Bei frühlingshaften 20 Grad spielt sich ein Großteil des öffentlichen Lebens im Park hinter dem Rathaus ab. Dass diese grüne Oase über die Grenzen der Ortschaft beliebt ist, zeigt die Anzahl der Leute, die uns sagten, sie seien erstens von außerhalb und zweitens gerade deswegen dort.
Wohl kaum eine Gemeinde stand in den vergangenen vier Jahren so im Fokus der Medien wie die CSV-Hochburg an der Südgrenze der Hauptstadt. Ein aufsehenerregender Fall von Geldveruntreuung sorgte für Schlagzeilen. Unehrliche Gemeindeangestellte hatten die Kasse um rund fünf Millionen Euro erleichtert. Wer jetzt allerdings glaubt, es würde sich dort jeder Bewohner spontan an diese Geschichte erinnern, der irrt sich.
Nach nur ein paar Worten, die wir mit einigen Bewohnern wechselten, war klar, dass die verschwundenen Millionen für sie kein Thema darstellten. Allerdings begegneten wir auch wenig Menschen, die überhaupt mit Journalisten über Lokalpolitik reden wollten; diejenigen, die es jedoch taten, waren sich in zwei Punkten quasi einig: In Hesperingen ist es einerseits sehr angenehm zu leben; andererseits gibt es ein großes Problem: den Verkehr. Die Gemeinde zählt zwar gut 16.500 Einwohner und ist damit eine der „größeren“ im Speckgürtel der Hauptstadt; im Hauptort Hesperingen selbst wohnen allerdings nur rund 2.800, eine Tatsache, die man aufgrund der stark befahrenen route de Thionville kaum vermuten würde.
Im Park befragen wir Spaziergänger und Spaziergängerinnen zu ihrer Meinung über die Gemeinde. Eine von ihnen, Sylvie, erzählt uns, sie sei vor rund neun Jahren von Schifflingen nach Hesperingen gezogen, um so schneller zu ihrem Arbeitsplatz im hauptstädtischen Bahnhofsviertel zu gelangen. „Damals war es schon schwierig mit dem Verkehr, aber es ging noch. Nein, es ist nicht nur schlimmer geworden; es ist ganz und gar unmöglich geworden“, erbost sie sich. Ob man das Auto nehme oder den öffentlichen Transport, sei ganz egal. „In den Spitzenzeiten brauchen Sie manchmal bis zu einer Stunde.“ Sie findet es gut, dass die Gemeinde Verkehrsberuhigungskonzepte umgesetzt hat, wie z.B. Tempo-30-Zonen, „doch auch dort fahren manche wie die Verrückten“. Sie weiß zwar, dass das Thema Umgehungsstraße ein nationales Dossier ist, trotzdem nimmt sie die Sache auch den Lokalpolitikern übel: „Es ist doch nicht normal, dass man so viele Jahre brauchte, bis endlich eine Lösung gefunden wurde.“
Sylvie ist die einzige Gesprächspartnerin, die uns sagte, sie würde bald aus Hesperingen wegziehen, weil es ihr nicht mehr gefällt. Durch die zahlreichen verschiedenen Nationalitäten (laut offiziellen Angaben sind es 128) fühle sie sich nicht mehr in Luxemburg. „Ich rede dabei nicht von Portugiesen oder Italienern, sondern von fremden Kulturen.“
„Rundum zufrieden“ oder „alles gut“ waren allerdings bei weitem die häufigsten Antworten, die wir auf unsere Fragen nach dem Leben in Hesperingen erhielten. „Die Gemeinde bietet den Einwohnern viel an“, sagt uns Diane, die seit 25 Jahren hier lebt. „Es ist immer etwas los.“ Es sei fast perfekt in Hesperingen. Fast, denn auch sie fügt ihrer Aussage den Satz „Ja, wäre da nicht der Verkehr“ hinzu.
Auf einer Parkbank sitzt ein junges indisches Paar. Ankur und Swati sind im Gegensatz zu anderen Spaziergängern an dem Tag äußerst offen für ein Gespräch mit Journalisten. Die beiden leben erst seit drei Monaten in Hesperingen. Über Lokalpolitik wissen sie zwar nichts, aber die Ortschaft erscheint ihnen „perfekt“. Vorher lebten sie in Strassen, doch obwohl das näher zu ihrer Arbeit liegt, zogen sie nach Hesperingen. „A lot of open space – viel offenes Gelände, man fühlt sich hier nicht so eingeengt, und dann dieser Park, einfach wunderschön. Es hat uns sofort gefallen“, sagt Ankur. „Hier in Hesperingen spürt man noch wirklich ein Gefühl von Gemeinschaft“, sagt Swati. „Wir gehen viel zu Fuß und kommen mit Menschen ins Gespräch, das gefällt uns.“
Vor dem Rathaus treffen wir eine weitere Frau, die ebenfalls das Leben in Hesperingen sehr angenehm findet. Zur Lokalpolitik will sie sich nicht äußern, sie sagt lediglich: „Alles gut“, doch als ob sie sich mit dem indischen Paar abgesprochen hätte, fügt sie als Argument für ihre Behauptung hinzu: „Sehen Sie sich doch nur unseren wunderschönen Park an.“
Hesperingen
Fläche: 27,22 km2
Einwohner: 16.538 (Stand 4. Mai 2023)
Ortschaften (mit Einwohnerzahl): Howald (5.757), Alzingen (2.925), Hesperingen (2.873), Fentingen (2.639), Itzig (2.344)
Bürgermeister: Marc Lies (CSV)
Zusammensetzung des Gemeinderats: Diane Adehm (CSV), Georges Beck (CSV), Anne Huberty (CSV), Romain Juncker (CSV), Robert Leven (CSV), Guy Wester (CSV), Jean Theis (CSV), Claude Lamberty (DP), Myriam Feyder (DP), Henri Pleimling (DP), Carole Goerens („déi gréng“), Marie-Lynn Keller („déi gréng“), Roland Tex („déi gréng“), Rita Velazquez (LSAP)
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