Dienstag23. Dezember 2025

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Wahl in der TürkeiIn Südosteuropa mehren sich die Wahlaufrufe für Erdogan

Wahl in der Türkei / In Südosteuropa mehren sich die Wahlaufrufe für Erdogan
Bereits seit Jahren unterhalten Recep Tayyip Erdogan und der serbische Präsident Aleksandar Vucic enge freundschaftliche Beziehungen  Foto: AFP

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Vor den türkischen Schicksalswahlen mehren sich in Südosteuropa die Wahlaufrufe für den bedrängten Platzhirsch Recep Tayyip Erdogan. Nicht nur ein ähnlich autoritäres Politikverständnis, sondern auch handfeste Interessen lassen viele Balkan-Politfürsten auf den vertrauten „Sultan“ Erdogan setzen.

Ungewohnte Einigkeit demonstrieren Bosniens langjährige Gegenspieler vor den am Sonntag steigenden Schicksalswahlen in der fernen Türkei. Präsident Tayyip Erdogan sei ein „Mann des Friedens und des Dialogs“, ruft Serbenführer Milorad Dodik die türkischen Wähler bosnischer Abstimmung zur Wahl des bedrängten Amtsinhabers auf: Dank Erdogans „Patriotismus und Entschlossenheit“ habe sich die Türkei in ein „modernes Land“ gewandelt.

Unter Erdogan sei die Türkei von einem „Objekt zum mächtigen Subjekt“ auf dem internationalen Politparkett geworden, ohne die keine wichtigen globalen Entscheidungen getroffen werden könne, ruft wiederum Bakir Izetbegovic, der Chef der größten Partei der muslimischen Bosniaken SDA, zur Wahl seines Schutzherrn in Ankara auf: Erdogan habe „der muslimischen Welt zu Selbstvertrauen und Bestätigung der eigenen Werte“ verholfen.

Nicht nur bosniakische und albanische Minderheitenpolitiker in Serbien, Montenegro und Nordmazedonien schlagen derzeit in Südosteuropa für „Sultan“ Erdogan eifrig die Wahlkampftrommel. Enge freundschaftliche Bande zu Erdogan unterhalten schon seit Jahren Serbiens autoritär gestrickter Staatschef Aleksandar Vucic und sein ungarischer Mentor Viktor Orban.

Für mich persönlich ist Präsident Erdogan nicht nur ein guter Freund in schwierigen Tagen, sondern auch ein sehr besonderer Politiker, der sagt, was er tut, und tut, was er sagt

Edi Rama, sozialistischer Regierungschef in Albanien

Mit einer blumigen Ergebenheitsadresse an den starken Mann in Ankara wartete in dieser Woche auch Albaniens sozialistischer Premier Edi Rama per Video-Botschaft auf. Mit „Vision, Courage, Willen und unermüdlicher Arbeit“ habe Erdogan „die Augen der Welt auf die wundervolle und beispiellose Transformation der Türkei gelenkt“: „Für mich persönlich ist Präsident Erdogan nicht nur ein guter Freund in schwierigen Tagen, sondern auch ein sehr besonderer Politiker, der sagt, was er tut, und tut, was er sagt.“

Nicht nur ein ähnlich autoritäres Politikverständnis, sondern auch handfeste Interessen lassen viele Balkanfürsten vor dem Urnengang in der Türkei wenig diplomatisch auf die vertraute Erdogan-Karte setzen. Einerseits unterstützt AKP-Bugbild Erdogan ähnlich konservativ-islamistische Schwesterparteien in der Region wie die SDA in Bosnien oder deren Ableger im serbischen Sandzak nach Kräften. Andererseits ist ihm daran gelegen, sich in dem jahrhundertelang unter Osmanen-Herrschaft stehenden Westbalkan grenzüberschreitend als Schutzherr, Vermittler und Garant von Stabilität zu profilieren.

Lavieren zwischen zwei Seiten

Gleichzeitig ist die von Ankara als ureigenes Interessensgebiet angesehene Vielvölkerregion vor allem für die türkische Bau- und Textilindustrie ein Wachstumsmarkt: Deren vermehrte Investitionen gehen nicht nur in mehrheitlich muslimischen Staaten wie Albanien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien und Kosovo, sondern auch in Montenegro und Serbien mit Infrastrukturprojekten der türkischen Entwicklungsagentur (TIKA) gepaart.

Die Türkei erkannte 2008 zwar als einer der ersten Staaten die von Serbien abgelehnte Unabhängigkeit des Kosovo an. Doch das zwischen Ost und Westen lavierende Belgrad sieht in Ankara ähnlich wie in Peking oder Moskau eine willkommene Alternative und Gegengewicht zu Brüssel und Washington. Gleichzeitig fühlt sich der die EU-Sanktionen gegen Russland ablehnende EU-Anwärter ähnlich wie Ungarn mit dem NATO-Mitglied Türkei auch bei Erdogans distanzierter Haltung zum Ukraine-Krieg verbunden: In Europa unterhalten neben Air Serbia denn auch nur noch die Turkish Airlines Linienflüge nach Russland.

Aufmerksam wird der Urnengang in der Türkei nicht nur von den Politikern, sondern auch von den Medien auf dem Balkan verfolgt. Bei der Frage, inwiefern sich das Verhältnis der Türkei zu dem von Ankara bisher kräftig umgarnten Westbalkan bei einer Wahlschlappe von Erdogan ändern könnte, sind sich die Beobachter keineswegs einig. Während manche Analysten darauf verweisen, dass die Opposition in Ankara den USA wesentlich näherstehe als Erdogan und nach einem Wahlsieg einen distanzierteren Kurs gegenüber der russophilen Führung in Belgrad, Banja Luka und Budapest einschlagen könnte, erwarten andere keine wesentlichen Korrekturen: Unabhängig vom Wahlausgang würden die eigenen Interessen bei der türkischen Balkanpolitik auch künftig zentral stehen.