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USAImmer mehr US-Mietern droht Zwangsräumung

USA / Immer mehr US-Mietern droht Zwangsräumung
Laine Carolyn ist mit ihrer Miete im Verzug – und muss damit rechnen, ihre Wohnung zu verlieren Foto: Stefani Reynolds/AFP

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Knapp acht Jahre lang konnte Laine Carolyn als Fahrerin für einen Fahrdienstleister ihre Rechnungen bezahlen. Dann erkrankte sie. Arbeiten kann sie nun nicht mehr – und mit der Miete ist sie im Verzug, es droht die Zwangsräumung.

So wie der 32-Jährigen geht es wegen der hohen Inflation und des Endes staatlicher Corona-Hilfen immer mehr Menschen in den USA. Laut Peter Hepburn, Forscher an der Princeton-Universität, landen normalerweise jährlich 3,6 Millionen Fälle von Zwangsräumungen vor US-Gerichten. Während der Corona-Pandemie sei diese Zahl zeitweise bedeutend kleiner geworden. Doch jetzt laufen staatliche Hilfen und Schutzprogramme aus: In den zehn Staaten und 34 Städten, welche die Forschungsgruppe um Hepburn beobachtet, explodierte die Zahl von 6.600 im April 2020 auf 96.800 im Januar 2023.

Carolyn, die wegen der Räumungsklage im US-Bundesstaat Virginia vor Gericht steht, hat über 10.000 Dollar Schulden. Seit ihrer Diagnose mit Morbus Basedow – einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse – ist sie arbeitsunfähig. Ähnliches berichten am Gericht weitere Betroffene: Ein Unfall, eine unvorhergesehene Arztrechnung – und nun droht die Räumungsklage.

Am Anfang habe sie noch mit ihrem Vermieter um eine Lösung gerungen, sagt Carolyn. Bevor sie endgültig zu krank zum Arbeiten wurde, habe sie noch rund 800 Dollar im Monat verdient. Dann habe sie sich zwischen dem Bezahlen der Miete oder dem Einkaufen von Medizin entscheiden müssen. „Da ist Wut, da ist Frustration, da ist Schuld und auch etwas Scham.“

Mary Horner, Anwältin in einer Kanzlei in Virginia, macht auch die steigenden Preise für die Probleme vieler Mieterinnen und Mieter verantwortlich. „Die Mieten sind viel höher als zuvor“, sagt sie. „Und die Inflation hat Lebensmittel teurer gemacht“ – das Geld, was Familien früher gereicht habe, reiche heute nicht mehr.

Laut Martin Wegbreit, der für eine Rechtsberatungsstelle in Virginia arbeitet, ist der Wohnungsmarkt in Richmond besonders angespannt. Demnach gibt es in der Hauptstadt von Virginia kaum Leerstand und große Mietsteigerungen. „Das ist das perfekte Rezept, um noch mehr aus Mietern herauszuquetschen als vor der Pandemie“, sagt Wegbreit. Schon 2016 war Richmond die Stadt mit den zweitmeisten Zwangsräumungen.

Afroamerikaner und Frauen häufiger betroffen

Zwar verlangsamte sich der Anstieg der Mieten zuletzt. Wohnkosten machten im Februar allerdings noch 70 Prozent der Inflation aus. Die Regierung in Washington hat Maßnahmen angekündigt, um gegen die prekäre Situation auf dem Wohnungsmarkt vorzugehen. Bis diese Wirkung zeigen, dürfte es aber noch dauern.

Für Betroffene kann eine Zwangsräumung indes traumatisch sein, wie Anwältin Horner zu bedenken gibt. Außerdem seien „fast alle Mieter bei ihrer Anhörung nicht durch einen Anwalt vertreten“ und würden häufig ihre Rechte nicht kennen. Um vor Gericht zu erscheinen, müssten zudem viele Urlaub nehmen – oder sie nehmen, wie die 25-jährige Diamond, mangels Betreuungsmöglichkeiten ihr Kind mit zum Prozess. „Es ist stressig, weil ich ein Baby habe“, sagt sie. „Niemand will obdachlos sein.“

Das Risiko einer Zwangsräumung ist laut Princeton-Forscher Hepburn zudem ungleich verteilt: Afroamerikaner und Frauen mit Kindern sind ihm zufolge häufiger betroffen – oftmals aus wirtschaftlichen Gründen. „Aber man kann nicht ausschließen, dass auch Diskriminierung eine Rolle spielt.“ Hepburn schiebt nach: „Wenn Sie ein Räumungsverfahren in der Akte stehen haben, verfolgt Sie dieser Eintrag.“ (AFP)