Das rund 3.700 Einwohner zählende Sandweiler ist eine der bekanntesten Gemeinden des Landes. Den Ausdruck „nach Sandweiler fahren“ bringen Generationen von Luxemburgern mit einer lästigen, alljährlichen Angelegenheit in Verbindung: der technischen Fahrzeugkontrolle. Die kleinste Ortschaft der Gemeinde ist ebenfalls Bestandteil des alltäglichen Sprachgebrauchs: Luxemburger fahren nicht zum Flughafen, sie fahren zum Findel.
Mit vielen anderen luxemburgischen Gemeinden teilt Sandweiler das Los der fast menschenleeren Straßen. Zu Fuß unterwegs sieht man nur wenige Menschen an diesem kalten Januarmorgen und von denjenigen, denen wir begegnen, wohnen etliche nicht in der Gemeinde, sondern kommen nur kurz für Einkäufe in die Ortschaft; andere wiederum weigern sich, mit uns über die lokale Politik zu reden. Vor dem örtlichen Kulturzentrum haben wir jedoch Glück: Fernand und Gabrielle stehen bereitwillig Rede und Antwort. Das erste Thema, da sie ansprechen, ist das Referendum im April 2021 um die Zukunft des Rathauses. Die Einwohner hatten sich dabei mehrheitlich gegen den Abriss und einen Neubau entschieden. Mehrere Monate hatten sich Mehrheit und Opposition zuvor über das Projekt gestritten.
Dieser Streit gefiel den beiden nicht. „Es gab zu viel Polemik vonseiten der Oppositionsparteien. Ein anderer Bürgermeister hätte wahrscheinlich kein Referendum gemacht“, meint Fernand. Dem Schöffenrat wirft er allerdings mangelnde Kommunikationsbereitschaft vor, mit den Einwohnern werde zu wenig geredet. Konkret bedauern die beiden auch, dass sich die verschiedenen Schulgebäude der Gemeinde zu weit voneinander entfernt befinden. Besser wäre ihrer Meinung nach ein einzelner Campus, der alle Schulen vereint.
Sehr zufrieden mit dem Leben in der Gemeinde ist Angela, die kurz darauf an gleicher Stelle vorbeikommt. Sie begrüßt, dass die Gemeinde viele Feste organisiert, wo sich die Bürger treffen können. Insgesamt sei sie froh, dort zu wohnen, bringt dann doch eine Kritik hervor: der Sportsaal, in dem ihr Sohn Fußball spielt, müsste öfters gereinigt werden.
Zu viel Verkehr, zu wenig Parkplätze
Wenig später kommt uns Hans Simon entgegen, der nach der Frage, was ihm besonders in Erinnerung geblieben ist aus den vorigen sechs Jahren, ebenfalls gleich das Referendum erwähnt. Es sei gut gewesen, dass es stattgefunden habe; auch er war dagegen, dass das Rathaus abgerissen werden sollte. Insgesamt betracht mag aber auch er das Leben in der Gemeinde, bis auf den Verkehr. „Sehen Sie, ich wohne neben der Tankstelle …“ Er zeigt in die Richtung. „Morgens ist der Verkehr so dicht, dass ich Schwierigkeiten habe, mit dem Auto auf die Straße zu gelangen.“ Aber nicht nur sei der Verkehr zu dicht, auch gebe es in der Gemeinde wenig Parkmöglichkeiten. „Nicht weit von meinem Haus entfernt befindet sich ein öffentlicher Parkplatz. Da das Parken aber gebührenfrei ist, stellen viele Leute von außerhalb dort ihren Wagen ab und fahren dann mit dem Bus weiter in die Hauptstadt.“
Dass Stellplätze für Autos in der Tat ein Problem zu sein scheinen, merken wir an der Reaktion von Elisabete, die wir vor dem örtlichen Bäcker treffen. Nach ihrer Meinung zur Lokalpolitik gefragt, antwortet sie spontan: „Zu wenig Parkplätze.“ Sie ist insgesamt eher kritisch gegenüber der Mehrheit im Gemeinderat eingestellt. Insgesamt findet sie, dass der Schöffenrat nicht genug für die Bevölkerung tue. Als Beispiel nennt sie die Busverbindungen in die Hauptstadt. Sie wünscht sich, die Gemeinde solle sich mehr bei den zuständigen Stellen für bessere Anbindungen einsetzen. Auch Elisabete kommt auf die Schulinfrastruktur zu reden: „Es wurde zwar ein neuer Kindergarten gebaut, doch ein Schwimmbad für die Kinder gibt es in der Gemeinde noch nicht.“ Sie wünscht sich insgesamt mehr Ferienaktivitäten für Kinder. Und auch sie findet, dass die Kommunikation des Schöffenrats nicht besonders gut sei. „Sie könnten mehr mit den Leuten reden.“
Kritik an der Rathaus-Geschichte gibt es auch von der nächsten Gesprächspartnerin. Die Frau möchte anonym bleiben, ist aber bereit, mit uns zu reden. Auch sie beschäftigt die Sache mit dem Rathaus noch: „Das mit dem geplanten Neubau, das war nicht in Ordnung. Sie reißen doch auch nicht ihr Haus einfach ab, wenn Sie Wasserprobleme haben.“ Insgesamt vermisst sie mehr Wohnungsbau in der Gemeinde: „Da passiert nicht viel.“
Beim einem Supermarkt gegenüber der Kontrollstation begegnen wir Sylvie, eine junge Französin, die seit 2011 in der Gemeinde wohnt. Als Mutter einer kleinen Tochter,ist sie vor allem froh, dass ein neuer Kindergarten gebaut wurde. „Obwohl er mit einem Jahr Verspätung eröffnet wurde, bin ich froh, dass meine Tochter noch die Chance hatte, in so einem schönen Komplex zur Schule gehen zu dürfen.“ Insgesamt findet sie die Politik des Schöffenrats in Ordnung. Es gefällt ihr, dass es ein großes Angebot für Familien gebe. „Ils font beaucoup pour le vivre-ensemble.“ Es gebe einige generationsübergreifende Angebote, wie zum Beispiel ein Nachbarschaftsfest.
Sylvie hat insgesamt viel Lob für die Gemeindepolitik übrig, kommt dann aber auf das Referendum zu sprechen. Sie fand es zwar gut, dass die Einwohner um ihre Meinung gefragt wurden, doch auch wenn sie selbst gegen das Projekt des Schöffenrats war, kritisiert sie die Kommunikation in der Angelegenheit. Sie habe sich in keinen der Argumenten beider Seiten wiedergefunden. „Cela avait plus l’air d’une bataille de politiciens.“ Von der nächsten Mehrheit wünscht sie sich noch mehr generationsübergreifende Projekte. „Wir haben zwar einige punktuelle Ereignisse, doch es fehlt ein Ort, wo man sich permanent treffen kann.“
Sandweiler
Größe: 771,46 Hektar
Einwohnerzahl: 3.747 (Stand: 19.1.2023)
Ortschaften: Sandweiler (3.667), Findel (80)
Wahlberechtigte: 1.857 (Stand 19.1.2023)
Aktuelle Bürgermeisterin: Simone Massard-Stitz (CSV)
Zusammensetzung Gemeinderat: Jean-Paul Roeder („déi gréng“), Gennaro Pietropaolo („déi gréng“), Martine Obertin („déi gréng“), Romain Dumong (CSV), Jean Lemmer (CSV), Roger Meysembourg (CSV), Jacqueline Breuer (LSAP), Patrick Martin (LSAP), Corine Courtois (DP), Claude Mousel (DP)
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