entlang eines äußerst intensiven Parcours, der abwechselnd Ölbilder, Aquarellzeichnungen, Keramikobjekte und Aussagen von Anna und Eugène Boch in Szene setzt. Anna Boch konnte als junges Mädchen keine Akademie besuchen, nahm jedoch, zusammen mit Euphrosine Beernaert, an Malkursen für Frauen teil und knüpfte Beziehungen zu anderen Künstlern, etwa Vertretern der Freilichtmalerei. Interessant ist, dass ihre Brüder Eugène und Victor Boch 1841 die Fayencefabrik „Boch Frères“ nahe der Stadt Louvière gegründet haben. In dieser waren vorwiegend Frauen in diversen Bereichen aktiv; Anna Boch hat zwar nicht dort gewirkt, fertigte aber einige Fayencemalereien an. Sie förderte in den 1890er Jahren diese „angewandte Kunst“. Ein kleines Keramikatelier inmitten der Ausstellung zeugt von ihrer Vorliebe für diese Kunst.
1874 besuchte sie das Atelier von Isidore Verheyden, später folgten Kontakte mit anderen Künstlern, auch James Ensor, von dem sie 1886 das Gemälde „Russische Musik“ (1881) erwarb – ein Werk, das sie 1927 den Königlichen Museen der Schönen Künste Belgiens schenkte. Ensor hat ihr für diese Geste gedankt. Ihr Werk „Schreibende Frau“ (1888) spiegelt, wie Ensors Bild, eine „intime Atmosphäre“ wider. Es belegt ihren feinen Sinn für Farben. Die Ausstellung führt durch weitere Schaffensperioden der Malerin und dokumentiert ihre Begeisterung für andere Künstler: Etwa bewunderte sie 1887 Georges Seurats Werk „Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte“. Hierdurch kam sie zum „Pointillismus“. Sie kaufte – nach seinem Tode – auch wichtige Werke von Seurat, etwa „Die Bucht in Saint-Tropez“. 1889 wunderte sie sich gar über ihren eigenen Erfolg und die Anerkennung in der Presse. Sie ging resolut neue Wege, all diese Schritte sind durch entsprechende Bilder in der Expo dokumentiert.
Künstlerin und Mäzenin
Die Villa Anna in Middelkerke wurde für Jahre ihr Landsitz. Ihr Malstil wurde persönlicher. Von den „Konfettisten“ ausgehend, entwickelte sie einen „spontanen und intuitiven kommaförmigen Pinselstrich“. Zu einem ihrer bekanntesten Bilder, „En juin“ (1894), notierte gar Le Petit Bleu du matin: „Dies ist ihr sinnlichstes und lebenssprühendstes Bild“. Es zeigt eine junge Dame, Sonnenschirm über der Schulter, in schwelgerisch-sonniger Kulisse gedankenverloren Clematisblüten pflücken. Es ist dies Position 12 in der Ausstellung, die insgesamt 30 Ankerpunkte aufweist.
Nun kommt auch Vincent van Gogh ins Spiel, der sich öfter in Paris mit Anna Bochs Bruder Eugène traf. Sie kaufte erst „Roter Weinberg in Arles (Montmajour)“ und später das Bild „La Crau mit blühenden Pfirsichbäumen“ von Van Gogh. Durch ihren Bruder hatte sie Kontakt zur Kunstschule von Pont-Aven aufgenommen. Sie erwarb Gauguins „Bretonische Bäuerinnen im Gespräch“, derweil ihr Bruder mehrere Arbeiten von diesem Ausnahmemaler erstand. Die Bilder des großen Meisters blieben jedoch nicht allzu lange in Bochs Besitz. Neben der Malerei übte sie sich nun auch in der Gestaltung von Inneneinrichtungen, war sie doch in ihrer Kindheit im Schloss „La Closière“ nahe La Louvière aufgewachsen und hatte einen Hang für das Schöne, das Perfekte. Sie trieb den Architekten Victor Horta dazu an, eine ihrer Residenzen neu zu arrangieren. Neben ihrer Aktivität im Bereich der bildenden Kunst organisierte sie in ihrem Haus Konzerte, empfingt bekannte Musiker, etwa Claude Debussy. Sie war Künstlerin und Mäzenin.
Reisen bildet
„Nur durch Reisen lernt man wirklich etwas“, soll die Künstlerin einmal gesagt haben, und so unternahm sie zahlreiche Reisen, oft gemeinsam mit ihrem Bruder Eugène – ob nach Spanien, Marokko oder Frankreich. Die Bretagne etwa inspirierte sie zu Malereien mit „tosendem Meer und imposanten Wolkenformationen“. Sie war zu einer passionierten Landschaftsmalerin geworden. 1904 wurde sie Mitglied der Gruppe „Vie et Lumière“, Künstlern, die darauf abzielten, ihre Werke „ohne Zulassungsanforderungen von Juroren“ auszustellen. Boch entfaltete nun ihren Stil mit großzügigen Pinselstrichen und leuchtenden Farben. Sie stellte zum ersten Mal solo 1908 in der Galerie Druet in Paris aus. 1909 folgte eine weitere Schau in München. Sie malte einfache Häuser, Bauernhöfe und Scheunen, aber sie wirken nie „armselig“, hält das Begleitheft der Expo fest. Am Ende ihres Lebens malte sie Blumendekors und Stillleben, da sie das zu Hause tun konnte. Sie war nie eine Frau der großen Worte, doch 1892 trat sie der „Belgischen Liga für Frauenrechte“ bei und beklagte 1927, dass der offizielle „Salon d’art belge“ in Paris die „Malerinnen nicht ehrt“.
Ob es da Parallelen zu Luxemburg gibt?
Anna Boch starb 1936 im Alter von 87 Jahren. Sie hinterließ ein umfangreiches Werk, das natürlich in ihre Zeit und die damals geltenden künstlerischen Strömungen einzuordnen ist. Diese Expo dokumentiert auf umfassende Art ihre Kunst und darüber hinaus ihre Lebensleistung.
Zur Expo
„Anna Boch: Eine impressionistische Reise“
Noch bis zum 5. November 2023
Mu.ZEE, Romestraat 11, 8400 Ostende
Eine mir bis jetzt unbekannte faszinierende Malerin, Mäzenin und Person. Ihre Bilder sind betörend schön und feinfühlig.
Werde mir ihre Ausstellung gerne ansehen.
Interessant ist der Name Boch ja auch im Zusammenhang zu Villroy & Boch.