Headlines

UmweltIn Schlangenlinien zurück zur Natur: In Steinsel soll die Alzette wieder mäandern

Umwelt / In Schlangenlinien zurück zur Natur: In Steinsel soll die Alzette wieder mäandern
Ein Strich in der Landschaft: So präsentiert sich die Alzette derzeit noch auf dem Abschnitt, der bald aber angegangen werden soll Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Jetzt weiterlesen! !

Für 0.99 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Dass die Alzette in Luxemburgs Hymne besungen wird, passt nicht dazu, wie mit dem Fluss lange umgegangen wurde: mit allerlei Abwässern versetzt und in schnurgerade Betonröhren gezwängt, die teils sogar unterirdisch verlaufen, galt der Fluss lange Zeit eher als verlorene Kloake. Längst wird aber in weiten Teilen an der Renaturierung gearbeitet – in Steinsel ist gerade der nächste entsprechend geplante Abschnitt vorgestellt worden.

Mit der Entwicklung der Dampfmaschine und der Dieselmotoren, der Eimerketten- und Schaufelradbagger wurde es der fortschrittsbegeisterten Menschheit endgültig möglich, die sich durch die Landschaften schlängelnden Flüsse und Bäche radikal zu begradigen – nicht nur, um darauf immer größere Schiffe immer schneller fahren zu lassen: So wurde die Alzette 1755 im Bann Steinsel begradigt, um die Feuchtwiesen links und rechts für die Landwirtschaft trockenzulegen.

Auch in Luxemburg zeigen sich längst die negativen Seiten dieser Entwicklung – vor allem, wenn bei Hochwasser die eben noch gezähmten Wassermassen wieder sehr widerspenstig werden: „Die Flächenversiegelung begünstigt ein sehr schnelles Ansteigen des Wasserpegels der Alzette bei starkem Regen, wobei das dann entstehende Hochwasser sehr hohen materiellen Schaden anrichten kann“, stellte etwa der Schöffe Jean Rossy (CSV) 2018 fest – und warb mit für die Idee, das ursprüngliche Bett wiederherzustellen.

Seit 2001 sind bereits mehrere Abschnitte der Alzette renaturiert worden, etwa bei Schifflingen und auch zwischen Steinsel und Walferdingen (das Tageblatt berichtete). Jetzt soll ein weiterer Schritt unternommen werden auf dem Weg zur Renaturierung des Flusses zwischen Luxemburg-Stadt und Mersch.

Die Projektpartner und weitere Beteiligte am Ort des Geschehens: Im Hintergrund die Holzbrücke, die bald abgebaut werden wird
Die Projektpartner und weitere Beteiligte am Ort des Geschehens: Im Hintergrund die Holzbrücke, die bald abgebaut werden wird Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Am Donnerstag (30. März) wurde eine Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Großherzogtum und der Europäischen Investitionsbank vorgestellt. Mit dem bereitgestellten Darlehen von neun Millionen Euro aus der „Fazilität Naturkapital“ des LIFE-Programms der EU soll die Renaturierung eines Abschnitts der Alzette in der Gemeinde Steinsel sowie ein Abschnitt der Petruss in Luxemburg-Stadt finanziert werden.

Zu diesem Anlass haben sich, unter anderem, Finanzministerin Yuriko Backes, Umweltministerin Joëlle Welfring und Kris Peeters von der EIB in Steinsel eingefunden, wo die Alzette ein paar Meter neben der rue J. F. Kennedy scharf in etwa nördliche Richtung abknickt – und dann hunderte Meter sehr gerade durch die Landschaft pflügt.

Auf Stelzen durch die Landschaft

Das soll sich aber ändern – und der Fluss wieder in mehrere Kehren durch das Gelände mäandern. Die erste dazu nötige Bauphase betrifft einen (bisher) rund 200 Meter langen Abschnitt, auf dem sich der Fluss später 350 Meter lang schlängeln soll, indem er eine starke Einbuchtung in die östliche gelegene Landschaft bekommt. Auch eine kleine Insel entsteht dabei. Rund 9.300 Kubikmeter Erdreich müssen dafür bewegt werden. 

Die bestehende Holzbrücke muss gesperrt und später abgetragen werden, ein Ersatz wird an anderer Stelle eingerichtet. Auch der Fahrradweg PC15 muss (temporär) weichen: Zuerst wird er an der Sportanlage entlang umgeleitet – um später durchaus an dieser Stelle das wieder wildromantische Alzette-Tal erhaben zu durchqueren: Der Weg folgt dann nämlich über rund 130 Meter auf Stelzen dem einstigen geraden Flusslauf. Außerdem soll der Zufluss des Kléngelbachs, zwischen Steinsel und Helsem, renaturiert werden.

Rund drei Millionen Euro wird diese Phase der Umgestaltung kosten, die EIB hat dafür (und eine weitere Renaturierung der Petruss) ein Darlehen von neun Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das Projekt ist Teil der „Fazilität für Naturkapital“ des LIFE-Programms der EU. Damit wurden „Projekte gefördert, die der Biodiversität beziehungsweise der naturbasierten Klimaanpassung dienen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der beteiligten Ministerien und der EIB.

Ein Ausschnitt aus der offiziellen Präsentation zeigt, wie die Alzette später verlaufen soll. Jetzt wird erst einmal der rot umrandete Abschnitt angegangen.
Ein Ausschnitt aus der offiziellen Präsentation zeigt, wie die Alzette später verlaufen soll. Jetzt wird erst einmal der rot umrandete Abschnitt angegangen. Foto: Screenshot

Der Mitteilung zufolge ist die Ministerin für Umwelt, Klima und nachhaltige Entwicklung, Joëlle Welfring, besonders überzeugt von dem Projekt, denn dadurch werde „zum einen der Hochwasserschutz verbessert, zum anderen speisen die wiederhergestellten Feuchtgebiete weiterhin das Grundwasser und die Fließgewässer und mildern so die Auswirkungen von Dürren. Darüber hinaus fördert die Renaturierung auch die Biodiversität, indem sie die ökologische Vernetzung wiederherstellt und gleichzeitig die Wasserqualität auf natürliche Weise verbessert.“

EIB-Vizepräsident Kris Peeters findet, die „Qualität der an der Alzette und an der Petruss in Angriff genommenen Projekte […] bemerkenswert“, wie es in der Mitteilung heißt. Das Projekt stehe auch in Einklang mit dem europäischen Grünen Deal, der die Renaturierung von 25.000 Kilometern Fließgewässer bis 2030 vorsieht.


DOWNLOAD Hier gibt es eine Projekt-Erläuterung in französischer Sprache als PDF.